Gaffer auf der A8:"Das Problem mit den Schaulustigen hat zugenommen"

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Immer häufiger werden bei Unfällen mobile Sichtschutzwände aufgebaut. (Foto: Federico Gambarini/dpa)

Christian Hewer-Schwarz ist Einsatzleiter bei der Feuerwehr Brunnthal. Seine Arbeit auf der nahen Autobahn wird immer schwieriger - vor allem, weil Gaffer keine moralichen Grenzen mehr kennen.

Interview von Bernhard Lohr, Brunnthal

Feuerwehrleute aus Brunnthal und Hofolding haben am Sonntag auf der A 8 südlich vom Autobahnkreuz München-Süd zwei Schwerverletzte aus einem Autowrack gerettet. Sie mussten sorgsam vorgehen und mit massivem Werkzeug hantieren. Aber nicht nur das: Einmal mehr machten den Rettern Schaulustige zu schaffen, die ihre Fahrzeuge abbremsten und ihre Smartphones zückten. Die SZ sprach mit Einsatzleiter Christian Hewer-Schwarz von der Feuerwehr Brunnthal.

SZ: Es ist nicht lange her, da hat ein Retter an einer Unfallstelle seinen Feuerwehrschlauch auf Gaffer gerichtet. Da hatte jemand einfach genug.

Christian Hewer-Schwarz: Ich erinnere mich an den Fall gut. Das war vielleicht etwas extrem. Aber nachvollziehen kann ich das schon. Allerdings war die Situation etwas extremer als bei uns.

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Von Xaver Bitz

Damals hat ein Lkw-Fahrer Bilder gemacht von Verletzten. Gaffer gab es am Sonntag bei Ihnen auf der A 8 auch.

Ja, das stimmt. Wobei die nicht auf unserer Seite waren, sondern auf der Gegenfahrbahn. Dort haben die Autofahrer aber wirklich runtergebremst auf Schrittgeschwindigkeit, haben Fotos gemacht oder gefilmt. Mir selber ist das als Einsatzleiter erst nicht aufgefallen, weil ich beschäftigt war. Aber meine Gruppenführer haben mich darauf hingewiesen. Dann haben wir eine Sichtschutzwand aufgebaut.

Sie haben eine Sichtschutzwand dabei?

Das ist relativ neu. Das Problem mit den Schaulustigen an den Unfallstellen hat zugenommen. Vor allem auf den Autobahnen ist das ein Thema. Deshalb hat man auf Ebene des Landkreises München entschieden, die Feuerwehren mit solch einer Schutzwand auszustatten.

Stören Sie die Gaffer bei der Arbeit oder ärgert Sie deren Respektlosigkeit?

Bei einem Einsatz ist man sehr konzentriert. Gestört wird man da weniger.

Am Sonntag kam es zu einem Stau.

Ja. Aber der ist eher gut. Dann ist man geschützter. Die Autos fahren langsam vorbei. Wir hatten bei einem anderen Unfall mal einen Autofahrer, einen Drängler, der hat einfach nicht mitgedacht, der meinte, er muss noch durchfahren, und hat so Menschen gefährdet. Für mich ist das Phänomen mit den Gaffern aber eher eine moralische Geschichte.

Stimmt der Eindruck, dass diese Rücksichtslosigkeiten zugenommen haben?

Das ist mehr geworden, auf jeden Fall.

Wie erklären Sie sich das?

Heute ist es anders als vor zehn Jahren. Jeder hat ein Smartphone und kann Bilder machen. Dann gibt es diese Berichte von Unfällen und den Gaffern, das schaukelt sich hoch. Da kommt eins zum anderen.

Sind Tabus gefallen?

Ich denke, das ist im Endeffekt auch eine Folge der sozialen Medien, wo jeder meint, den besseren Beitrag bringen zu müssen als der andere. Da sind definitiv Schranken gefallen.

Dabei macht sich, wer bei Unfällen fotografiert und filmt, strafbar.

Ja, klar. Da ist schon mal das Recht am eigenen Bild. Und dann kommt dazu, dass man vielleicht Menschen zeigt, die in einer Notsituation sind, Gesichter mit Schmerzen. Und: Schon das willkürliche Verringern der Geschwindigkeit auf der Autobahn ist nicht zulässig.

Haben Sie einen Appell an Ihre Mitmenschen?

Ich kann nur dazu aufrufen mitzudenken, sich beim Vorbeifahren an einer Unfallstelle auf die Straße zu konzentrieren und weiter zu fahren, damit die Einsatzkräfte ihre Arbeit machen können.

© SZ vom 27.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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