Flucht:Notunterkünfte dringend gesucht

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Jeden Tag kommen Flüchtlinge aus der Ukraine und anderen Gebieten der Welt im Landkreis München an. Mal sind es nur eine Handvoll, mal gleich mehr als 40 wie an diesem Dienstag. (Foto: Victoria Jones/dpa)

Weiterhin kommen jeden Tag Schutzsuchende im Landkreis München an. Auf dem Wohnungsmarkt haben sie keine Chance und die bestehenden Einrichtungen sind ausgelastet. Für die nächste Zeit stellen sich die Behörden sogar auf weiter steigende Zahlen ein.

Von Bernhard Lohr, Haar

Die Bundesregierung registriert wieder mehr Flüchtlinge über die Balkanroute. Auch der Krieg in der Ukraine zwingt weiter viele, ihre Heimat zu verlassen. Das geht am Landkreis München nicht vorbei: Alleine an diesem Dienstag hat die Regierung von Oberbayern dem Landkreis 42 Personen zugeteilt, damit diese in den Gemeinden untergebracht werden. Dies erweist sich angesichts des überhitzten Wohnungsmarkts als große Herausforderung. In manchen Notunterkünften wie etwa an der Hans-Pinsel-Straße in Haar leben heute noch Menschen, die in den Jahren 2015, 2016 und 2017 im Landkreis angekommen sind. Sie haben ein gesichertes Bleiberecht, haben Arbeit, ihre Kinder besuchen Schulen oder sind in Ausbildung. Doch sie finden keine Wohnung - und belegen in den Unterkünften jetzt dringend benötigte Plätze für die Neuankömmlinge.

Die Gemeinde Haar hat seit 2015 großen Anteil daran, dass Geflüchtete eine Bleibe gefunden haben. Zwischenzeitlich waren Turnhallen belegt und eine Traglufthalle war gegenüber dem Isar-Amper-Klinikum aufgebaut. Von solchen Szenarien ist man aktuell weit entfernt. Doch einige Gebäude, die damals belegt wurden, wie etwa schnell hochgezogene Modul-Bauten, sind heute noch von Geflüchteten bewohnt. Etwa 20 Familien lebten an der Brunnerstraße in Haar, sagt Lisa Obermaier, Sprecherin des Helferkreises Asyl in Haar. Im ehemaligen Panasonic-Gebäude an der Hans-Pinsel-Straße betreut der Helferkreis nach eigenen Angaben aktuell etwa 120 Personen. Laut Lisa Obermaier leben dort Menschen aus Afghanistan, Irak und Afrika. Die Situation vieler Bewohner sei schwierig. Sie könnten eigentlich jederzeit ausziehen, doch sie hätten auf dem Wohnungsmarkt keine Chance.

"Wir rechnen weiter mit Zuzug aus der Ukraine", heißt es aus dem Landratsamt

Mit dem Ausbruch des Kriegs in der Ukraine kamen neue Menschen in Not in den Landkreis, von denen viele zunächst in privaten Unterkünften unterkamen. Im Haarer Rathaus wurde parallel zum Helferkreis Asyl ein eigenes Netzwerk an Ehrenamtlichen aufgebaut, um diesen Menschen beistehen zu können. Dolmetscher wurden akquiriert und die Volkshochschule sprang ein. Jetzt stellt man sich darauf ein, dass die Zahl der Ankömmlinge aus allen Richtungen wieder wächst.

Bis vor einiger Zeit suchte die Pension "Duda" im Haarer Ortsteil Salmdorf noch nach Monteuren, die dort ein Bett und eine Küchenzeile für ein paar Nächte fanden. Dann stand die Arbeiterunterkunft leer. Das Rathaus bekam davon Wind und sprach den Eigentümer an. Wie Bürgermeister Andreas Bukowski (CSU) sagt, sucht die Gemeinde laufend Grundstücke oder Gebäude, die für Geflüchtete in Frage kämen. Bei der leerstehenden Pension habe man den Inhaber des Gebäudes dazu bewegen können, dieses vor einer Sanierung erst einmal zu vermieten. 44 Betten soll es dort nun geben. Der Bauausschuss des Gemeinderats stimmte der Nutzungsänderung am Dienstag einstimmig zu. Damit entsteht auf die Schnelle Platz für gerade so viele Menschen, die an eben diesem Tag den Landkreis erreicht haben. In dieser Woche erwartet das Landratsamt nur noch sieben Flüchtlinge, die die Regierung von Oberbayern zuweisen wird.

Diese leer stehende Pension im Ortsteil Salmdorf hat die Gemeinde Haar für die Unterbringung von Schutzsuchenden auf die Schnelle angemietet. (Foto: Claus Schunk)

Allerdings hat die Regierung bereits angekündigt, dass weitere Personen folgen werden. Denn die Ankerzentren seien überbelegt und für die im Ankunftszentrum München ankommenden Menschen - täglich circa 120 bis 130 - müsse Platz geschaffen werden, heißt es vom Landratsamt. "Wir rechnen weiterhin mit Zuzug aus der Ukraine, dessen Umfang vom weiteren Kriegsgeschehen und der Witterung abhängt." Wie viele Geflüchtete aus der Ukraine unter den zugewiesenen Personen sind, wird von den Behörden nicht registriert.

Derzeit sind im Landkreis München insgesamt 4065 Schutzsuchende in dezentralen Großunterkünften, Wohnungen, Pensionen und Hotels untergebracht. Von ihnen sind 1237 Personen wegen der Ukraine-Krise aufgenommen worden. Für weitere 3341 Ukrainer habe man privat Quartiere finden können, heißt es vom Landratsamt. Haars Bürgermeister sagt: "Der Druck wird momentan wieder größer. Wo man irgendwie helfen kann, tut man das auch." Für Lisa Obermaier und ihre Mitstreiter gilt das schon seit Jahren. Sie klingt nicht entmutigt oder erschöpft. Man arbeite gut zusammen, sagt sie. Aber: "Wir sind am Anschlag." Deshalb wolle man jetzt eine neue Werbekampagne anstoßen, um wieder Helfer zu finden, die mit anpacken.

Wer sich im Helferkreis Asyl in Haar engagieren möchte, kann sich unter der E-Mail-Adresse asylhelfer-haar@gmx.de melden.

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