Garching:Der Wind legt sich

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Die Recyclinganlage in Hochbrück verarbeitet unter anderem altes Holz. Dabei werden die Fraktionen getrennt. Besseres Material wird zu kleinen Spänen verarbeitet und an die Spanplattenindustrie verkauft, schlechteres Material wird zerkleinert und an die Müllverbrennungsanlagen geliefert. (Foto: RM Recycling)

Seit Jahren protestieren Anwohner gegen die Recyclinganlage in Hochbrück. Doch inzwischen hat der neue Betreiber zahlreiche Veränderungen vorgenommen, um Staub, Lärm und Gestank zu reduzieren.

Von Gudrun Passarge, Garching

Es ist feucht. Nicht nur weil es an diesem Tag regnet, sondern auch weil in der Halle sogenannte Bedüsungsanlagen im Einsatz sind. Überall, wo Material bewegt wird, wird es bewässert, wie Martin Görner, Geschäftsführer von RM-Recycling in Hochbrück bei Garching, erklärt. Die Anlage läuft erst seit dem 31. März wieder. Seit dem 28. Dezember stand sie still, weil ein Großbrand Teile der Verarbeitungsanlagen und eine Halle schwer beschädigt hatte. "Wir hatten gerade den Kopf wieder aus dem Wasser gestreckt", sagt Görner und erinnert daran, dass der neue Betreiber, der die Anlage 2017 übernommen hat, viele Veränderungen vorgenommen habe, was Görner als "Erfolg für die Behörden wie auch für uns" bezeichnet. So sei die komplette Führungsmannschaft ausgewechselt worden: "Es war wichtig, die alten Zöpfe abzuschneiden, um einen Kulturwechsel zu vollziehen."

Die Recyclinganlage in Hochbrück, in der Gewerbemüll, Holz, Mineralstoffe wie Bauschutt und Grüngut angenommen werden, steht seit langem in der Kritik. Anwohner im Unterschleißheimer Ortsteil Lohhof-Süd, die sich zu einem Aktionsbündnis zusammengeschlossen haben, klagen über Lärm und Gestank und werfen dem Betrieb vor, technisch nicht auf dem neuesten Stand zu sein und gegen Auflagen zu verstoßen. Das belegten sie zuletzt mit einem Gutachten, das einen Zeitraum bis 2018 untersuchte.

Seitdem habe sich jedoch viel getan, versichert Görner, der die SZ exklusiv zu einer Besichtigung über das Gelände führt. "2019 war ein sehr intensives Jahr." RM-Recycling habe mehr als 30 Einzelmaßnahmen abgearbeitet, die von den Behörden als Auflagen vorgegeben wurden. Ziel war es, die alten Anlagen, von denen viele noch aus den Neunzigerjahren stammten, zu ertüchtigen und die Staubentwicklung zu mindern. So seien etwa Förderbänder erneuert und eingefasst worden, die Fallhöhen reduziert, Windfangnetze installiert und die genannten Bedüsungsanlagen aufgestellt worden. Mitarbeiter wurden geschult, die Müllhaufen werden nach Unternehmensangaben jeden Abend mit Planen abgedeckt, die neue Kehrmaschine sei täglich im Einsatz und circa 25 000 Quadratmeter der Asphaltflächen wurden schon erneuert. Mehr als eine Million Euro hat der neue Betreiber nach Aussage Görners insgesamt investiert.

Emissionsmessungen an drei Standorten

Zu dem Maßnahmenpaket zählt auch die einjährige Emissionsmessung an drei Standorten. Einer befindet sich direkt am Maibaum in Lohhof-Süd, inklusive Wettermessstation. Außerdem besuchten sogenannte Geruchsprobanden, in der Firma auch als "Supernasen" bezeichnet, die Standorte. Ihre Nasen seien vorher im Betrieb auf die Gerüche kalibriert worden, beschreibt der Geschäftsführer das Prozedere, dann besuchten sie die drei Standorte, um dort ihre olfaktorischen Wahrnehmungen zu notieren - 52 Mal während des Jahres, zu unterschiedlichen Tag- und Nachtzeiten. Die Untersuchungen liefen bis zum Mai 2020. "Das Gutachten wird gerade erstellt", so Görner und verrät erste Tendenzen: In Lohhof-Süd seien keine Geruchsemissionen festgestellt worden, "die unserer Anlage zuzuordnen waren".

