Meine Woche:Vom Schmerz getrieben

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Andre Synilo kommt selbst aus einer Kleinstadt aus der Nähe von Charkiw. (Foto: privat)

Der Feldkirchner Tierarzt Andre Synilo hilft Freunden und Verwandten in der Ukraine.

Von Anna-Maria Salmen, Feldkirchen

Bereits am ersten Tag des Krieges in der Ukraine wurde ein Militärflughafen nahe der Stadt Charkiw im Osten des Landes vom russischen Militär zerstört. "Der Sohn eines Schulfreundes ist dabei gestorben, er war eines der ersten Opfer", erzählt Andre Synilo. Der Feldkirchner Tierarzt stammt selbst aus einer kleinen Stadt in der Gegend von Charkiw, hat zahlreiche Verwandte und Freunde im Krisengebiet. Um seinen Landsleuten auch aus rund 2000 Kilometern Entfernung beizustehen, unterstützt er seit Kriegsbeginn die ukrainische Kirche in München bei ihren Hilfsaktivitäten.

Der Krieg nimmt den 46-Jährigen emotional sehr mit. "Ich war zuerst nicht in der Lage, zu arbeiten." Wenige Tage nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine habe er daher seine Tierarztpraxis kurzzeitig geschlossen und nach Möglichkeiten gesucht, sich zu engagieren. Rund eine Woche lang war er täglich in München, organisierte Sammlungen, koordinierte die Verteilung der Spenden. In seiner Tierarztpraxis in Feldkirchen stapelten sich bald Kleidung, Decken und andere Güter. Die Hilfsbereitschaft der Feldkirchner überraschte ihn eigenen Worten zufolge, "ich war sehr froh darüber".

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Seit 21 Jahren lebt Synilo in Deutschland, studiert hat er in der Ukraine. Viele seiner Freunde und Verwandten, darunter Onkel und Cousins, sind noch dort, berichtet der Tierarzt - Männer dürfen das Land aktuell nicht verlassen. "Sie helfen dort, wo Hilfe gebraucht wird und bringen zum Beispiel Medikamente in Luftschutzbunker", sagt Synilo. "Wir bleiben ständig in Kontakt und schreiben täglich, wie die Lage dort ist." Die Situation sei sehr angespannt, "alle haben Angst". Bekannte in Charkiw lebten seit zwei Wochen im Keller.

Einigen seiner Verwandten konnte Synilo indes direkt helfen: Mehr oder weniger spontan fuhr er eigener Aussage nach vor rund zwei Wochen an die polnisch-ukrainische Grenze bei Przemyśl, wo er seine Schwester und deren Tochter abholen konnte. Die beiden waren mit dem Zug aus der Ukraine geflüchtet und sind nun bei Synilo untergekommen, ebenso wie seine Tante und seine Cousine mit Tochter. Andere Bekannte, die es nach Deutschland geschafft haben, unterstützt der 46-Jährige bei der Suche nach einer Bleibe.

In seiner Praxis, die mittlerweile wieder geöffnet ist, sammelt Synilo keine Spenden von Bürgern mehr - vor allem Kleidung sei derzeit kaum noch wichtig, die Lager seien voll. "Was gebraucht wird, sind Dinge für Verletzte und Kranke, zum Beispiel Medikamente und Verbandsmaterial." Synilo hilft der ukrainischen Kirche weiterhin, die benötigten Güter zu beschaffen, zu sortieren und die Lieferungen etwa an ukrainische Krankenhäuser zu organisieren. Sein Engagement hat ihm in schweren Zeiten ein wenig Zuversicht vermittelt: "Ich habe viele neue Leute kennengelernt, die mit selbstlosem Einsatz viel bewirken. Das ist super."

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