50 Jahre Nachbarschaftshilfe Garching:Elan im Dachgeschoss

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Vor 50 Jahren wurde die Nachbarschaftshilfe Garching auf Anregung der evangelischen Kirche gegründet. Heute zählt sie fast 800 Mitglieder und ist in der Kinder- und Seniorenbetreuung nicht mehr wegzudenken.

Von Gudrun Passarge, Garching

Alles begann mit einer "fulminanten Rede" im Neuwirt 1969. So erinnert sich jedenfalls Gisela von Woyna. Die Rednerin hieß Jutta Uffrecht, sie erläuterte auf Einladung der evangelischen Kirche den Garchingern die Idee der Nachbarschaftshilfe. Auch in Garching fanden sich daraufhin mehrere Frauen, die sich sinnvoll einbringen wollten und die mit viel Elan loslegten.

Woyna erzählt von dem kleinen Dachgeschossraum im Römerhof, davon, dass sie am Anfang keinen Tisch, keinen Stuhl, geschweige denn eine Schreibmaschine hatten. Wie anders präsentiert sich die Garchinger Nachbarschaftshilfe heute. Sie hat sich zu einem mittelständischen Unternehmen entwickelt, das seinem Ursprungsziel treu geblieben ist. Es geht um die Frage: "Wo brauchen die Garchinger Bürger Hilfe?", wie die Vorsitzende Angelika Faschinger sagt.

Damals bei der Nachbarschaftshilfe Garching: Schon 1979 gab es ein Möbellager. (Foto: Archiv NBH)

Die Vorbereitungen im Jubiläumsjahr laufen auf Hochtouren. Da wird eine Ausstellung konzipiert, Bilder gesammelt, alte Texte und Artikel kopiert. Und im Herbst steht das große Fest mit Essen und Unterhaltungsprogramm an. 50 Jahre Nachbarschaftshilfe, das ist ja auch ein Grund zu feiern. Die Garchinger haben eine stolze Bilanz vorzuweisen. 80 Mitarbeiter, manche in Vollzeit, manche in Teilzeit, organisieren die Hilfe. Hinzu komme ein großer Helferkreis von Menschen, die sich kontinuierlich einbringen oder die ehrenamtlich projektbezogen tätig sind. Faschinger sagt, alle zusammen hätten 51 064 Stunden Arbeit im Jahr 2017 geleistet, davon waren 3606 Stunden rein ehrenamtlich.

Die zwei Hauptsäulen sind die Kinderbetreuung auf der einen Seite und die Unterstützung von Senioren auf der anderen. Dabei gibt es kaum ein Angebot, das die Nachbarschaftshilfe in diesen Bereichen nicht im Programm hat. Vom Säugling bis zum Schulkind finden Eltern die unterschiedlichsten Betreuungsangebote. "Die Nachfrage ist in allen Bereichen da", sagt Faschinger und berichtet beispielsweise von den "Wartelisten ohne Ende" der Mittagsbetreuung. Aber gerade in der Kinderbetreuung plagt sich die NBH mit den gleichen Problemen wie die Stadt oder andere Träger von Kinderhäusern - sie findet nicht immer gleich das nötige Personal. So betont die für die Öffentlichkeit zuständige Katherine Hepperle-Parker, "wir suchen kontinuierlich nach Tagesmüttern". Sie sollen gewährleisten, dass die Tagespflege ausgebaut werden kann. Faschinger bezeichnet das Kinderbetreuungsangebot "als tragende Säule zugunsten der Gesellschaft".

Im Alter alleine zu Hause

1980 bekam die Institution von Hildegard Hamm-Brücher die Theodor-Heuss-Medaillen verliehen. (Foto: Archiv NBH)

Ähnlich sieht es bei den "Entlastungsleistungen" für Senioren und ihre Angehörigen aus. Die Nachbarschaftshilfe organisiert Hilfe im Haushalt, die Helfer begleiten die Senioren zu Arzt, gehen einkaufen oder auch mal eine Runde mit ihnen spazieren. Unter ihrem Dach treffen sich die Hospizhelfer und sie betreibt einen Pflegedienst und sitzt als Träger im Betreuten Wohnen Königsgarten. All das ist dem Wunsch der meisten Senioren geschuldet, möglichst lange möglichst selbständig zu leben. Faschinger sieht darin die Herausforderung, "eine Versorgungsstruktur zu schaffen, die es älteren Menschen ermöglicht, mit Unterstützung im häuslichen Bereich zu leben."

