Folgen der Pandemie:Verzicht in anstrengenden Zeiten

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Bei ihren vielen langen Spaziergängen denkt Ruth Markwart-Kunas viel über sich und das Leben nach. "Das ist der Zweck des Fastens - den sehe ich im Moment übererfüllt", sagt die Ottobrunner Gemeinderätin. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Fastenzeit und Corona: Während die einen angesichts der Einschränkungen nicht noch mehr darben wollen, sehen andere in der selbst gewählten Abstinenz etwas Befreiendes. Ein Gespräch mit drei in der Kirche engagierten Frauen, die jede für sich einen Weg gefunden hat.

Von Daniela Bode, Ottobrunn/Hohenbrunn

Freunde umarmen - nicht ratsam. Ein Fest mit mehreren Personen feiern - nicht erlaubt. Verreisen - nur sehr eingeschränkt möglich. Es sind viele Dinge, auf die auch die Bürger im Landkreis München nun schon lange verzichten müssen. Nun, da die Fastenzeit noch ein paar Wochen läuft, stellt sich die Frage: Wie halten es die Menschen in diesem Jahr mit der Vorbereitungszeit auf Ostern? Lassen sie wie sonst auch in den insgesamt 40 Tagen vor dem großen christlichen Fest die Schokolade weg oder etwas, was ihnen sonst viel bedeutet? Oder verzichten sie heuer aufs Fasten, weil sie ohnehin so vieles Schöne entbehren müssen?

Ruth Markwart-Kunas, Fraktionsvorsitzende der SPD im Gemeinderat in Ottobrunn, kann der religiösen Fastenzeit normalerweise sehr wohl etwas abgewinnen. "Es ist eine stille Zeit, in der wir in uns gehen", sagt sie. In den vergangenen Jahren hat Markwart-Kunas, die seit vielen Jahren auch in der evangelischen Michaelskirchengemeinde in Ottobrunn aktiv ist, gerne an der Aktion "Sieben Wochen ohne" der evangelischen Kirche teilgenommen. Die Fastenaktion steht jedes Jahr unter einem anderen Motto und soll die Menschen dazu anregen, über ihr Leben nachzudenken. "Ich habe dann auch auf Süßigkeiten verzichtet, das fällt mir gelegentlich schwer, das war dann ein Verzicht", sagt sie. Heuer aber genügen ihr die Entbehrungen auch ohne Fasten, auch wenn es ihr an Begegnungen durch ihr Amt als Gemeinderätin und als eine, deren Kinder auch in der Nähe leben, nicht fehlt. "Ich vermisse das Singen - seit einem Jahr findet der Chor nicht statt, ich vermisse Umarmungen, ich vermisse die Gottesdienste", sagt sie. "Ich habe viel Zeit nachzudenken, ich gehe regelmäßig mehrere Kilometer spazieren", sagt sie. Dabei hinterfrage sie ihr Leben, was habe sie erreicht, was wolle sie noch tun. "Das ist der Zweck des Fastens - den sehe ich im Moment übererfüllt", sagt die Gemeinderätin. Deshalb bestehe für sie kein Anlass, auch noch auf solche Dinge wie Schokolade zu verzichten.

Eva-Maria Bauer aus Hohenbrunn nutzt die Fastenzeit bewusst zur inneren Einkehr. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Manuela Riederer aus Hohenbrunn, die Mitglied im Kirchenchor der Pfarrei St. Magdalena in Ottobrunn ist, hält es indes wie immer. "Die Fastenzeit ist jedes Jahr eine Zeit, in der man sich ausloten kann", sagt sie. Riederer lässt daher auch dieses Jahr solche süßen Kleinigkeiten wie Schokolade und Kuchen in der Zeit von Aschermittwoch bis Ostersamstag weg, die sie sonst nicht missen möchte. "Die Sonntage sind immer ausgenommen", sagt sie. Natürlich findet auch Riederer es zunehmend belastender, viele schöne Dinge nicht tun zu können. "Was mir schwer fällt ist, dass man nicht singen kann und dass wir unsere Kinder nicht sehen können", sagt sie. Doch das Fasten sei ein ganz anderer Verzicht. "Den Wünschen zu widerstehen, die mir mein Ego vorgaukelt, zu sehen, ich bin stark genug, das ist eine Befreiung", sagt die Katholikin. Das sei beglückend. Dass Riederer den Verzicht auch dieses Jahr hinbekommen würde, war keineswegs sicher, auch wenn sie viele Jahre geübt ist. Denn Fasten war für sie, die in einem gläubigen Elternhaus aufwuchs, schon ein Thema, bevor sie eine eigene Familie hatte. "Im ersten Lockdown im Frühjahr hatte ich das Gefühl, dass ich auf nichts verzichten kann", sagt sie. "Da kamen auch solche Gedanken wie: Wer weiß, wie lange mein Leben noch dauert." Doch jetzt kann sie es ganz gut handhaben. Zudem habe sie gesehen, sich wie im ersten Lockdown hinwegzutrösten, mache ja auch keinen Sinn.

Trotz der coronabedingten Einschränkungen fastet auch Manuela Riederer bis Ostern. (Foto: Privat)

Für Eva-Maria Bauer aus Hohenbrunn ist die Fastenzeit, wenn man so will, eine Intensivierung dessen, was sie auch sonst tut und gleichzeitig ein Stopp in der Routine des Alltags. "Mein Motto ist es, ein offener Mensch zu sein, der die anderen im Blick hat", sagt die Sprecherin des Eine-Welt-Kreises der Pfarrei St. Magdalena in Ottobrunn. Das bedeutet für sie beispielsweise, der Nachbarin, wenn sie krank ist, anzubieten, zwei Stunden lang mit dem kleinen Kind zu spielen. Die Fastenzeit nutzt Bauer, um wie sie sagt, ihren Dialog mit Gott zu intensivieren, um der goldenen Regel Jesu "Alles, was ihr von anderen erwartet, das tut auch ihnen" noch besser folgen zu können. Daher hat sie sich dieses Jahr für die Exerzitien im Alltag angemeldet, die in ihrer Pfarrei angeboten werden. Dabei geht es darum, sich jeden Tag eine halbe Stunde Zeit zu nehmen und die eigene Beziehung zu Gott zu reflektieren. Dass die Exerzitien nun stattfinden, kommt Bauer gelegen. "Wären sie im Juni gewesen, hätte ich auch teilgenommen", sagt sie. Der Weg sei nicht von der Fastenzeit vor Ostern abhängig, es sei ihre Lebenslinie. Daher spielt es für Bauer auch keine Rolle, dass man sich wegen der Einschränkungen durch die Pandemie ohnehin viel zusammenreißen und verzichten muss.

© SZ vom 16.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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