Gräfelfing:Villen erhalten ohne Ensembleschutz

Lesezeit: 2 min

Die Gräfelfinger Villen gehen auf die Zeit um die Jahrhundertwende zurück. (Foto: Florian Peljak)

Die Gemeinderäte setzen bei der Denkmalpflege auf Beratung, nicht auf Zwang.

Von Annette Jäger, Gräfelfing

Gartenstadt zu sein, ist gut und schön. Aber unter besonderen Schutz soll die historische Villenkolonie in Gräfelfing entlang der Bahnstrecke nicht gestellt werden. Für eine Ausweisung der Villenkolonie als Ensemble konnten die Gemeinderäte im Bauausschuss kürzlich wenig Feuer entfachen. Ein Instrumentarium ist jedoch erwünscht, um künftig sensibler bei der Bauleitplanung vorzugehen.

Die Gemeinde lässt sei Jahren ein kommunales Denkmalschutzkonzept erarbeiten. Es geht auf eine Empfehlung des Landesamts für Denkmalpflege zurück. In einem ersten Teil des Konzepts, der bereits 2020 vorgestellt wurde, wurden die historischen Werte der Villenkolonie aufgezeigt. Deutlich wurde dabei, dass Straßen- und Wegeführungen sowie Plätze vor allem im Wohngebiet entlang der Bahnstrecke auf die Anfänge der Landhausvillenkolonie um 1900 zurückgehen und noch gut sichtbar sind. Offensichtlich wurde aber auch, dass es schon viele bauliche Ausreißer in dem Gebiet gibt, von "Überformungen" ist die Rede: Firsthöhen, Dichte der Bebauung und Fassadengestaltungen weichen deutlich vom historischen Bestand ab.

Die Gemeinderäte müssen nun entscheiden, wie sie damit umgehen. Weil sich historischer Bestand und Überformungen in dem Gebiet die Waage halten, wäre eine Ausweisung als Ensemble eine Möglichkeit, Denkmalwerte zu erhalten, sagte Gerhard Ongyerth vom Landesamt für Denkmalpflege. Sie ist aber kein Muss. Die Gemeinderäte zeigten wenig Begeisterung für die Idee. Die Gemeinde lege größten Wert darauf, "einen offenen Geschmack" zuzulassen, was die Bautätigkeit angeht, sagte Florian Ernstberger (Bürgerverein Gräfelfing-Lochham). Die Bauleitplanung nehme bereits Rücksicht auf die besonderen Gräfelfinger Strukturen. Er sehe keinen Grund, noch mehr Vorgaben zu machen. Marion Appelmann (CSU) fürchtete eine Entwertung von Grundstücken, wenn "volle Entfaltung" nicht möglich sei. Denn eines ist sicher: Würde das Wohngebiet als Ensemble ausgewiesen werden, würden Genehmigungsprozesse über das Landesamt für Denkmalpflege laufen. Die Folge können Einschränkungen beim Baurecht sein.

Bei Renovierungen haben die Eigentümer zum Teil das Fingerspitzengefühl vermissen lassen

Der Stadtplaner und Geograf Martin Späth, der das Konzept erstellt, lobte die Bebauungspläne der Kommune. Es gebe wenige Gemeinden, die sich die Mühe machten, Bebauungspläne auch für ihren Wohnbestand zu erstellen. Trotzdem seien in der Vergangenheit "Mängel" entstanden, gab er zu bedenken. Anette Kitzmann-Waterloo von der SPD drückte es klarer aus: Nicht immer sei mit Fingerspitzengefühl renoviert worden. Der Bauberater der Gemeinde, Bertold Ziersch, sagte, dass man die Entscheidungshoheit beim Bauen auf jeden Fall in der Hand behalten solle. Statt des Ensembleschutzes wünschte er sich, wie einige Gemeinderäte auch, eine Beratung durch das Landesamt für Denkmalpflege, um künftig bei der Bauleitplanung die "kritischen Bereiche" besser im Blick zu haben und historische Werte schützen zu können. Ein Katalog der spezifischen Gräfelfinger Werte wie auch ein "Handwerkszeug" für die kommunalpolitische Arbeit sollen dem Gemeinderat nun im ersten Quartal 2023 vorgelegt werden.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: