Gräfelfing:Wenn der Nachbar nachts die Tür eintritt

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Werkzeuge als Waffen: Ein 53-Jähriger soll in Gräfelfing einen Nachbarn mit zwei Hämmern angegriffen haben. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Weil er sich über Gespräche auf dem Balkon ärgerte, soll ein 53-Jähriger in eine fremde Wohnung eingedrungen und seinen Nachbarn mit zwei Hämmern attackiert haben. Vor Gericht räumt der Mann, der psychische Probleme hat, die Vorwürfe ein und lässt seinen Anwalt erklären: "In diesem Moment war mir alles egal."

Von Carla Augustin, Gräfelfing

Lärmende Nachbarn kennt jeder. Für gewöhnlich ärgert man sich, vielleicht beschwert man sich auch. Ein Mann aus Gräfelfing jedoch bewaffnete sich mit zwei Hämmern, trat die Wohnungstür des Nachbarn auf und schlug auf ihn ein. Deswegen muss sich Andreas D. derzeit vor Gericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm gefährliche Körperverletzung, Bedrohung, Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung vor.

D. sitzt in T-Shirt und Arbeitshose auf der Anklagebank. Man könnte meinen, er kommt direkt vom Bau. Dabei arbeitet er schon länger nicht mehr, er wurde als arbeitsunfähig anerkannt. Während der Verhandlung schweigt der Angeklagte. In einer Erklärung, die sein Anwalt zu Prozessbeginn verliest, berichtet er von Depressionen. Auch eine kriminelle Vergangenheit deutet er an. Seine Schuld räumt er ein: "Der Vorwurf aus der Anklage stimmt."

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D. hat laut der von seinem Anwalt vorgetragenen Erklärung schon geraume Zeit vor der Tat, und auch in jener Nacht im Juli 2022, an massiven Schlafstörungen gelitten, weil er ein Psychopharmakon nicht vertragen habe. Dazu seien auch noch die Nachwirkungen einer Corona-Infektion gekommen. Um vier Uhr nachts habe er durch die offenen Fenster Lärm vom Balkon unter sich gehört und daraufhin etwas hinunter gerufen.

Auf dem Balkon saß sein Nachbar in Begleitung einer Frau und rauchte. Von der Reaktion des 39-Jährigen fühlte sich D. laut seiner Erklärung so provoziert, dass er kurze Zeit später dessen Tür mit drei Tritten eintrat und auf den Balkon stürmte. "In diesem Moment war mir alles egal", zitiert D.s Anwalt seinen Mandanten.

Auf dem Balkon soll D. laut Anklage mit einem der Hämmer auf den Kopf und den Oberkörper des Opfers eingeschlagen und ihm eine Platzwunde und Schnittwunden zugefügt haben. D. schildert in seiner Erklärung, dass der Nachbar versucht habe, seine Handgelenke festzuhalten und dann fragte: "Weißt du, was du gerade tust?"

Daraufhin ist D. nach eigener Darstellung "aufgewacht". Er sei langsam "runtergekommen", habe sich entschuldigt und direkt danach freiwillig bei der Polizei gestellt. "Was ich getan habe, tut mir leid", lässt er ausrichten. Er habe von Januar an einen festen Therapieplatz und kündigt an, das Urteil anzunehmen: "Weil ich weiß, dass die Wahrheit frei macht."

Auch das Opfer, Hausmeister von Beruf, kommt in der Arbeitshose in den Saal, bei ihm steckt sogar ein Zollstock in der Tasche. Bis zu dem Vorfall hatte er nie Kontakt zu D. Er sei in jener Sommernacht mit seiner Begleiterin von einer Feier gekommen und habe auf dem Balkon geraucht. Sie hätten sich sogar extra leise unterhalten. "Ich kenne ja meine Nachbarn." Musik habe zwar gespielt, aber nur drinnen und selbstverständlich nur auf Zimmerlautstärke.

Das Opfer sucht nun eine neue Wohnung

Nachdem D. von oben etwas gerufen habe, hätten er und die Frau in die Wohnung gehen wollen, doch da hätten sie schon drei Schläge gehört und D. sei in der Wohnung gestanden. Er sei auf ihn zugerannt und habe gerufen: "Jetzt schlag' ich dir den Schädel ein!" Er selbst habe instinktiv gehandelt, sagt das Opfer: "Ich hatte nur die beiden Hände im Auge und habe gedacht, die muss ich zu fassen kriegen, sonst war's das." Er habe es geschafft, den Angreifer festzuhalten und auf ihn einzureden. Daraufhin habe dieser sich schnell beruhigt, entschuldigt und zu erklären versucht.

"Zwei Aussagen fand ich ziemlich krass", sagt der Angegriffene vor Gericht. Der 53-Jährige habe ihm erzählt, dass er die zwei Hämmer für die Nachbarin über ihm gekauft hätte. Die Frau sei im Haus dafür bekannt, öfter mal laute Musik zu spielen, sodass es durch den Hausflur dröhne. D. habe gesagt, eigentlich habe er sie "platt machen" wollen. Außerdem habe er eh nichts mehr zu verlieren und ihm sei alles egal.

Auf die Frage, ob er denn Angst um sein Leben gehabt habe, antwortet der 39-Jährige: "Ja, da war mir schon mulmig." Er sei froh, dass seine Kinder zu dem Zeitpunkt nicht bei ihm waren oder D. zu einer der Bewohnerinnen im Haus ging. Die hätten wohl nicht so schnell und kraftvoll reagieren können. Trotz der erfolgreichen Abwehr und der Aussage, dass die beiden eigentlich nie ein Problem miteinander gehabt hätten, sucht das Opfer eine neue Wohnung. Bei D. sei sicherlich viel zusammen gekommen, was ihn zu dieser Tat bewegt habe, aber: "Wenn der Tag X wieder eintritt, darauf kann ich nicht warten."

Es sind noch zwei weitere Verhandlungstage angesetzt. Das Urteil wird für kommenden Montag erwartet.

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