Coronavirus:Ahnungslos durch die Sommerwelle

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Mit einem Schnelltest kann man immer noch rasch feststellen, ob man sich mit dem Coronavirus angesteckt hat oder bloß eine Erkältung hat. (Foto: Bernd Weißbrod/dpa)

Offiziell gab es im Landkreis München zuletzt 2496 Neuinfektionen in einer Woche. Doch weil kaum noch kostenlose PCR-Tests angeboten werden, liegt die Zahl wahrscheinlich sehr viel höher.

Von Iris Hilberth, Landkreis München

Zurzeit gibt es wohl niemanden, der nicht wenigstens einen kennt, der aktuell Corona hat. Wenn er nicht sogar selbst gerade davon betroffen ist. Hier die Trainerin, dort der Fahrlehrer, der Nachbar oder die Oma. Auch im Landkreis München gehen die Zahlen weiter nach oben, die Sommerwelle schwappt in die maskenfreie Zeit der Volks- und Abschlussfeste. Die offizielle Sieben-Tage-Inzidenz lag am Dienstag laut Robert-Koch-Institut (RKI) bei 713,8 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner. Insgesamt 2496 Landkreisbewohner haben sich dieser Statistik zufolge in den vergangenen sieben Tagen mit dem Coronavirus infiziert. Aber was heißt das schon? Jeder weiß: Die Dunkelziffer ist hoch, getestet wird offiziell zumindest kaum noch.

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Hat man etwa Kontakt zu einem Covid-Patienten und möchte sicher gehen, dass man sich nicht angesteckt hat, kann man zwar einen Test machen, muss ihn aktuell aber selbst zahlen. Wenn man keine Anzeichen für eine Ansteckung hat sowieso. Es gibt ihn aber auch nicht kostenlos, wenn man Symptome wie Halsweh, Husten und Schnupfen hat und eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht, dass das Corona sein könnte. Erst wenn der Antigen-Schnelltest positiv ausfällt, hat man auch einen Anspruch auf einen PCR-Test. Dass immer wieder von Fällen berichtet wird, bei denen die Schnelltests nicht anschlagen, die PCR-Tests aber doch, spielt keine Rolle. Das Landratsamt äußert sich dazu nicht und teilt nur mit: "Hierzu liegen uns keine Erkenntnisse vor."

Die Behörde stellt klar: "Asymptomatische Personen erhalten einen kostenlosen PCR-Test nach einem positiven Antigen-Schnelltest oder Selbsttest. Der Test muss entsprechend nachgewiesen werden." Kostenlose Schnelltests bekommen zum Beispiel nur noch Kinder unter fünf Jahren, Personen, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können, Schwangere sowie Besucher und Patienten beziehungsweise Bewohner von Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen und ähnlichem. So weiß man im Landratsamt auch: "In den Senioren- und Behinderteneinrichtungen sind derzeit 31 Bewohner und 30 Mitarbeiter mit dem Coronavirus infiziert. Drei der Bewohner befinden sich unserer Kenntnis nach im Krankenhaus."

Wer eine Veranstaltung in Innenräumen besuchen will, Kontakt zu Personen haben wird, die ein hohes Risiko haben, schwer an Covid-19 zu erkranken, oder die durch die Corona-Warn-App einen Hinweis auf ein erhöhtes Risiko erhalten hat, kann sich für drei Euro schnelltesten lassen. Ein PCR-Test allerdings würde 89 Euro kosten.

"Symptomatische Personen werden nur im Rahmen der Krankenbehandlung - also beim Arzt - getestet", schreibt das Landratsamt. Doch auch in den Praxen wird abgewunken. Wenn der Schnelltest nicht positiv war, wird meist auch kein PCR-Test veranlasst. Anders ist das bei Kontaktpersonen aus Einrichtungen wie Schule oder Kindergarten. Sie erhalten laut Landratsamt nach Vorlage eines Schreibens der Einrichtung in allen kommunalen Testzentren des Landkreises München einen PCR-Test.

Auch über 70-Jährige warten für den zweiten Booster auf angepasste Impfstoffe

Bei den Impfungen tut sich aktuell im Landkreis München nur wenig. Bei den Erst-, Zweit- und Drittimpfungen geht seit Wochen fast nichts voran. Laut Landratsamt haben sich inzwischen 280 385 Personen im Landkreis einen vollständigen Impfschutz geholt, der erste Booster wurde 242 493 Mal verabreicht. Nur bei der zweiten Auffrischungsimpfung gehen die Zahlen noch leicht nach oben, eine vierte Spritze haben sich mittlerweile 29 641 Personen geben lassen. Allerdings wird die derzeit von der Ständigen Impfkommission nur für Personen über 70 empfohlen. Zwar ist Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) mit der Idee vorgeprescht, auch unter 60-Jährige ein viertes Mal zu impfen. Aber ganz so einfach ist das gar nicht.

Das Landratsamt verweist auf eine Aussage des bayerischen Gesundheitsministeriums. Demnach erfolgt eine zweite Auffrischungsimpfung, die nicht von der Empfehlung der Stiko abgedeckt ist, in eigenem Ermessen des jeweiligen impfenden Arztes. Die Indikation einer zweiten Auffrischungsimpfung sei - wie jede ärztliche Maßnahme - im Einzelfall nach dem jeweiligen Stand der medizinischen Wissenschaft zu beurteilen. Die fachlich-medizinische Einschätzung ob und, wenn ja, wann eine zweite Auffrischungsimpfung angebracht ist, liegt also im Ermessen der impfenden Ärztin oder des impfenden Arztes. Neben den von der Stiko empfohlenen Impfungen könnten auf der Basis existierender Zulassungen weitere Anwendungsgebiete möglich sein, auf die in den Empfehlungen der Stiko nicht eingegangen werde, die aber für den Einzelnen seiner individuellen (gesundheitlichen) Situation entsprechend sinnvoll sein könnten. "Insofern hindert auch eine fehlende Stiko-Empfehlung den Arzt nicht an einer begründeten Impfung", schreibt das Landratsamt.

Viele Leute warten offenbar mit dem zweiten Booster aktuell noch ab, bis ein auf die neuen Varianten angepasster Impfstoff zugelassen ist. Das Landratsamt weiß von Einzelfällen von über 70-Jährigen, die noch zögern mit einer zweiten Auffrischungsimpfung und auf die baldige Zulassung eines angepassten Impfstoffes hoffen. "Wie groß jedoch der Anteil an allen Personen dieser Altersgruppe ist, können wir nicht sagen", so die Behörde. Wie schnell man nach einem jetzt erfolgten zweiten Booster eine weitere Impfung mit einem neuen Vakzin hinterherschieben könnte, weiß offenbar auch keiner. "Hierzu gibt es noch keine Empfehlungen", so das Landratsamt.

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