Premiere:Drama beim Elternabend

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Die Eltern kämpfen gegeneinander, aber in ihrer Ablehnung der Lehrerin sind sie sich einig. (Foto: Robert Haas)

Die Theatergruppe des Garchinger Kulturvereins Zeitkind inszeniert das Stück "Frau Müller muss weg!" von Lutz Hübner. Die Handlung der Komödie mit gesellschaftskritischem Hintergrund hat Regisseur Paul Martin Cambeis von Dresden nach München verlegt.

Von Franziska Gerlach, Garching

Eben noch sind sie sich an die Gurgel gegangen, haben sich als scheinheilige Gutmenschen beschimpft, als prinzipienlos und Versager im Job. Doch nun sitzen sie brav auf den kleinen Stühlen der 4b, die lieben Eltern, mutiert zu Musterschülern, und hören zu, was Frau Müller (Rosalie Bauer) zu sagen hat. Seit 19 Jahren arbeite sie nun als Lehrerin, in ihrem Traumberuf, setzt diese zu einem Monolog an. Sie nehme an Fortbildungen teil, lerne mit jedem Kind und jeder Klasse dazu. Doch sie müsse einräumen, dass sie zuletzt auch überfordert gewesen sei. "Die Kinder sind unruhig geworden, sie stehen unter großem Druck", sagt die Lehrerin. Und vermutlich wird es in Garching nicht wenige Zuschauer geben, die sich an dieser Stelle denken: Kein Wunder, bei den Eltern!

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"Frau Müller muss weg!" heißt die neue Produktion der Theatergruppe des Kulturvereins Zeitkind, die am Freitag, 25. November, im Theater im Römerhof ihre Premiere erleben wird. Die bitterböse Komödie stammt aus der Feder von Lutz Hübner, und wurde 2010 am Staatsschauspiel Dresden uraufgeführt. In Garching wollte man das Stück bereits vor zwei Jahren inszenieren, doch der Maßnahmen gegen das Coronavirus wegen war das nicht möglich. "Es ist ein super Stück", sagt Regisseur Paul Martin Cambeis, der das erste Mal mit dem Ensemble zusammenarbeitet. "Es ist nicht nur einfach eine Komödie, sondern hat auch einen ernsten Hintergrund." Cambeis wohnt in Puchheim, stammt aber aus Garching und hat dort vor etlichen Jahren auch an dem als legendär geltenden Musical "Zeitkind" mitgewirkt, nach dem der vielseitig aufgestellte Kulturverein benannt ist.

Auch zwischen den einzelnen Paaren ist einiges im Argen. (Foto: Robert Haas)

Die Theatergruppe von Zeitkind hat sich in der Vergangenheit immer wieder neuer Genres angenommen. Nach dem Thriller "Der Seelenbrecher" und dem eher politischen Stück "Ein Exempel" spielte das Ensemble 2018 "Der Gott des Gemetzels" von Yasmina Reza. Mit "Frau Müller muss weg!" haben die sechs Schauspieler um Cambeis nun ein temporeiches Stück einstudiert, bei dem es gewaltig kracht auf der Bühne, da wird geschrien, getobt und auf Schulbänke gestiegen, und zumindest in den Reihen der Zuschauer gewiss auch herzlich gelacht. Den Eltern von Laura, Fritz, Janine und Lukas - so heißen die Kinder im Stück - ist das Lachen dagegen vergangen, die Situation ist ernst: Offenbar gibt es Probleme! Und das ausgerechnet in der vierten Klasse, an deren Ende sich entscheidet, wer den Sprung aufs Gymnasium schafft und einer vermeintlich glücklichen Zukunft entgegen blicken darf. Doch die Leistungen der Schüler haben sich verschlechtert, was ja nur an der Lehrerin liegen kann. Also muss Frau Müller weg, und zwar schleunigst.

Der Kampf um den Übertritt aufs Gymnasium wird mit einer Doppelmoral ausgetragen, die ihren Treibstoff aus den Komplexen der Eltern bezieht

Das Bühnenbild ist im Zuge eines Kunstprojekts an der Grundschule Garching-Hochbrück entstanden, gemeinsam mit Regisseur Cambeis haben die Schüler der vierten Klasse sich selbst gemalt. Als stumme Zeugen beobachten die Porträts der Kinder nun den Irrsinn, der sich auf der Bühne abspielt - und vermutlich nicht nur dort. Im Stück wird der Kampf um den Übertritt aufs Gymnasium mit einer Doppelmoral ausgetragen, die ihren Treibstoff aus den Komplexen der Eltern bezieht, aus dem Päckchen, das jeder so mit sich herumträgt. Da ist zum Beispiel Jessica (Karin Gordon), die ihrer verwöhnten Tochter Laura zwar nicht allzu viel zutraut, aber kein Problem damit hat, die fürs Gymnasium erforderlichen Noten zu erschwindeln. Das Ehepaar Marina (Antonia Jagecic) und Patrick (Ralph Dux) ist seiner Arbeit wegen aus Berlin nach München gezogen, wohin Cambeis die Handlung des ursprünglich in Dresden speilenden Stücks verlegt hat. Die Mutter vermisst in der neuen Heimat die Gespräche beim Bäcker und die Prinzipientreue, während Sohn Lukas Klassenkameraden verprügelt und der vormals arbeitslose Vater den potenten Familienernährer raushängen lässt.

Regisseur Martin Cambeis hat die Handlung von Dresden nach München verlegt. (Foto: Robert Haas)

So schälen sich aus den kleinkrämerischen Konflikten der Eltern allmählich Fragen von gesellschaftlicher Relevanz heraus: Soziale Vermischung ist toll, aber bitte nicht im Umfeld meines Sohnes oder meiner Tochter. Es drängt sich der Gedanke auf, dass gerade jene Eltern, die nur das Beste für ihren Nachwuchs wollen, den größten Schaden anrichten. Roland Lösch schlägt da in seiner Rolle als Wolf vergleichsweise gemäßigte Töne an. Er ist der Vater von Janine und hatte was mit Katja (Marion Unger-Maar), der Mutter des Klassenbesten Fritz. Traurig über das Aus dieser Affäre legt er den Kopf auf ihren Schoß und stimmt ein Lied an: "The Logical Song" von Supertramp, komponiert Ende der Siebzigerjahre von Roger Hodgson. Der damalige Sänger der britischen Popband thematisiert in dem Lied, wie es sich anfühlt, aufs Internat geschickt zu werden, eine ganz persönliche Erfahrung. "But then they sent me away to teach me how to be sensible, logical, oh, responsible, practical", heißt es darin. War was?

"Frau Müller muss weg!", Vorführungen am 25., 26. und 27. November sowie am 2., 3., und 4. Dezember im Theater im Römerhof. Beginn ist jeweils um 19.30 Uhr. Karten gibt es unter www.garching.de .

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