SZ-Adventskalender:Das vierte Jahr in der Obdachlosenunterkunft

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Ein Einzelbett, ein Stockbett und ein Tisch passen gerade so in das Zimmer, dass sich Katherina R. mit ihrem 13-jährigen Sohn und der ein Jahr jüngeren Tochter teilt. (Foto: Catherina Hess)

Eine alleinerziehende Mutter und ihre zwei Kinder sind in Gräfelfing gestrandet. Weil sie keine bezahlbare Wohnung finden, teilen sie sich seit 2020 ein Zimmer.

Von Annette Jäger, Gräfelfing

Ohne eigene Wohnung fehlt der Halt im Leben. Es gibt dann keinen Rückzugsort, an dem man Kraft tanken kann, um seinen Alltag zu gestalten oder soziale Bindungen einzugehen und zu pflegen. Es fehlt der Boden unter den Füßen. Katharina R. erlebt gerade, wie das ist. Seit drei Jahren und drei Monaten, sie weiß genau wie lange, lebt die alleinerziehende Mutter gemeinsam mit ihren beiden Kindern in der Obdachlosenunterkunft in Gräfelfing. So lange sucht sie auch schon eine eigene Wohnung.

Es ist ein winziges Reich, das sich die dreiköpfige Familie in der Obdachlosenunterkunft geschaffen hat. Ein Stockbett und ein Einzelbett, ein Schrank und ein winziger Tisch passen gerade so in das kleine Zimmer, das alle gemeinsam bewohnen, Katharina R. mit der zwölf Jahre alten Tochter und dem ein Jahr älteren Sohn. Über dem Bett des Jungen, der ein großer Fußballfan ist und selbst ambitioniert kickt, ist eine Schnur gespannt, auf die er mit ganzem Stolz seine gesammelten Fußballtrikots gehängt hat. Viel mehr Platz für persönliche Schätze gibt es auf diesem engen Raum kaum. Kleidung, Schulsachen, Badezimmerartikel, Unterlagen - drei Menschen benötigen viele Dinge. Wer Raum für sich braucht, muss sich auf sein Bett legen.

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Beide Kinder haben die Diagnose ADHS, Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung, beide sind in Pflegegrad zwei eingestuft. Dem Sohn merkt man das auf Anhieb nicht an. Er ist ein offener, aufgeweckter Junge, der sofort aufspringt und dem Besuch einen Stuhl holt. In der Schule hat er sich so verbessert, dass er von der Förderschule jetzt in eine Mittelschule wechseln konnte. Dort besucht auch die Tochter die Ganztagsklasse.

Katharina R. hätte sich nie vorstellen können, so schnell in so eine Situation zu geraten. Vor mehr als drei Jahren zog sie von Pasing nach Nürnberg, zu ihrer "großen Liebe", wie sie sagt - sie zeigt mit den Fingern Anführungszeichen an. Es war nicht die große Liebe, irgendwann hatte der Lebensgefährte eine andere Liebe und sie samt den Kindern, die nicht seine waren, "auf die Straße geworfen", wie sie es ausdrückt. "Wir waren von heute auf morgen obdachlos."

Die heute 35-Jährige konnte für kurze Zeit bei ihrer Mutter in Gräfelfing unter schlüpfen, die dann aber selbst wegzog. Katharina R. buchte sich und die Kinder in einem Hotel ein, um die Obdachlosenunterkunft zu umgehen. Für 80 Euro pro Nacht schliefen die drei in einem Bett. Dann kam die Corona-Pandemie und die Hotels wurden geschlossen. Es blieb nur die Obdachlosenunterkunft in Gräfelfing.

Seitdem sucht Katharina R. eine eigene Wohnung, eine Sozialberaterin der Wohnungsnotfallhilfe der Arbeiterwohlfahrt im Landkreis München unterstützt sie dabei. Aber es ist aussichtslos. Die wenigen Wohnungen, die überhaupt auf dem Markt zu mieten sind, haben zuletzt 1800 Euro gekostet für zweieinhalb Zimmer, erzählt R. Das kann sie sich nicht leisten. Katharina R. lebt von Bürgergeld, sie arbeitet nicht, ihr Gesundheitszustand sei zu labil, sagt sie, sie sei infektanfällig und psychisch gestresst. Sie will unbedingt im Würmtal bleiben, denn die Kinder gehen hier zur Schule, beide spielen begeistert Fußball im Verein, sind gut integriert. Das will sie ihnen nicht mehr nehmen. Der SZ-Adventskalender möchte den Kindern Fußballschuhe und Sporttrikots spenden.

Jetzt hofft die Alleinerziehende auf eine Sozialwohnung. Nach drei Jahren in Gräfelfing ist sie berechtigt, sich zu bewerben. Es gibt aber nicht viel Angebot und zudem ein Punktesystem, das Menschen, die schon länger am Ort wohnen, die vielleicht eine Behinderung haben oder andere besondere Lebensumstände als noch bedürftiger einstuft. Katharina R ist sich sicher, dass ihr ganzes Leben an einer Wohnung hängt: "Wenn wir eine Wohnung haben, dann läuft auch alles andere wieder." Jeder braucht einfach einen Ort, an dem er zuhause ist.

So können Sie spenden

Überweisungen sind auf folgendes Konto möglich: "Adventskalender für gute Werke der Süddeutschen Zeitung e.V.", Stadtsparkasse München, IBAN: DE86 7015 0000 0000 6007 00, BIC: SSKMDEMM

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