Schnelltests:Geschäft ohne Abstriche

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Die Grünwalder Firma eines Münchner Arztes betreibt die Corona-Schnelltest-Station im Haarer Bürgerhaus - ohne dafür Miete an die Gemeinde zu bezahlen. (Foto: Angelika Bardehle)

Die Gemeinde Haar erlässt dem Betreiber einer privaten Corona-Teststation im Bürgerhaus die Mietkosten. Die SPD wittert Verschwendung von Gemeindevermögen.

Von Bernhard Lohr, Haar bei München

Aussicht auf hohe Einnahmen und kaum Kontrollen: Das hatte viele Privatleute mit Geschäftssinn dazu gebracht, innerhalb kürzester Zeit Testzentren in leeren Hotels, Bürgerhäusern oder Shisha-Bars zu eröffnen und zu betreiben. Das Geld floss reichlich, was Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) Kritik einbrachte, er würde leichtfertig mit Steuergeld umgehen. Jetzt sieht sich Haars Bürgermeister Andreas Bukowski (CSU) dem Vorwurf ausgesetzt, er habe zugunsten eines Arztes, der mit Testzentren viel Geld verdient habe, auch noch auf gemeindliche Einnahmen verzichtet.

Die Biotech & Capital Consulting GmbH mit Sitz in Grünwald, welche zahlreiche Testzentren betrieb und noch immer einige betreibt, nutzt das Foyer des Bürgerhauses in Haar unentgeltlich. Das hat Bürgermeister Bukowski auf eine Anfrage von Gemeinderat Peter-Paul Gantzer (SPD) bestätigt. Bukowski sieht darin nichts Verwerfliches. Es habe ein großes öffentliches Interesse bestanden, über die Teststation des Landkreises hinaus zügig eine weitere Teststelle in Haar zu bekommen. Das Bürgerhaus werde zurzeit ohnehin nicht genutzt, es entstehe kein Schaden, wenn dort eine Schnellteststation betrieben werde. Deshalb habe er entschieden, die Räume "bis auf Weiteres zu überlassen".

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(Foto: SZ)

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Aus Sicht von Gemeinderat Gantzer hat der Bürgermeister damit womöglich eine Grenze überschritten. Denn es geht um öffentliche Güter, die ein Geschäftsmann - in diesem Fall der Münchner Arzt Gerald Heigis und seine Grünwalder Firma - zum eigenen Vorteil nutzt. Gantzer verweist auf die Gemeindeordnung, wonach Vermögensgegenstände einer Gemeinde in der Regel nur zum vollen Wert zur Nutzung überlassen werden dürften. In Artikel 75 heißt es: "Die unentgeltliche Überlassung von Gemeindevermögen ist unzulässig." Ausnahmen wären nur bei der Sicherung der Existenz kleiner und ertragsschwacher Betriebe zulässig.

Um einen solchen handelt es sich freilich in diesem Fall nicht. Aktuell betreibt Heigis drei Testzentren im Landkreis München. Bis vor Kurzem waren es deutlich mehr, auch in München, wo Tests unter anderem in einer Tabledance-Bar an der Schillerstraße gemacht wurden, die dem Rockerclub "Hells Angels" nahestehen soll. Ob dort für die Nutzung Miete gezahlt wurde, ist nicht klar. Auf eine SZ-Anfrage reagierte Heigis nicht. Ein Anhänger des Rockerclubs wurde von Heigis als Leiter der Haarer Teststelle eingesetzt.

Anders als der Geschäftsmann zahlt das Landratsamt "ortsübliche Mieten für alle Liegenschaften, die für staatliche Aufgaben als Test- oder Impfzentrum genutzt werden", so die Antwort aus der Behörde. Diese Kosten seien nach den Richtlinien des Freistaats erstattungsfähig. Die Johanniter-Unfallhilfe kennt differenzierte Regelungen. Ihr Sprecher Gerhard Bieber sagt, eine Mietzahlung entfalle etwa, wenn der Beauftragende einen Vorteil von der Teststelle habe - so etwa bei Ikea in Brunnthal, wo jeder hingehen könne, aber auch Kunden getestet würden. Oder beim Phönixbad in Ottobrunn, wo Sportler auf Tests angewiesen seien. Den Johannitern geht es als gemeinnützige Einrichtung laut Bieber aber auch nicht um Gewinn. Das ist nach Meinung von Gantzer der Unterschied zum Haarer Fall. Er will diesen juristisch prüfen zu lassen.

© SZ vom 09.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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