Klinikum Haar:Applaudieren reicht nicht

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Brigitta Wermuth arbeitet seit fast 40 Jahren an der Haarer Klinik. (Foto: Sebastian Gabriel)

Als neue Pflegedirektorin am Isar-Amper-Klinikum muss Brigitta Wermuth den Personalmangel verwalten. Sie hat deshalb eine konkrete Bitte an den neuen Gesundheitsminister.

Von Yannik Schuster, Haar

Seit 39 Jahren ist Brigitta Wermuth in der Haarer Klinik des Bezirks Oberbayern tätig. Zunächst als Krankenschwester, heute als Pflegedirektorin des Isar-Amper-Klinikums. Seit November bekleidet sie das Amt, das sie bereits seit einem Jahr kommissarisch ausübte, ganz offiziell. "Ich gehöre nicht zu den Wanderern, die acht oder neun Kliniken vorweisen können. Über die Jahre habe ich aber trotzdem einige Fachbereiche kennengelernt", sagt sie. Am Isar-Amper-Klinikum ist sie nun für 2400 Pflegekräfte an neun Standorten zuständig, umgerechnet entspricht dies 1300 Vollzeitkräften. Unterstützt wird sie dabei von Johannes Thalmeier als Abwesenheitsvertretung und zukünftigem Stellvertreter.

"Wir wollen nahbar und erreichbar sein. Wir wollen mitbekommen, was die Mitarbeiter an der Basis bewegt", sagt Wermuth. Aktuell sei das vor allem die Corona-Pandemie. Die Belastung beherrsche alles Denken, das Thema ermüde. Im Zusammenspiel mit dem schon weit vorher bekannten Fachkräftemangel verlange die Pandemie allen das Äußerste ab.

Mit einem Jahresschnitt von fünf Prozent offenen Stellen, das entspricht etwa 57 Vollzeitkräften, stehe man im Vergleich mit der Landeshauptstadt noch gut da, sagt Wermuth. Die Situation sei "aushaltbar, aber nicht gut". Dennoch räumt sie ein: "Wir können nicht behaupten, dass wir Mitarbeiter haben, die den ganzen Tag vor Glück schreien."

Durch eine enge Verbindung mit den Krankenpflegeschulen in Haar und Taufkirchen (Vils), eine aktive Werbeoffensive an Schulen und ein modernisiertes Bewerbungsverfahren erhofft man sich eine Verbesserung der Situation. Ein Herzensprojekt Wermuths ist zudem die Aktion Triple Win der Agentur für Arbeit. In den vergangenen 20 Monaten habe man so 20 philippinische Mitarbeiter dazugewonnen, weitere 25 sollen folgen. "Migration und Integration leben" laute die Devise. "Ich glaube, dass wir diesen Markt in Zukunft noch intensiver abgreifen müssen." Auf den Philippinen wird nämlich weit über dem eigenen Bedarf ausgebildet, erklärt Johannes Thalmeier. Auf technischer Ebene seien die dortigen Fachkräfte zudem oft qualifizierter als heimische Kräfte. Für die Personalentwicklung sei außerdem die Bindung bestehender Mitarbeiter essenziell.

Johannes Thalmeier unterstützt Brigitta Wermuth künftig als stellvertretender Pflegedirektor. (Foto: Sebastian Gabriel)

Bei den vielen Krankenpflegehelfern im Betrieb müsse man schauen, wo man nachqualifizieren könne, sagt Wermuth. Die Fachweiterbildung sei insgesamt ein wertvolles Instrument. In Kooperation mit einer Hochschule in Regensburg können bereits ausgebildete Kräfte etwa ihren Psychiatrie-Bachelor machen. Zudem hat man zuletzt eine Heilerziehungspfleger-Ausbildung mit 15 Teilnehmern gestartet. Vom nächstem Jahr an wird in der Lehre zudem ein Praxiskoordinator für den Pflegedienst installiert. Ein weiteres Ziel: Akademisierte Pflegekräfte einsetzen, um sich die Wissenschaft ins Team und ans Bett zu holen und so die Versorgungsqualität auf einen neuen Stand zu bringen. Man müsse alle Qualifikationen nebeneinander betrachten, sagt Wermuth. Intensiv arbeite man zudem an einer Ausweitung tagesklinischer und ambulanter Angebote. Außerdem sei man bei den Themen Ausfallmanagement und Dienstplänen an Verbesserungen interessiert.

"Pflege ist ein sehr vielfältiges Aufgabengebiet und wesentlicher Teil der multiprofessionellen Versorgung. Egal an welchem Einsatzort, ich bin immer gerne in die Arbeit gegangen", sagt Wermuth. Dennoch müsse eine Pflegekraft genug verdienen, um davon leben zu können. In den meisten Fällen sei dies nicht der Fall. "Ich würde darum bitten, nicht zu applaudieren, sondern zu handeln", appelliert sie in Richtung des designierten Bundesgesundheitsministers Karl Lauterbach (SPD). Die 2023 "scharf gestellte" Richtlinie zur Personalausstattung in Psychiatrie und Psychosomatik möge er bitte noch einmal überdenken. Demnach müssen Kliniken und Stationen gewissen Mindestpersonalvorgaben entsprechen. Bei Missachtung drohen Sanktionen.

Brigitta Wermuth ist die erste Frau in ihrer Position am Isar-Amper-Klinikum. "Zahlreichen Mitarbeitern macht es Hoffnung, so eine erfahrene Frau an der Spitze zu haben", sagt Johannes Thalmeier.

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