Corona:Das Virus ist noch da

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Mit einem Schnelltest kann man immer noch rasch feststellen, ob man sich mit dem Coronavirus angesteckt hat oder bloß eine Erkältung hat. (Foto: Bernd Weißbrod/dpa)

Alle Schutzmaßnahmen sind eingestellt, das Robert-Koch-Institut veröffentlicht keine Zahlen mehr - aber immer noch stecken sich Menschen mit Sars-CoV-2 an. Nach Aussage von Medizinern verläuft die Krankheit meist eher mild, weil die Grundimmunisierung der Bevölkerung ausreichend ist. Doch für ältere Leute könnten im Herbst wieder Auffrischungsimpfungen anstehen.

Von Sabine Wejsada, Unterschleißheim/Oberhaching

Es gibt Dinge, die ändern sich nicht. Zum Beispiel, wenn man sich erneut mit Corona angesteckt hat, nach drei Impfungen und einer durchgemachten Infektion: Das Virus erwischt einen wie aus dem Nichts, meist ohne Vorwarnung. Zuerst kommen der Schnupfen, das Halskratzen und der Husten, dann die Gliederschmerzen samt Fieber - oder auch umgekehrt. Es fühlt sich an wie bei der ersten Ansteckung, und der Schnelltest bringt die Bestätigung: zwei Striche, also positiv, wieder Kontaktsperre, Tee trinken und warten, dass es vorübergeht.

Mehr lässt sich kaum tun, vielleicht mittels Nasenspray und Lutschtabletten die Symptome lindern - und wenn es ganz arg wird, das Bett hüten. Und bei plötzlich auftretender Atemnot am Wochenende oder spät abends den ärztlichen Notdienst anrufen, dessen Leitstelle einen Mediziner in Schutzmontur vorbeischickt, der nach dem Abhören und einer Messung der Sauerstoffsättigung Entwarnung gibt und damit die aufsteigende Panik vertreibt. Fühlt sich so an wie eine schwere Erkältung oder ein grippaler Infekt. Und muss man halt aushalten.

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Sommer, Sonne und trotzdem Corona. Auch nach drei Jahren und dem Auslaufen aller Vorsichtsmaßnahmen wie Maskenpflicht, Abstandhalten und dem Gebrauch von Desinfektionsmittel für die Hände ist es noch da, dieses Virus. Wenn auch nicht mehr mit ganzer Wucht und all dem Schrecken, der die Menschen in den vergangenen drei Jahren an ihre Grenzen gebracht hat.

Hatte in seinen beiden Praxen einen "Corona-Peak": Allgemeinarzt Friedrich Kiener aus Unterschleißheim. (Foto: privat)

Der Unterschleißheimer Internist, Allgemeinarzt und Notfallmediziner Friedrich Kiener stellt zwar keine "erneute Häufung der Fälle fest", wie er sagt. "Aber wir haben Fälle, klar." Zusammen mit seinen Kolleginnen und Kollegen kümmert sich seine Praxis in der Stadt im nördlichen Landkreis München um annähernd 6000 Patienten pro Quartal. Von Januar bis März sei die Zahl der Corona-Infizierten noch höher gewesen, nun habe man ein bis drei Fälle pro Woche. Das sind freilich nur die, von denen man weiß und die behandelt werden. Die Dunkelziffer dürfte höher sein.

Kiener und auch sein Oberhachinger Kollege Oliver Abbushi, der in den Hochzeiten der Pandemie vom Landkreis München als Versorgungsarzt eingesetzt war, haben jedoch festgestellt, dass die Patienten weniger schwer erkranken, wenn sie sich angesteckt haben. Das liege an der "ganz guten Immunisierung, die wir haben", sagt Kiener. Sei es durch die von der ständigen Impfkommission (Stiko) empfohlenen mindestens drei Impfungen sowie nach durchgemachten und überstandenen Infektionen.

Betroffen von einer Infektion sind nach Beobachtungen der beiden Ärzte derzeit vor allem die Jüngeren zwischen 20 und 55 Jahren, die viele Kontakte hätten. Wobei es auch im Landkreis Senioren treffe, doch die seien bereits vier- oder gar fünfmal geimpft.

Das Virus sei nach wie vor sehr ansteckend, aber weniger schlimm, sagt Kiener. Schwerwiegende Folgen könne Corona aber immer noch haben, warnt Abbushi: Erst jüngst sei in einem Altenheim wieder ein Todesfall zu beklagen gewesen. In seiner Praxis seien aktuell weniger die Neuinfektionen als vielmehr Post-Covid ein Thema, sagt der Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin in Oberhaching.

Auffrischungsimpfungen werden laut Abbushi derzeit nicht oder nur ganz vereinzelt nachgefragt. Die Stiko empfiehlt derzeit über 60-Jährigen und Menschen mit chronischen Erkrankungen, alle zwölf Monate eine Corona-Immunisierung, vorzugsweise im Herbst, wie es auch bei der Grippe der Fall ist. Wer frisch von Covid genesen ist, braucht diese Spritze zunächst nicht. Sein Immunsystem müsste erst einmal eine ganze Weile gewappnet sein; erst nach zwölf Monaten sollte man über eine Impfung nachdenken. Gesunden Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren rät die Stiko sowohl von einer Grundimmunisierung als auch einer Auffrischimpfung ab.

Trotz Meldepflicht werden die Fälle nur noch rudimentär erfasst

Nach Angaben des Gesundheitsamtes verharren die Fallzahlen im Landkreis München auf niedrigem Niveau und es liegen keine Hinweise vor, dass die Krankheitsschwere oder die Infektionsrate zugenommen haben. Aktuelle Inzidenzwerte sucht man vergeblich, das Robert-Koch-Institut (RKI) hat Anfang Juni sein Dashboard mit Zahlen aus einzelnen Landkreisen eingestellt, die Corona-Warn-App ist bereits Ende April in den Schlafmodus versetzt worden. Eine Meldepflicht für den Nachweis einer Sars-CoV-2-Infektion besteht zwar noch, es ist jedoch anzunehmen, dass Betroffene nach einem positiven Schnelltest nicht unbedingt zum PCR-Test in eine Praxis gehen.

Während die niedergelassenen Ärzte Ansteckungen eher bei jüngeren Menschen verorten, meldet das Landratsamt, dass bei den aktuell Infizierten die Altersgruppe der 70- bis 85-Jährigen deutlich häufiger vertreten sei, liefert jedoch gleich eine durchaus einleuchtende Erklärung: Die höheren Meldezahlen in diesen Alterskategorien könnten auf eine erhöhte Testfrequenz in stationären und medizinischen Einrichtungen zurückzuführen sein, so eine Sprecherin.

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