München:Kampf dem Bienensterben

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Damit Bienen auf dem Land genug Blumen finden, müssen diese - wie hier in Maisach - inzwischen gezielt angesät werden. (Foto: Johannes Simon)

Auf Initiative von Bettina Sprenzel will Brunnthal auch innerorts Blumenwiesen blühen lassen

Von Bernhard Lohr, Brunnthal

Brunnthal - Am Platz fehlt es nicht. Die Gemeinde Brunnthal ist ländlich geprägt. Das Grün der Felder und Wälder bestimmt das Ortsbild und nicht das Grau der Betonpisten und Parkplätze. Und doch ist die Natur auch dort draußen nicht mehr im Gleichgewicht. Imker beklagen gerade draußen in ländlichen Regionen, dass Bienenvölkern in einer durch Monokulturen geprägten und auf Ertrag getrimmten Landschaft langsam die Nahrung ausgeht. Etliche Brunnthaler wollen dieser Entwicklung nicht weiter tatenlos zusehen. 54 Bürger haben einen Aufruf unterschrieben, mit dem sie erreichen wollen, dass die Gemeinde etwas für Artenvielfalt tut. Brunnthal soll blühen. Kürzlich nahm der Gemeinderat den Antrag an. Ohne Diskussion und einem Hin und Her mit Antrag und Gegenantrag lief das freilich nicht ab.

Bettina Sprenzel hat kein bedeutsames Amt in der Gemeinde inne. Seit kurzem ist sie Mitglied im Vorstand der Frauen-Union. Ansonsten ist sie einfach eine Frau, die mit offenen Augen durch den Ort geht und die das Schreiben zu ihrem Hobby gemacht hat. Gerade arbeitet sie an ihrem dritten Brunnthal-Krimi. Die Angelegenheit mit den Bienen habe sie aufgegriffen, sagt sie, weil sie überzeugt sei, dass der Fehlentwicklung entgegengewirkt werden müsse. Sie kennt den Vater von Bürgermeister Stefan Kern, der selbst als Imker erlebt, wie die Bienenvölker unter dem Nahrungsmangel leiden. Josef Kern hat auf Sprenzels Liste unterschrieben, genauso wie eine Reihe von Gemeinderäten. Tatsächlich gibt es eine Bewegung, die zum Ziel hat, die Ortschaften mit blühenden Blumen schöner zu machen und den Bienen wieder mehr Nahrung zu bieten. Das Netzwerk Blühende Landschaften etwa bringt in Haar seit Jahren mehr und mehr brache Flächen zum Blühen. Bürger übernehmen Patenschaften für Verkehrsinseln, auf denen dank der richtigen Samenmischung das Einheitsgrün einem bunten Meer von Blüten gewichen ist. Sprenzel wünscht sich das auch in Brunnthal. Flächen würden versiegelt und die Landwirtschaft bewirtschafte Felder derart, dass die Artenvielfalt leide, schreibt sie in dem Antrag. Bienen fänden weniger Nahrung und würden anfälliger. Das Bienensterben, verursacht durch Milben, Überdüngung und Pestizide, habe besorgniserregende Ausmaße angenommen.

Täglich werden bundesweit artenreiche Wiesenflächen in der Größenordnung von 100 Fußballfeldern in Ackerflächen, Baugebiete und Straßen umgewandelt. Dabei ist gerade auf dem Land die Lage für die Bienenvölker prekär. Angela Puntigam ist Vorsitzende des Bienenzuchtvereins Schleißheim-Lohhof. Sie sagt, in ihrem Bereich gehe es den Bienenvölkern noch relativ gut, weil es ausgedehnte Siedlungsflächen gebe. Blumen in Hausgärten und Büsche lieferten Nahrung. "Weiter draußen auf dem Land", sagt sie, "wird es schwieriger." Die Artenvielfalt sei in Städten mit ihren Parks, Hausgärten, Alleen und verwilderten Grundstücken höher, berichten auch die Aktivisten der Urban-Beekeeping-Bewegung. Auf Verkehrsinseln und Balkonen fänden Bienen vom Krokus bis zur Goldrute einen reich gedeckten Tisch. Bienen fühlten sich als wärmeliebende Tiere innerorts wohler, Stadtimker ernteten mehr Honig als Landimker, heißt es. In München hat sich zuletzt, wie Bettina Sprenzel in Brunnthal feststellt, sogar die Polizei als Beschützerin der Bienen entpuppt. So haben engagierte Polizeibeamte auf dem Dach des Polizeipräsidium, gleich gegenüber der Frauenkirche, Bienenstöcke aufgestellt, um zwei Polizeibienen-Völkern eine Heimat zu bieten. Diese finden im nahegelegenen Hofgarten, im Englischen Garten und in den Isarauen Nahrung.

Und in Brunnthal? Dort sieht Sprenzel noch viele Flächen, die für die Bienen attraktiv gestaltet werden könnten. Auch zum direkten Vorteil der Menschen. So könnten Straßen und Wege mit blühenden Pflanzen gesäumt werden. Das Orts- und Landschaftsbild würde verschönert. Das hält im besiedelten Teil von Brunnthal freilich nicht jeder für nötig. Die Vorlage der Verwaltung zu dem Bürgerantrag sah vor, für die Bienen Flächen außerhalb anzubieten und den Lärmschutzwall an der Autobahn blühen zu lassen. Doch auf Betreiben von Ulla Gocke (CSU) wurde der Antrag, wie von Sprenzel angestrebt, angenommen. Kürzlich in der Bürgerversammlung hakte Sprenzel nach, was die Gemeinde nun zu tun gedenke. Sie sei hartnäckig, sagt sie, sie wolle, dass das umgesetzt wird.

Profitieren kann am Ende jeder. Abgesehen von der Nahrung für Insekten bringen Wiesen- und Weidenblumen auch Erleichterung bei der Pflege, weil sie nur ein bis zwei Mal im Jahr gemäht werden müssten, argumentiert Sprenzel. Landwirte profitierten, weil gewisse Arten der sogenannten Bienenweiden für Biogasanlagen genutzt werden könnten. Die Bodenstruktur werde durch das Aussäen von Pflanzen wie der lilafarben blühenden Phacelia, die zugleich als Gründünger tauge, gestärkt. Tatsächlich säen Landwirte die Phacelia mehr und mehr aus, wie etwa auf Flächen bei Otterloh zu sehen ist.

Innerorts soll es Vielfalt geben. Die Gemeinde könnte mit Hilfe fertiger Saatgutmischungen - die "Veitshöchheimer Mischung" beinhaltet 43 Wild- und Kulturarten - Straßenränder und Verkehrsinseln zum blühen bringen. Die Kosten sind überschaubar: 250 Euro fallen pro Hektar blühende Wiese an.

© SZ vom 28.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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