Boys' Day:Schnupperpraktikum im Skills Lab

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Fachkrankenpfleger Jens Wentzlau (links) leitet einen Jugendlichen bei der Reanimation an. (Foto: Claus Schunk)

Die Pflege von Alten und Kranken ist kein Frauenberuf. Im Isar-Amper-Klinikum in Haar haben 18 Schüler die Gelegenheit, mit Vorurteilen aufzuräumen und gleich selbst auszuprobieren, ob die Ausbildung für sie das Richtige wäre.

Von Hannah Wilholt, Haar

Kfz-Mechaniker, Fachinformatiker oder Elektroniker: All das sind Berufe, die immer noch meist Männern zugeschrieben werden. Tätigkeiten im sozialen Bereich dagegen werden eher auf Frauen projiziert. Mithilfe der jährlich stattfindenden Veranstaltungen Girls' und Boys' Day sollen diese klischeehaften Rollenbilder aufgebrochen und überwunden werden. Dabei können Mädchen und Jungs ab der fünften Jahrgangsstufe in die Arbeit an Universitäten und in Betrieben hineinschnuppern, die vermeintlich dem jeweils anderen Geschlecht zugeordnet werden. Bundesweit gibt es mehr als 7100 solche Aktionen für Jungen; 116 Plätze bei 28 Arbeitgebern wurden am Donnerstag im Landkreis München angeboten.

Mit dabei war das Isar-Amper-Klinikum in Haar, wo insgesamt 18 Heranwachsende zwischen zehn und 18 Jahren die Aufgabenbereiche einer Pflegefachkraft in der Psychiatrie kennenlernen konnten. Schon bei der kurzen Vorstellungsrunde zu Beginn wird die Geschlechterverteilung deutlich: Unter den zwölf Mitarbeitenden sind nur zwei männliche Pfleger. Insgesamt sind am Klinikum 35 Prozent der Pfleger Männer, während der Anteil in den Kursen an der dazugehörigen Berufsfachschule für Pflege und Krankenpflegehilfe inzwischen schon 50 Prozent beträgt.

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Clara Schumacher ist Pflegedienstleitung der Gerontopsychiatrie in Haar, wo man sich um ältere psychisch kranke Patienten kümmert. Vor der Corona-Pandemie konnten Schnupperpraktikanten direkt auf Stationen mitarbeiten, erzählt Schumacher, seither werden "Skills Lab" genutzt. Dort können sich die Jugendlichen an fünf Stationen nicht nur über verschiedene Bereiche einer psychiatrischen Einrichtung informieren, sondern auch gleich selber in dem Berufsfeld ausprobieren.

"Das ist ganz schön krass, wie anstrengend das ist"

Zum Beispiel Ohr-Akupunktur-Methode: Diese biete eine "wunderbare Möglichkeit, ohne Medikamente zu helfen", sagt Ausbildungskoordinatorin Sandra Farin. Dabei werden fünf kleine Akupunkturnadeln circa zwei Millimeter tief in beiden Ohrmuscheln platziert, um Stress zu reduzieren, Entzugssymptome bei Suchtkranken zu lindern oder Ängste zu abzuschwächen. Wie es sich als stark alkoholisierte Person anfühlt, das können die Teilnehmer anschließend bei einem Parcours mit der Suchtbrille erleben, die das Sehvermögen mit 2,5 Promille darstellt.

So kann sich ein 80-Jähriger fühlen: Praxisanleiterin Lena Kirchmayer legt einem Teilnehmer einen 25 Kilogramm schweren Anzug an und setzt ihm einen Helm auf, mit dem eine Sehbehinderung simuliert wird. (Foto: Claus Schunk)

Auch das Körpergefühl eines circa 80-Jährigen lässt sich an diesem Vormittag nachempfinden. Dazu bekommen die Schüler jeweils von Praxisanleiterin Lena Kirchmayer einen 25 Kilogramm schweren Anzug angelegt, der aus Gewichten an Handgelenken und Knöcheln, einer Weste sowie aus Handschuhen, Ohrenschützern und einem Helm besteht, der eine Sehbehinderungen nachahmen soll. Das macht Eindruck: "Das ist ganz schön krass, wie anstrengend das ist und sich das alles verändert", sagt etwa der 17 Jahre alte Johannes.

Von Carola Baumgartner, die auf der gerontopsychiatrischen Station arbeitet, lernen die Jugendlichen, dass das Pflegepersonal nicht füttert, sondern das Essen eingibt. Die 18 Jungen dürfen sich gegenseitig beim Joghurtessen helfen und ein mit Maisstärke angedicktes Wasser sowie stark kalorienhaltige Getränke für Patienten mit Schluckbeschwerden probieren. Paul Wentzlau, Fachkrankenpfleger auf der Intensivstation, erklärt ihnen schließlich die Grundlagen der stabilen Seitenlage und der Reanimation, anschließend kann an einer Puppe geübt werden. "Das Wichtigste ist das Drücken", erklärt der Pfleger. Als Laie solle man sich auf die Herzdruckmassage konzentrieren und die Beatmung außer acht lassen, da diese meist sowieso nicht korrekt erfolge und von der Druckmassage ablenke.

Nach all den verschiedenen Stationen gehen die Meinungen der Schüler auseinander, was eine Karriere in der Pflege betrifft. Während Johannes zwar alles sehr interessant fand, aber sich den Beruf für sich nicht vorstellen kann, ist der 15-jährige Arman angetan: "Ich glaube, ich werde hier auch mein Praktikum machen."

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