Die Vorsitzende stellt klar, dass all die Hilfe nicht möglich wäre ohne die finanzielle Unterstützung der Stadt und die Hilfe von Sponsoren, die beispielsweise für das Seniorencafé eine Kühltheke für das reichhaltige Kuchenbuffet gespendet hätten. "Letztendlich sind diese Spenden auch eine Anerkennung der Arbeit der Nachbarschaftshilfe", findet Faschinger.

Heute werden die Stühle und Betten etwas bequemer mit dem Auto geliefert. (Foto: OH)

Ein Problem sind auch die Räumlichkeiten. Zwar sieht es im Vergleich zu den Anfangsjahren schon besser aus, aber der Platz ist dennoch beengt. "Wir haben aber die Zusage, dass wir die Räume, die jetzt von der Bücherei genutzt werden, zur Verfügung gestellt bekommen", sagt Faschinger. Das bedeutet drei Büroräume mehr für die Personalverwaltung, die Buchhaltung, die Geschäftsführerin und die anderen Helfer. Das sieht auch vor, die Service- und Beratungsstelle, die jeder nutzen kann, wird so umgebaut, dass der Datenschutz gewahrt bleibt.

Von mehreren Büros war zu Beginn noch keine Rede. Gisela von Woyna berichtet, es habe aber gleich festgestanden, dass die Helfer für ihre Tätigkeiten entlohnt werden müssten. Damit habe Klarheit geherrscht und niemand musste überlegen, soll ich der Helferin eine Tafel Schokolade in die Hand drücken oder nicht. Sie selbst habe in Familien ausgeholfen, in denen die Mütter eine Zeitlang ausfielen. "Wir haben uns einfach eingesetzt mit gutem Willen", aber dass die Helfer auch versichert sein und Krankenkassenbeiträge abführen mussten, das bekamen sie erst nach und nach mit.

Die Roten, die Evangeischen

Um die nötigen Organisationsstrukturen zu schaffen, seien die überörtlichen Treffen eine große Hilfe gewesen. "Die Nachbarschaftshilfen schossen ja damals wie die Pilze aus dem Boden." Woyna organisierte auch Zusammenkünfte inGarching, wo die Kirchen, die Caritas und andere Vereine "vor sich hin wurstelten", um die Hilfe besser zu koordinieren. Durch die gemeinsame Arbeit lernten sich die Helfer besser kennen, auch die anfängliche Skepsis wich. Woyna berichtet davon, dass es nicht leicht war, im Ort Anerkennung zu finden. Da der Anstoß von der evangelischen Kirche ausgegangen war, hieß es, "wir sind die Roten, die Evangelischen". Im katholisch geprägten Garching war das keine ideale Startbasis. "Aber das hat sich nachher ganz gegeben", sagt Woyna.

Wer heute die Hilfe der Nachbarschaftshilfe sucht, egal ob es um eine Krabbelgruppe oder einen Hospizhelfer geht, der weiß von diesen Anfangsschwierigkeiten nichts. Die Nachbarschaftshilfe ist aus Garching nicht mehr wegzudenken. Wenn am Mittwoch, 27. März, die Mitgliederversammlung ansteht, hofft der Verein, die 800-Marke zu knacken. Dazu fehlen nur noch wenige Mitglieder.

Und die Vorsitzende berichtet, es stünden diesmal auch zwei Männer zur Wahl, wenn der Vorstand bestimmt wird. Allerdings ist das kein Novum. "In den Anfängen waren schon auch Männer im Vorstand", sagt Faschinger. Warum auch nicht. Kinder und Senioren sind Themen, die schließlich alle angehen.

© SZ vom 25.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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