Schulkindergärten im Landkreis:Kostspielige Brücke

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Nicht alle Kinder packen den Sprung vom Kindergarten in die Grundschule. (Foto: Gudrun Petersen/Joker/Imago)

Nur wenige Kommunen leisten sich einen Schulkindergarten, der zurückgestellten Kindern Zeit gibt zu reifen. Haar müsste dafür 44 000 Euro investieren.

Von Bernhard Lohr, Haar/Garching

Susanne Lanzendörfer kennt die Nöte vieler Eltern. Dieser Tage hat ihr wieder eine Mutter aus München ihr Leid geklagt. Deren Kind hat Probleme, in der 1. Klasse mitzuhalten. Eine Rückkehr in den Kindergarten will die Mutter aber verhindern. Es wäre ihrer Meinung nach ein frustrierendes Erlebnis für das Kind und zudem wenig hilfreich. Doch die Leiterin des städtischen Schulkindergartens in Garching konnte nur mit guten Ratschlägen helfen.

Die Plätze bei ihr sind Kindern aus dem Ort vorbehalten. Garching, Unterschleißheim und Haar leisten sich im Landkreis solch vorschulische Einrichtungen, benötigt würden aber viel mehr.

Wie wichtig diese sind und wie knapp bemessen die Zahl der Plätze heute ist, das zeigt schlaglichtartig eine Diskussion auf, die gerade in Haar geführt wird. Vor der Reform der staatlichen Kindergartenfinanzierung im Jahr 2005 existierten gerade in München und im Umland eine ganze Reihe solcher niederschwelligen Einrichtungen, die eine Brücke schlagen zwischen Kindergarten und Schule. So schildert es Kita-Leiterin Susanne Lanzendörfer. Früher hat es im Landkreis ihr zufolge eine enge Zusammenarbeit zwischen den Schulkindergärten gegeben. Man habe sich in einer Arbeitsgruppe auch mit den Kollegen in Freising getroffen. Gerade in München und im Umland sei die Versorgung gut gewesen. Doch das vor gut zehn Jahren eingeführte staatliche Fördersystem habe diesen, nach ihrer Überzeugung, segensreichen Einrichtungen die Existenzgrundlage geraubt.

Drei Fachkräfte für 20 Kinder - das reißt ein Loch bei den Zuschüssen

Mit dem Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz (BayKiBiG) wurde die Zuschussvergabe an die Zahl der Kinder in den Gruppen gekoppelt. Seitdem laufen zwangsläufig Defizite in den Gruppen auf, die wie Schulkindergärten einen höheren Betreuungsbedarf aufweisen. Susanne Lanzendörfer hat in ihrer Einrichtung im Schulzentrum St. Severin in Garching drei Fachkräfte für 20 Kinder zur Verfügung; eigentlich müssten sie 25 Kinder betreuen, damit sich das irgendwie rechnet.

Damit wäre aber nicht zu leisten, dass sich Unterrichts-Einheiten mit Ruhephasen und Spielen abwechseln. Kinder sollen gefordert werden, aber noch Freiräume bekommen. Die Kinder sollen selbständig werden und an Selbstsicherheit gewinnen, sich besser konzentrieren lernen und schulische Arbeitstechniken kennen lernen. Doch Schulkindergärten seien eigentlich nicht mehr vorgesehen, sagt Lanzendörfer. Sie seien praktisch ausgestorben, sagt sie, und zieht den Vergleich zu den "Dinosauriern".

Unterhaching hat die Vorschularbeit in den Regelkindergärten gestärkt

Ausgestorben sind sie zwar tatsächlich nicht. Doch in Unterhaching und in Ottobrunn wurden diese Einrichtungen vor Jahren tatsächlich eingestellt. Unterhachings Rathaus-Sprecher Simon Hötzl macht dafür nicht finanzielle Gründe verantwortlich. Man habe damals im Jahr 2013 zunächst im Blick gehabt, der hohen Nachfrage nach Betreuungsplätzen gerecht zu werden. Pädagogisch habe man in allen Einrichtungen das Augenmerk verstärkt darauf gelegt, im letzten Kindergartenjahr auf die Schule vorzubereiten. Für Kinder, die noch nicht schulreif seien, gebe es zudem die schulvorbereitende Einrichtung an der Hachinger-Tal-Förderschule des Landkreises.

Am Ende bleibt freilich auch die Frage, ob sich eine Kommune leisten will, die vom Staat gelassene Finanzierungslücke zu schließen. Diese Frage stellt sich in Haar jetzt, weil der von der katholischen Kirche als Träger betriebene Kindergarten St. Konrad zuletzt Schwierigkeiten bekam, das Defizit der dem Haus angegliederten Schulkindergartengruppe auszugleichen. Wie sich im Hauptausschuss des Haarer Gemeinderats zeigte, wurde in den Vorjahren das Defizit durch den gut laufenden Regelbetrieb des Kindergartens in Teilen gedeckt.

Das Erzbistum hilft nicht bei der Deckung des Defizits in Haar

Doch als wegen Personalmangels auch in den regulären Gruppen nicht alle Plätze besetzt werden konnten, funktionierte das nicht mehr. Das Minus bei der Schulkindergartengruppe stieg im Kindergartenjahr 2014/15 auf 44 000 Euro an. Im laufenden und nächsten Kindergartenjahr werden ähnliche Beträge erwartet. Für die Gemeinde ist das auch ein Problem, weil es, wie Bürgermeisterin Gabriele Müller (SPD) sagte, das Erzbistum München-Freising abgelehnt habe, als Betreiber das Defizit mitzutragen. Die Gemeinde müsse in den "sauren Apfel beißen". Dass der Schulkindergarten benötigt wird, stand für alle Gemeinderäte jedenfalls außer Frage.

In Haar soll die Gruppe nun von 17 auf 20 Kinder aufgestockt werden, um das Defizit zu begrenzen. Den Bedarf decke man damit aber längst nicht ab, heißt es aus dem Rathaus. Susanne Lanzendörfer, Einrichtungsleiterin in Garching, konnte der besorgten Mutter aus München, die wegen ihres von der Schule überforderten Sprösslings bei ihr vorsprach, jedenfalls nur raten, ihr Kind wenigstens in einen anderen Kindergarten zurückzuschicken.

© SZ vom 23.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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