Corona-Krise:Mehr Tests durch Do-it-yourself

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Der Haarer Hausarzt Ulrich Schröder sieht sich durch Handlungsanweisungen des Verbands der Allgemeinärzte bestätigt. (Foto: Claus Schunk)

Der Haarer Hausarzt Ulrich Schröder setzt seit Beginn der Corona-Pandemie auf Abstriche, die von Patienten selbst vorgenommen werden. Mittlerweile unterstützen Virologen und die Gesellschaft für Allgemeinmedizin die Methode.

Von Bernhard Lohr, Haar

Die von dem Haarer Hausarzt Ulrich Schröder vor Tagen noch auf eigene Faust eingesetzte Methode, den Rachenabstrich für einen Test auf das Coronavirus von Patienten selbst machen zu lassen, hat sich in Fachkreisen durchgesetzt. Die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (Degam) führt dieses unkonventionelle Vorgehen in ihren am 27. März aktualisierten Leitlinien auf. Bundesweit orientieren sich an den Handlungsempfehlungen die Allgemeinärzte, die in ihren Praxen an vorderster Front die Krise erleben. Schröder hofft darauf, dass die Zahl der Tests bald deutlich steigt.

Die Methode, die der Haarer Arzt angewandt hat und mit der er schon manchem seiner Patienten bei begründetem Verdacht auf eine Infektion mit Sars-CoV-2 zügig zu Gewissheit hat verhelfen können, ist zunächst denkbar einfach. Wer sich in der Praxis telefonisch meldet, Symptome zeigt und Kontakt zu einem Infizierten hatte oder in einem vom Robert-Koch-Institut (RKI) definierten Risikogebiet war, wird zunächst gebeten, zu Hause zu bleiben. Er kann aber eine Kontaktperson in Schröders Praxis schicken, die ein Testkit abholt und ihm dieses vor die Tür legt. Der Betroffene führt sich anschließend nach Anleitung vor dem Spiegel selbst das Stäbchen in den Rachen, macht den Abstrich, steckt es in das Röhrchen und legt es wieder vor die Tür, wo es der Helfer wieder holt und zum Arzt bringt. Gefährliche Kontakte werden so vermieden.

Kollegen warnen vor falschen Ergebnissen

Wie gut das funktioniert, hat Schröder in seiner Praxis oft erprobt. Er muss niemanden mehr auf eine Hotline der Kassenärztlichen Vereinigung verweisen und ist nicht nur auf die mobile Teststation in der Gemeinde angewiesen. Schröder erzählt, wie er am Freitagabend einige Patienten auf der Liste hatte, die für einen Test in Frage kamen. Schnell sei er mit dem Selbst-Abstrich noch zu Speichelproben gekommen. Ein Augsburger Labor, mit dem er zusammenarbeitet, habe diese zügig ausgewertet. Bereits am Wochenende habe er die Betroffenen über das Ergebnis informiert.

Was daraus zu folgern ist, ist in der Ärzteschaft umstritten. Es gibt Warnungen, dass der Rachenabstrich hinter dem Gaumensegel nicht ganz trivial ist und gerade von älteren Menschen selbständig nicht hinzubekommen sei. Es könne zu falschen Ergebnissen und falschen Gewissheiten kommen. Diese Einschränkungen sieht auch Ulrich Schröder, der darin aber keinen Grund sieht, nicht wenigstens die auf diese Weise zu einem Test kommen zu lassen, die dazu nach Anweisung in der Lage sind. Die Degam hat mit Fotografien in sechs Schritten genau beschrieben, wie solch ein Rachenabstrich zu erfolgen hat. Der stellvertretende Degam-Geschäftsführer Philipp Leson rät den Ärzten, sich mit dieser Methode auseinanderzusetzen. Er betont dabei aber, dass diese in erster Linie helfen soll, Allgemeinärzte in ihren Praxen zu schützen, damit diese bei dem derzeit herrschenden eklatanten Mangel an Schutzkleidung und -masken nicht Gefahr liefen, sich bei einer Probenentnahme am Ende noch selbst anzustecken. "Wir sehen das pragmatisch", sagt Leson. Nach wie vor gelte die Vorgabe des RKI, begründete Verdachtsfälle zu testen und nicht beliebige Personen - etwa "zur eigenen Beruhigung".

An der Haarer Station sind 70 Tests am Tag möglich

Darum geht es Ulrich Schröder auch nicht. Doch er sieht in der von ihm propagierten Methode einen Weg, um die mittlerweile von der Bundesregierung formulierte Forderung zu erfüllen, die Zielgruppe der zu Testenden deutlich auszuweiten, damit mehr Gewissheit über Ansteckungsgefahren und -wege erreicht wird. Er sagt, oft seien es gerade junge Menschen, mit keinen oder leichten Symptomen, die das Virus verbreiteten. Die bestehenden Einschränkungen führten dazu, dass selbst Familienmitglieder eines positiv Getesteten nur bei Vorliegen einer Symptomatik getestet würden. "Ich denke schon, dass man mehr testen sollte." Auch könnte so seiner Meinung nach medizinisches Fachpersonal entlastet werden, das derzeit die Abstriche in den vielen mobilen Teststationen in den Landkreiskommunen vornimmt.

Ulrich Schröder hat selbst geholfen, die Station in Haar aufzubauen, in der bis zu 70 Tests am Tag gut möglich sind und sogar 100 und mehr. Bei 20 Tests pro Stunde sieht das Rathaus die Kapazität. Die Station war nach Angaben von Schröder und des Rathauses zuletzt nicht ausgelastet. Es gab 61 Tests am Montag, 48 am Dienstag. Auch dies ist Schröder zufolge ein Zeichen, dass die Zielgruppe der zu Testenden ausgeweitet werden könnte und sollte. Der deutsche Chefaufklärer in Sachen Corona, Christian Drosten, Direktor des Instituts für Virologie an der Charité in Berlin, hält den Schröderschen Weg laut Ärzteblatt für eine gute Sache. "Ich hoffe sehr, dass sich solche pragmatischen Lösungen verbreiten."

© SZ vom 01.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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