Digitalisierung:Das virtuelle Haar

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Im digitalen Zwilling sind alle Gebäude der Gemeinde Haar erfasst - auch das Rathaus. (Foto: Sebastian Gabriel)

Ein digitaler Zwilling bildet viele Aspekte der Gemeinde eins zu eins ab: von Solarpotenzialen, über den Verkehr bis hin zum Grab. Die Informationen sollen den Bürgern das Leben erleichtern - und der Gemeinde bei der Planung helfen.

Von Martin Mühlfenzl, Haar

Wer in der Gemeinde Haar längerfristig planen möchte, der muss nicht mehr stundenlang Grabreihen abschreiten und nach freien Parzellen zwischen Kreuzen und Hecken suchen. Es reicht der Blick in den sogenannten digitalen Zwilling auf der Homepage der Gemeinde, in dem alle freien und auch belegten Gräber visualisiert sind: Die roten Punkte geben zu verstehen, dass die Grabstellen auf dem Waldfriedhof nicht mehr zu haben sind, mit einem Klick auf die grünen wird dem Nutzer der digitale Weg zur letzten Ruhe geebnet. So sieht sie mittlerweile aus die Lebensplanung in der angehenden "Smart City" Haar.

Bayerns Digitalminister Fabian Mehring (Freie Wähler) ist am Montagnachmittag in die Gemeinde Haar gekommen, um sich den digitalen Zwilling etwas genauer anzuschauen, der ja viel mehr ist als ein Online-Gräber-Katalog. In den vergangenen Monaten hat das Amt für Innovation, Wirtschaftsförderung und zentrale Dienste in der Rathausverwaltung von Bürgermeister Andreas Bukowwski (CSU) die Gemeinde in zentralen Bereichen digital erfasst und daraus ein dreidimensionales Modell erstellt. "Eine virtuelle Repräsentation unseres Gemeindegebietes", wie Alexandra Szelag sagte, die den digitalen Zwilling mit aufgebaut hat.

Gefüttert wird der Zwilling aus unterschiedlichsten Quellen: etwa aus Geoinformationsdiensten, die punktgenau Daten über den Baumbestand in der Gemeinde liefern. Mit einem Klick auf den hellgrünen Punkt vor dem Rathaus erfährt man, dass es sich dabei um eine Vogelkirsche handelt. Aber auch Baupläne der Gemeinde sind ebenso erfasst wie Spielplätze samt den Spielgeräten. Das Münchner Landratsamt liefert Daten zu den Solarpotenzialen auf allen Dächern, die Bundesnetzagentur jene zu E-Ladesäulen in der Gemeinde. Und auch alle ÖPNV-Haltestellen samt den an- und abfahrenden Linien sowie Wertstoffinseln oder Hallen- und Freibäder sind im digitalen Zwilling erfasst.

Vorwärts Richtung Digitalisierung: Minister Fabian Mehring (links) mit Haars Bürgermeister Andreas Bukowski. (Foto: Sebastian Gabriel)

Echtzeitinformationen liefern zudem zwei Sensoren in der viel befahrenen Leibstraße in der Ortsmitte nördlich am Kreisel sowie an der Kreuzung zur Wasserburger Landstraße. Diese erheben Daten zum Verkehr, wie viele und auch welche Fahrzeuge zu welcher Uhrzeit die Straße befahren. Anhand dieser Informationen, so Szelag, könnten klare Handlungsanweisungen etwa für die Kommunalpolitik abgeleitet werden, etwa hinsichtlich optimierter Ampelschaltungen, aber auch der Verkehrsführung.

Die Verkehrserfassung auf der Leibstraße ist als Pilotprojekt Teil des Projekts "Twinbay - Digitale Zwillinge für Bayern" aus dem Haus von Minister Mehring. Verschiedene digitale Einzelprojekte in ganz Bayern wurden darin gefördert, etwa zum Hochwasserschutz, der Energiewende, der digitalen Bauleitplanung, der Stadtentwicklung oder wie in Haar zur intelligenten Mobilität und digitalen Verkehrssteuerung.

Minister Mehring nennt die Digitalisierung eine "Jahrhundertchance"

Welche Bedeutung der Digitalisierung zukommt, machte Digitalminister Mehring bei seinem Besuch in Haar deutlich: Eine innovative Verwaltung und ein moderner Staat seien erforderlich, um "den Kräften da draußen" etwas entgegenzusetzen, die versuchten, die Gesellschaft auseinanderzutreiben. Menschen verstünden nicht, dass der DHL-Bote pünktlich kommt, ein Bauantrag aber ewig dauert. "Das liegt aber nicht daran, dass die Mitarbeiter in den Rathäusern nicht motiviert wären, wir haben den Digitalisierungsschub noch nicht in die Behörden gebracht", sagte Mehring. Obwohl die Digitalisierung, auch für die Wirtschaft, eine "Jahrhundertchance" sei.

Auch Haars Bürgermeister Bukowski wies auf die Chancen der Digitalisierung hin, bat aber auch um Bürokratieabbau. Als Beispiel verwies er auf den Pass-Automaten, der seit geraumer Zeit vor dem Rathaus steht. Dort können Bürger ihren neuen, online bestellten Personalausweis zu jeder Tages- und Nachtzeit abholen. Hierfür müssten sie aber mehr analoge Formulare ausfüllen, als wenn sie den Pass direkt im Bürgerbüro abholten.

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