Kommunalfinanzen:Das Dino bleibt in der Baracke

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Der Jugendtreff Dino ist bis heute in einer Baracke untergebracht, die für den Bau des Jagdfeldzentrums aufgestellt wurde. Doch für den geplanten Neubau ist kein Geld da. (Foto: Claus Schunk)

Haar muss sparen, Leidtragende sind neben der VHS, der Musikschule, Vereinen und Bedürftigen vor allem die Mitarbeiter und Besucher des Jugendtreffs. Am Einstieg in die Vaterstettener Geothermie-Gesellschaft hält der Gemeinderat dagegen fest.

Von Bernhard Lohr, Haar

Die Auswirkungen der prekären Finanzlage der Gemeinde Haar kommen jetzt bei den Bürgern an. Der am Dienstag mehrheitlich beschlossene Haushalt für 2024 sieht Einschnitte bei der Volkshochschule vor, bei der Musikschule und überhaupt bei Vereinen. Es wird beim geplanten Umbau der Leibstraße gespart, bei den Bedürftigen und der Jugend. Der Fokus liegt stattdessen darauf, den Einstieg bei der Geothermie-Gesellschaft in Vaterstetten hinzubekommen, den Bau eines Busbahnhofs und den einer dringend benötigten Kindertagesstätte. Dabei steht das Zahlenwerk unter dem Vorbehalt, dass die Kommunalaufsicht im Landratsamt zustimmt. Eigentlich müssen Kommunen die laufende Ausgaben erwirtschaften. Dazu fehlen Haar heuer 21 Millionen Euro.

Die Not hat sich seit Längerem angekündigt und wird vorerst bleiben. Im Grunde weiß man seit dem Tag Bescheid, an dem der mit Abstand größte Gewerbesteuerzahler, das Pharmaunternehmen MSD, im Sommer 2018 seinen Abschied verkündet hat. Überbrückt wurde das "strukturelle Defizit", von dem Bürgermeister Andreas Bukowski (CSU) so wie SPD-Fraktionschef Thomas Fäth am Dienstag sprachen, bis dato dadurch, dass MSD erst am 1. November 2021 tatsächlich im Münchner Gewerbepark Macherei einzog; und zum Glück hinterließ der Konzern zum Abschied kräftige Steuernachzahlungen.

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Doch diese Zeiten sind vorbei. 2024 jedoch erwartet Haar nur noch 10,5 Millionen Euro an Gewerbesteuer. Die historisch hohen Rücklagen von 86 Millionen Euro Anfang 2023 werden Ende 2027 so gut wie weg sein. Laut Finanzplan bleiben dann noch zehn Millionen, bei steigendem Schuldenstand. Alleine für das Geothermie-Engagement werden 2024 für 1,5 Millionen Euro Kredite aufgenommen. Die Energieversorgung hat Priorität. Nicht mehr der Neubau für den Jugendtreff Dino, der bis heute eine ehemalige Baubaracke aus der Entstehungszeit der Großsiedlung Jagdfeld in den Siebzigerjahren nutzt. Seit mehr als zehn Jahren wird über ein neues Haus geredet, zuletzt wurde das unter Einbeziehung der Jugendlichen intensiviert. Ein Vorzeigebau für eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft sollte es werden.

Das ist erst einmal vom Tisch. Juz-Besucher Sirwan Huseyin verfolgte die Debatte im Gemeinderat und zeigte sich äußerst enttäuscht. Der Betrieb in dem Gebäude "ist nicht mehr vertretbar, das ist gefährlich", sagte er. Die Heizung funktioniere nicht richtig, der Boden sei marode. Juz-Leiterin Tanja Probst, die bei kühlen Temperaturen mit Jacke im Büro sitzen muss, zeigte sich betroffen, auch weil unter den Jugendlichen Hoffnungen genährt worden waren. "Wir müssen uns das gemeinsam anschauen, damit wir das die nächsten Jahre nutzen können." Ob überhaupt Geld für die notwendigsten Sanierungsmaßnahmen da ist, blieb an dem Abend offen.

"Ich schäme mich", sagte Traudl Vater von der SPD

Manche mochten nicht alle Härten mittragen: Peter Schießl und Traudl Vater (beide SPD) lehnten den Haushalt rundweg ab. Traudl Vater, die seit Anbeginn beim Haarer Tisch für die Ärmsten in der Gemeinde Essen ausgibt, sprach von einer "Schande", dass das bisher zusätzlich zum Sozialhilfesatz gewährte Weihnachtsgeld von 50 Euro pro Sozialfall gestrichen wird. "Ich schäme mich", sagte sie. Ein Antrag der Grünen scheiterte, eine aus ihrer Sicht "doppelte Kürzung" bei der VHS abzuwenden und auf den allgemein eingeforderten Fünf-Prozent-Pauschal-Abschlag zu verzichten und alleine die 50 000-Euro-Pandemiehilfe einzukassieren.

Die Grünen und Peter Siemsen (FDP) warnten davor, bei der Bildung und auch der Kultur wichtige Strukturen zu gefährden. Auch SPD-Fraktionschef Thomas Fäth rief dazu auf, "irreparable Schäden" zu vermeiden und sprach von einer Lage, die "zwar ernst, aber auch nicht dramatisch" sei. CSU-Fraktionssprecher Dietrich Keymer hielt deutlich dagegen. Er sagte, man orientiere sich beim Sparen an den "Notwendigkeiten". Das Problem sei nicht "nur eine Delle". Bürgermeister Bukowski rief dazu auf, die Gewerbe-Ansiedlung mit "Realitätssinn", "Flexibilität" und "Mut" auch auf der Finckwiese voranzutreiben. Zu Optimismus gebe es keine Alternative.

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