Bei einem Rundgang über das Gelände erklärt Görner, dass die Lagermengen unter der neuen Leitung deutlich reduziert worden seien. Nach der Übernahme 2017 habe der neue Betreiber erst einmal 20 000 Tonnen Müll entsorgen müssen. Aktuell, so schätzt er, seien weniger als 500 Tonnen auf dem Gelände deponiert. Außerdem werde der Müll zeitnah weitertransportiert. "Wir halten uns an die Genehmigung", sagt er und berichtet, bei der vorgeschriebenen jährlichen Behörden-Überprüfung im November 2019 habe es zum ersten Mal seit der Übernahme keine Beanstandungen gegeben. "Wir sind sehr stolz darauf. Es hat zwei Jahre lang gedauert, dass wir genehmigungskonform arbeiten können." Görner sieht das auch als Verdienst des neuen Betriebsleiters Dietmar Schach.

Die Recyclinganlage in Hochbrück nimmt außer Altholz auch Bauschutt, Altmetall, Grüngut und Gewerbemüll an. Der Vertrag für Elektroschrott mit dem Landkreis wurde dagegen gekündigt. (Foto: RM Recycling)

In der Halle laufen gerade die Förderbänder, heute wird Holz für die Müllverbrennungsanlage zerkleinert und zu Haufen aufgetürmt. An anderen Tagen wird Holz für die Spanplattenindustrie aufbereitet. Die Holzschnipsel fallen auf einen Hügel, der schon knapp unter dem Förderband angekommen ist. Neben dem Haufen hängt der "Duschvorhang", wie Görner ihn nennt. Er wird eingesetzt, wenn ein neuer Haufen angelegt wird. Um die Staubemission möglichst gering zu halten, werden die Schnipsel innerhalb der rund angeordneten langen Plastikbahnen abgeschüttet. Es knattert laut, die große Holzaufbereitungsanlage zerkleinert Schränke, Regale und Hunderte von Paletten. Dahinter kommt die durch den Brand beschädigte Halle.

Die Schrottannahme war schon vor dem Brand gekündigt

Der Rauchgeruch ist immer noch leicht wahrnehmbar. Ein Teil des Daches ist eingestürzt, in einem Lager liegen noch verkohlte Kühlschränke und Waschmaschinen. Das Feuer in der Dezembernacht ist in der Einhausung für Elektroschrott ausgebrochen. Ironie des Schicksals: Der Betrieb hatte den Vertrag für die Schrottübernahme schon vor Weihnachten fristgerecht beim Landkreis gekündigt, weil der neue Betriebsleiter die Gefahr von Selbstentzündungen bei Akkus nicht länger eingehen wollte. "Das hätten wir schon ein Jahr vorher machen sollen", sagt Görner. Nach dem Brand hat RM-Recycling den Vertrag fristlos gekündigt, die Städte und Gemeinden mussten ihre Wertstoffhöfe deswegen für die Annahme umrüsten.

Die kleine Holzaufbereitungsanlage hat es bei dem Feuer erwischt, auch die Gewerbemüllsortieranlage wurde Opfer des Brandes. Ein Teil der Halle ist nicht mehr nutzbar, auch die Brandmeldeanlage ist betroffen. Den Schaden schätzt Görner auf mehr als sechs Millionen Euro. Dem Betreiber seien aber keine Versäumnisse vorzuwerfen, betont der Geschäftsführer. RM-Recycling hatte schon vor dem Feuer Brandwachen installiert, die alle zwei Stunden Rundgänge auf dem Gelände unternahmen. Nach dem Feuer laufen die Kontrollen in stündlichen Intervallen nach Betriebsschluss und an Wochenenden Tag und Nacht.

Damit es beim Beladen der Lkw keine Staubwolke gibt, wird der Wagen von oben mit Wasser bedüst. Im Hintergrund ist der sogenannte Duschvorhang zu sehen, der die Staubentwicklung beim Fallen der Späne möglichst gering halten soll. (Foto: RM Recycling)

Die vom Brand betroffenen Anlagen sind nicht mehr zu benutzen. "Hier werden wir neu planen", kündigt Görner an. Die drei Gesellschafter, die Geiger-Unternehmensgruppe, die Durmin Entsorgung und Logistik GmbH und die Alfa Rohstoffhandel München GmbH, seien bereit, dafür Geld zu investieren. Görner rechnet mit einem Zeitfenster von etwa zwei Jahren.

Schneller soll es mit einem anderen Projekt gehen. Der Geschäftsführer plant, wieder den Kontakt zum Aktionsbündnis zu suchen und Gespräche in Gang zu bringen. Dabei ist sicherlich auch von Bedeutung, was das Gutachten zu den Emissionen konkret feststellt.

© SZ vom 10.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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