Klassikkonzert:Suggestiv, enervierend, begeisternd

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Vier Musiker auf einen Streich: das Juilliard String Quartett im Bürgerhaus Pullach. (Foto: Claus Schunk)

Auch wenn das Konzertprogramm schwerer zugängliche Werke beinhaltet, überzeugt das Juilliard String Quartet in Pullach.

Von Udo Watter, Pullach

Der Zauber des Anfangs war vermutlich ambivalent. Wer eventuell längere Zeit das Pullacher Bürgerhaus nicht mehr für ein Konzert aufgesucht hatte, dem wurde der Einstieg in die neue Saison am Montagabend nicht gerade auf dem romantischen Silbertablett präsentiert. Eleanor Albergas Streichquartett Nr. 2 (1994) ist alles andere als eine klangschöne Umarmung des Publikums. Wie das Juilliard String Quartet das viertelstündige Werk der jamaikanisch-britischen Komponistin darbot, war freilich so versiert, dass allein schon der Vortrag staunen machte.

Dem berühmten Streichquartett aus New York, das 2011 den Grammy Award für sein Gesamtwerk erhalten hat, gelang es, die rhythmische Erregtheit des Werkes und den kontrastiven Ideenreichtum so geschmeidig wie konzentriert zu entfalten. Die Klangfarben sind dabei weit jenseits von lyrischem "Cantabile", eher schräg und ungefällig: Da mutet die Bratsche schon mal Didgeridoo-artig an, da springen die Pizzicati fast grashüpferhaft in den Raum. Für manch einen mag bei dieser Komposition die Grenze zwischen suggestiv und enervierend verschwommen sein, aber die Interpretation war beeindruckend.

Das Juilliard String Quartet, 1946 gegründet, ist ohnehin für seine musikalische Neugier bekannt, dafür sprechen zahlreiche Uraufführungen amerikanischer Komponisten. So eine stand in Pullach nicht auf dem Programm, aber auch Benjamin Brittens Streichquartett Nr. 3 und Antonín Dvořáks Streichquartett Nr. 14 gehören nicht zu den bekanntesten Werke der beiden Komponisten. Wie das Ensemble, bei dem Molly Carr (Viola) nach dem Tod des langjährigen Bratschisten Roger Tapping im Januar 2022 neu eingestiegen ist, Brittens Expressivität und Facettenreichtum umsetzte, war überzeugend.

Diverse Ausdrucksformen wurden da bis kurz vor der Grenzüberschreitung zum Sentimentalen touchiert, aber immer wieder virtuos eingefangen. Überhaupt: Wie Areta Zhulla, Ronald Copes (beide Violine), Astrid Schween (Cello) und Carr interagierten, das war schon von einer fast perfekten Präzision, Homogenität und Phrasierungsintelligenz. Das demonstrierten sie auch bei Dvořáks Werk nach der Pause: mal romantisch hingetupft, mal tänzerisch schwebend, mal schmerzhaft wehmütig - wobei der tschechische Komponist es immer wieder schafft, mit seinen Klangbildern eine Melancholie zu entfalten, die fast glücklich macht. Der fulminante Finalsatz mündete standesgemäß in einige Bravo-Rufe.

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