Konzert:Lyrischer Klangfarbenzauber

Lesezeit: 2 min

Erlesenes Trio: Nils Mönkemeyer, William Youn und Sabine Meyer (von links) eröffnen die "Grünwalder Konzerte" nach der Sommerpause. (Foto: Claus Schunk)

Das Trio Sabine Meyer, Nils Mönkemeyer und William Youn überzeugt in Grünwald mit Werken von Schumann über Bartók bis Schostakowitsch. Der Abend atmet romantisch-verträumtes, aber auch tänzerisch-folkloristisches Flair.

Von Udo Watter, Grünwald

Mit den sinnlichen Überwältigungsmechanismen eines Kinos kann ein klassischer Konzertsaal gewöhnlich nicht aufwarten. Wenn im Multiplex-Filmpalast das Licht ausgeht, setzt ja ein Zusammenspiel von optischer Action auf großer Leinwand und akustischer Wucht in Dolby-Surround ein, das den Besucher auf unmittelbar effektvolle Weise in andere Realitätsebenen entführt. Der Einstieg in einen Kammermusikabend ist da weniger spektakulär. Das Licht wird gedimmt, die Instrumente werden gestimmt, das Publikum hüstelt und räuspert sich noch mal, dann wird eine kultivierte Sitzhaltung eingenommen und gelauscht. Und ja: Nicht jedes Haydn-Streichquartett oder Mozart-Klaviertrio wühlt von Beginn an existenziell auf.

Dieser Abend im Grünwalder August-Everding-Saal brauchte indes keinerlei Anlaufzeit: Klarinettistin Sabine Meyer, Bratschist Nils Mönkemeyer und Pianist William Youn schafften es gleichsam mit den ersten Takten, eine wunderbar einnehmende Stimmung in den Raum zu zaubern. Die kantablen Melodiebögen und neckischen Triller, die sich im ersten Stück aus Robert Schumanns "Märchenerzählungen" mit der Vorgabe "lebhaft, nicht zu schnell" entfalten, lassen dabei an den Flug einer Fee durch idyllische Szenerien denken. Der luftige Klangfarbenzauber dringt dabei auf leisen Pfaden in die Ohren - der Drang zur mächtigen sinnlichen Überwältigung, dem auch immer die Nähe zum Kitsch innewohnt, ist ja ohnehin keine Grundtugend der Kammermusik.

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Doch so idyllisch-verträumt manche Passagen in Schumanns vorletztem Musikwerk sind, es schimmert auch immer etwas Melancholisches durch. Und in den schnelleren beiden der vier Stücke gilt es, rhythmisch durchaus zackige und fast unrunde Momente zu meistern, was den drei Protagonisten in punkto Präzision einiges abverlangt und nicht immer ganz perfekt gelingt. Dennoch: Schumanns Werk erklingt an diesem Donnerstagabend so märchenhaft wie eigentümlich-geheimnisvoll. Das namhafte Trio, das die "Grünwalder Konzerte" nach der Sommerpause wieder eröffnet, versteht sich auf einen ausdrucksvollen und feinsinnigen Vortrag.

Der August-Everding-Saal war ausverkauft, nicht zuletzt wohl wegen des Renommees der Musiker, vor allem Sabine Meyer und auch Nils Mönkemeyer gelten als weltweit geschätzte Stars an ihren Instrumenten, war der Andrang auf die Karten groß gewesen. Das Publikum war spürbar begeistert, auch von der mitreißenden Interpretation Mönkemeyers und Youns der sechs "Rumänischen Volkstänze" von Béla Bartók, die dem Schumann'schen Auftakt folgten. Die rustikale Virtuosität, die erdige Klangfarbenfreude, die sich hier Bann brachen, waren einfach ansteckend, optisch untermalt von Mönkemeyer, der sich immer wieder, das eine Knie kurz beugend, elegant in Pose spielte.

Das Publikum dankt mit kultiviertem Schmunzeln

Überhaupt atmete der Abend etwas Tänzerisch-Folkloristisches, denn auch die drei Stücke von Dmitri Schostakowisch (Gavotte, Walzer, Polka), die in Grünwald in Bearbeitung für Violine, Klarinette und Klavier erklangen, waren inspiriert von volksmusikalischen Rhythmen und Harmonien, wenn auch kunstmusikalisch veredelt. Vor allem die kurze Gavotte zeigte eindrücklich, wie beschwingt und scheinbar unangestrengt die drei Künstler miteinander zu dialogisieren und musikalischen Humor zu transportieren verstehen. Das Publikum dankte mit kultiviertem Schmunzeln. So ein Schelm, der Dmitri.

Darius Milhauds Konzertsuite "Scaramouche" kam ähnlich gut an, besonders das äußerst lebhafte "Brazileira" ist ja enorm populär. Hier demonstrierte Meyer, die schon seit vielen Jahren zu den renommiertesten Klarinettistinnen der Welt gehört, ihre hohe Virtuosität. Freilich weiß sie die ruhigen, liedhaften Passagen, die samtweichen, lyrischen Klangbögen ebenfalls eindrucksvoll zu spielen. Und zusammen mit ihren versierten Partnern zeigt sie auch nach der Pause beim Vortrag von "Acht Stücke für Klarinette, Viola und Klavier", komponiert von Max Bruch, ihre ganze interpretatorische Reife.

Das relativ lange Stück verlangt, einer Vielfalt an romantisch-besinnlichen Stimmungen Ausdruck zu verleihen, auch mal dynamisch zu forcieren, kontrastive Momente mit Phrasierungsintelligenz zu gestalten. Das Finale klingt dann erstaunlich ruhig aus. Wer so spielen kann wie das Trio Meyer, Mönkemeyer und Youn, braucht indes keine lauten Tönen. Oder andere aufdringliche Überwältigungsmittel.

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