Geschlechtergerechtigkeit:Die Frauenrechtlerin und der Sternchenkrieger

Lesezeit: 3 min

Bürgermeister Andreas Bukowski hält die vielen Schreibweisen, die sich eingebürgert haben, für verwirrend und fordert eine einheitliche Schreibweise ein. (Foto: Ralph Peters/imago images)

Haars CSU-Bürgermeister Bukowski verordnet dem Rathaus eine Außenkommunikation ohne Genderzeichen. In der Folge hört die Gleichstellungsbeauftragte auf - und deren Nachfolgerin äußert sich zurückhaltend.

Von Bernhard Lohr, Haar

Das Haarer Rathaus hat wieder eine Gleichstellungsbeauftragte: Romy Stangl übernimmt die Aufgabe - und damit eine über den Raum München hinaus bundesweit bekannte Aktivistin für Frauenrechte. Ihr Amt tritt sie unter besonderen Umständen an. Denn mitten in den Sommerferien hatte Haars Bürgermeister Andreas Bukowski (CSU) angeordnet, dass das Rathaus in seiner Kommunikation nach außen künftig aufs Gendern verzichtet. Daraufhin legte die Gleichstellungsbeauftragte ihr Amt nieder. Ein Zusammenhang gilt in Haar als naheliegend, auch wenn sich die Mitarbeiterin im Rathaus zu ihrem Motiv nicht öffentlich äußert.

Die Neue kündigte nun an, sich deutlich für Gleichstellung einbringen zu wollen. Sie habe sich in Schulungen "umfangreiches Wissen in Personalratsarbeit" angeeignet, sagte sie vor dem Gemeinderat, auch kündigte sie "ein Gleichstellungskonzept" an und sagte, sei bereit, für gelebte "Werte" einzutreten. Wie sie zum Gendern stehe, darüber will sie aber erst einmal nicht reden. Das zeigte sich jüngst im Gemeinderat. Denn kaum hatte sich Romy Stangl den Gemeinderäten schwungvoll vorgestellt und beiläufig erwähnt, dass sie Haar als eine "gelassene Welt" erlebe, wurde ihr klar, dass es dort auch anders zugehen kann. So wurde sie von Peter Paul Gantzer (SPD) - gewiss nicht ohne Hintergedanken - gefragt, was sie "von den neuen Gendervorschriften" halte. Die eben noch versprühte Lockerheit der neuen Gleichstellungsbeauftragte war augenblicklich verflogen. "Dazu kann ich mich nicht äußern", sagte sie, und das möchte ich auch gar nicht." Und dann schob sie noch, offenbar bezogen auf die den Abschieds ihrer Vorgängerin, nach: "Ich war nicht dabei."

Newsletter abonnieren
:SZ Gerne draußen!

Land und Leute rund um München erkunden: Jeden Donnerstag mit den besten Freizeittipps fürs Wochenende. Kostenlos anmelden.

Über die genauen Umstände des Rücktritts von Lisa Bartz wird seither viel spekuliert am Ort. Die Grünen kolportieren auf ihrer Homepage das Naheliegende, dass dieser in Verärgerung geschah, weil sie in die vom Bürgermeister getroffene Gender-Entscheidung nicht eingebunden gewesen sei. Das Rathaus bestätigt das nicht, dementiert aber auch nicht, Bartz, die bereits 2020 als Gleichstellungsbeauftragte bestellt wurde, äußert sich trotz mehrmaliger Anfragen der SZ nicht. Als hauptberufliche Mitarbeiterin in der Kita-Verwaltung ist sie allerdings auch weiterhin bei der Gemeinde beschäftigt. Und Bürgermeister Bukowski erklärt auf Anfrage: "Auf die Inhalte des persönlichen Gesprächs kann und werde ich nicht eingehen."

Nun schweigt auch Romy Stangl dazu. An Courage fehlt es ihr eigentlich nicht. Sie hat sich vor Jahren aus eigener Betroffenheit heraus dem Kampf gegen Gewalt an Frauen verschrieben. Stangl ist stellvertretende Vorstandsvorsitzende beim Stadtbund Münchner Frauenverbände und Vorstandssprecherin des Vereins "One Billion Rising München", der Gewalt gegen Frauen thematisiert. Als freie Autorin des Online-Magazins Heyday für die Frau ab 45 bearbeitet sie in einer Kolumne auch Gerechtigkeitsthemen. Erst vor kurzem trat Stangl bei der Bildungsdemo in München als Sprecherin auf. Zudem ist sie Bezirksvertreterin beim Landeselternverband Bayerischer Realschulen.

Romy Stangl ist Vorstandssprecherin des Vereins "One Billion Rising München e.V.". (Foto: Alessandra Schellnegger)

Im Haarer Rathaus ist das alles laut Sprecher Martin Schrüfer bekannt. Genau das qualifiziere sie ja für ihre Tätigkeit. Ob die profilierte Vita Stangls, die auch als Model arbeitet, nach der kurzen Vorstellung allen Gemeinderäten in Haar bewusst ist, bleibt fraglich. Der gemeinhin wohlinformierte Zweite Bürgermeister Ulrich Leiner (Grüne) äußerte sich jedenfalls überrascht, aber auch erfreut über die Kompetenz der neuen Beauftragten. "Es ist ja sehr positiv, wenn man jemanden gefunden hat, der sich engagiert." Und zwar gerade vor dem Hintergrund der Vorgeschichte, die die Grünen in einem satirischen Text auf ihrer Homepage aufgearbeitet haben. In diesem wünschen sie dem "Sternchenkrieger" Bukowski Glück dabei, eine "sternchen-feindliche" Gleichstellungsbeauftragte zu finden.

Vielfältig unterwegs: Romy Stangl (rechts) als Model vor einem Abendmahl-Gemälde in einem Dirndl von Julia Trentini im Jahr 2017. (Foto: Felix Hörhager/dpa)

Dabei hat Haar schon mal gelassener über das Thema Gendergerechtigkeit diskutiert. Die Grünen schlugen in einer Bürgerbefragung einst vor, den ersten Sternchenplatz der Republik zu schaffen. Vor dem Poststadl hätte nach ihrem Willen ein "Bürger*innenplatz" entstehen können, was damals allerdings keine Mehrheit fand und heute angesichts der landesweit aufgeheizten Genderdebatte gar nicht mehr vorstellbar scheint. Das Gendern im internen Umgang hat Bukowski trotz der Regeln in der Außenkommunikation übrigens jedem weiter freigestellt, er wolle auch die politische Debatte über Genderregeln nicht unterbinden, sagt der Bürgermeister.

Die neue Gleichstellungsbeauftragte hat sich mit dem Bürgermeister offenbar zusammengerauft. Bukowski berichtete von einem "intensiven Gespräch" im Vorfeld ihrer Bestellung für das neue Amt. Das Ziel sei, "sich selbst überflüssig zu machen", sagte Bukowski im Gemeinderat zur Bestellung Stangls. Womit er natürlich nicht sich meinte.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusBildung
:"Wir mussten erst einmal sortieren"

Rund 890 Schülerinnen und Schüler aus der Ukraine werden aktuell im Landkreis München unterrichtet. Und auch wenn es für manche bereits das dritte Schuljahr ist, sind die Herausforderungen für Lehrer wie Kinder nach wie vor groß.

Von Daniela Bode und Anna-Maria Salmen

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: