Manchmal gehen aktuelles Weltgeschehen und Vergangenheit eine verstörende Verbindung ein. Der 130. Geburtstag von Kurt Huber, Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime und Mitglied der Weißen Rose, fällt in eine Zeit, in der sich die Welt radikalisiert, in der Juden sich in Deutschland bedroht fühlen und es Antisemitismus an deutschen Schulen gibt. Die Dauerausstellung zum Leben und Wirken Kurt Hubers, die Schüler des nach ihm benannten Gymnasiums in Gräfelfing am Dienstag präsentiert haben und die auch für die Öffentlichkeit zugänglich ist, wirkt da wie ein Ausrufezeichen.
Erinnerungsarbeit in den Schulen ist Präventionsarbeit. Der Beschäftigung mit den Gräueltaten der Nazis im Dritten Reich ist immer mit dem Appell verbunden, wachsam zu sein, mutig gegen Unrecht vorzugehen, damit Geschichte sich nicht wiederholt. Gibt es für ein "Nie wieder" eine Garantie? Kurt Hubers Sohn lässt das in seiner Ansprache vor großen Publikum in der Mehrzweckhalle des Gymnasiums offen und legt die Verantwortung dafür in die Hand der Jugendlichen. "Man weiß ja nie, was in unserer Zeit noch kommt", sagt Wolfgang Huber. Bei der nächsten Wahl übernehme jeder die persönliche Verantwortung dafür, wo er sein Kreuz mache.
Dass die sechs Tafeln, die die Schüler des P-Seminars zu Kurt Hubers Leben und seiner Rolle im Widerstand gestaltet haben, nicht eines Tages wieder abgehängt werden müssen, kann man nicht ausschließen, das macht Wolfgang Huber deutlich. Er gibt den jungen Leuten das Schlusswort seines Vaters aus dessen Verteidigungsrede vor dem Volksgerichtshof mit auf den Weg, der das Todesurteil verhängte: "Und handeln sollst du so, als hinge von dir und deinem Tun allein das Schicksal ab der deutschen Dinge, und die Verantwortung wäre dein."

Erinnern ist Pflicht. Die Schulen sind die zentralen Orte dafür, sie haben einen Erinnerungsauftrag, die heranwachsende Generation zu sensibilisieren. Das Kurt-Huber-Gymnasium fühlt sich besonders seinem Namensgeber verpflichtet, der die Jahre vor seiner Hinrichtung in Gräfelfing lebte. Huber war Hochschullehrer an der Ludwig-Maximilians-Universität und galt als Volksliedexperte, er untersuchte unter anderem, wie Melodien, Tänze und Rhythmen von einer Region zur nächsten wanderten. Eine ordentliche Professur blieb ihm unter den Nazis verwehrt. Huber ließ sich nicht von den Nazis beugen, streute Kritik am Regime in seine Vorlesungen ein, traf sich mit den Studenten der Widerstandsgruppe Weiße Rose zuhause in Gräfelfing und verfasste schließlich das sechste Flugblatt der Gruppe als alleiniger Autor. Darin forderte er die persönliche Freiheit für das Volk zurück. Huber wurde in der Folge von der Gestapo festgenommen und nach dem Prozess vor dem Volksgerichtshof am 13. Juli 1943 hingerichtet.
Im Kurt-Huber-Gymnasium wird künftig keiner mehr an dieser Geschichte vorbeikommen. Jeder Schüler werde während seiner Schulzeit an dem Gymnasium an den Erinnerungstafeln im ersten Stock vorbeigehen, betonte Schulleiterin Anita Groß. Die sechs Tafeln, die 17 Schüler des P-Seminars unter Leitung der Lehrerinnen Stefanie Fehlhammer und Lena Häußler inhaltlich und grafisch gestaltet haben, sind Blickfänger. Farbgebung, Schriftzüge, Texte, Bilder und Quellenmaterial sind sorgfältig ausgewählt.

Ein Jahr lang haben die Schüler daran gearbeitet, Fotos erhielten sie dafür von Wolfgang Huber, die Weiße Rose Stiftung und die Gemeinde unterstützten den aufwendigen Druck der professionellen Tafeln finanziell. Über QR-Codes sind zusätzlich Interviews abrufbar, mit Wolfgang Huber, mit dessen Sohn Stephan Weiß, mit Markus Schmorell, dem Neffen von Alexander Schmorell, der ebenfalls Mitglied der Weißen Rose war.
Sie alle sitzen auch bei der Eröffnung im Publikum, für die Schüler aus anderen Seminaren in einem interdisziplinären Ansatz begleitende Kunstobjekte zum Thema "Erinnern heute" gestaltet haben. Die digitale Präsentation der einzelnen Tafeln in der Mehrzweckhalle wird musikalisch auf hohem Niveau begleitet, gespielt wird dabei auch der "Bayerische Tanz", ein von Huber einst selbst komponiertes Volkslied. Wolfgang Huber hat seinen Vater nie bewusst erlebt, er war erst vier Jahre alt, als dieser hingerichtet wurde. Aber eines weiß der Sohn: Es hätte Kurt Huber gefallen, dass ein Gymnasium in Gräfelfing das Andenken an ihn pflegt.