Brexit:Run auf den Doppelpass

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Großbritannien wird die Europäische Union verlassen. Das wird auch Auswirkungen auf Bürger im Landkreis München haben. (Foto: dpa)

Briten informieren sich in Ottobrunn über die deutsche Staatsbürgerschaft

Von Anika Stiller, Ottobrunn

Trevor Reid ist in England geboren, aber er lebt seit 27 Jahren in Bayern. Seit ein paar Monaten hat er auch den deutschen Pass. An diesem Abend im Ottobrunner Wolf-Ferrari-Haus will er herausfinden, ob er einen seiner beiden Pässe zurückgeben muss, wenn Großbritannien 2019 die EU verlässt. Reid ist einer von etwa 45 Briten und wenigen Deutschen, die diese Woche zu dem Informationsabend "Brexit - and what it means for Brits in Bavaria" nach Ottobrunn gekommen waren.

Sorgen um die Folgen des EU-Austritts scheinen durchaus begründet. Wie der Anwalt David Hole und die in Ottobrunn lebende Übersetzerin Ingrid Taylor - beide haben beide Staatsbürgerschaften - in ihrer Muttersprache erklären, kommen einige Nachteile auf Briten zu, die keinen Doppelpass haben. In 13 Monaten werden sie in Deutschland nur noch Drittland-Status und damit weniger Rechte als EU-Bürger haben.

Ohne deutschen Pass ist der Arbeitsplatzwechsel nicht zu empfehlen

Juristische Ratschläge für Opfer des Brexit: der Anwalt David Hole bei seinem Vortrag in Ottobrunn. (Foto: Angelika Bardehle)

"Nicht alles ist düster, aber es gibt Dinge, über die wir sprechen müssen," sagt Hole, der seit 1993 in Deutschland lebt. Nicht jeder sei vom Brexit gleich betroffen. Zunächst einmal bleibe die Aufenthaltserlaubnis bestehen, die Gesundheitsversorgung ebenso. Jedoch drohten jedem Nicht-EU-Bürger Komplikationen bei Reisen in andere Mitgliedsstaaten.

Diese gehen weit über Wartezeiten an der Grenze beim wochenendlichen Ski-Ausflug nach Österreich hinaus. Laut Taylor ziehen die meisten Firmen Mitarbeiter vor, für die eine Geschäftsreise ins EU-Ausland keine Komplikationen mit sich bringt. Alle in Deutschland lebenden Briten sollten daher rechtzeitig mit ihrem Arbeitgeber in Kontakt treten. Mit britschem Pass könne man zwar auch weiterhin in Deutschland arbeiten. Ein Arbeitsplatzwechsel oder gar eine Arbeitslosigkeit um die Zeit des Austritts herum sei allerdings nicht empfehlenswert. Sowohl für die deutsche Staatstbürgerschaft wie auch für eine Aufenthaltserlaubnis brauche man ein sicheres Einkommen.

Taylor und Hole sind Mitglieder der Organisation "British in Bavaria". Deren Überorganisationen "British in Germany" und "British in Europe" versuchen, durch Lobbyarbeit zu erkämpfen, dass heimische Briten trotz Brexit ihre EU-Bürgerrechte und mehr als einen Drittland-Status behalten können. Jeder könne seinen Beitrag leisten, indem er sich direkt an Politiker - deutsche wie britische - wendet, sagt Taylor. "Schreiben Sie denen Ihre persönliche Geschichte."

Die einfachste Lösung, der Ungewissheit zu entgehen, wird von Hole und Taylor an diesem Abend in Ottobrunn eindrücklich erklärt: ein Antrag auf deutsche Staatsbürgerschaft. Voraussetzung für eine solche sind acht Jahre Aufenthalt in Deutschland, durch Integrationsleistungen und Heirat lässt sich die erforderte Zeit auf bis zu drei Jahre verkürzen. Diese Voraussetzung erfüllen viele der im Landkreis München lebenden Briten, wie Taylor sagt. "Deutschland, ja Merkel selbst hat Briten zur Annahme der Staatsbürgerschaft ermutigt."

"Suchen Sie Ihre Papiere zusammen."

Wer sich mit der Idee der deutschen Staatsbürgerschaft noch nicht angefreundet habe, sei durch die Antragstellung nicht gezwungen, diese letztendlich auch anzunehmen. Eile sei jedoch geboten, betonen Anwalt und Übersetzerin. Denn auf die doppelte Staatsbürgerschaft haben nur EU-Bürger Recht. Wer den deutschen Pass nicht vor März 2019 erhalten hat, werde sich wohl zwischen beiden Staatsbürgerschaften entscheiden müssen - auch wenn der Bearbeitungsprozess läuft.

Und der Prozess dauert nach Erfahrung von Taylor und Hole lange. Nachdem man alle benötigten Dokumente zusammen und diese abgegeben hat, könne es noch immer ein Jahr dauern, bis man den deutschen Pass in den Händen hält. "Gehen Sie daher jetzt zum Beratungsgespräch, suchen Sie Ihre Papiere zusammen, gehen Sie sicher, dass Sie angemeldet sind. Fangen Sie lieber morgen an, als noch länger zu warten", rät Hole. Verlieren könne man die doppelte Staatsbürgerschaft durch den Brexit nicht, so der Anwalt.

Die Schottin Joan Macleod lebt seit 30 Jahren in Bayern. Noch hat sie bloß den britischen Pass, sagt sie. Am Ende des Abends meint sie auf die Frage, ob sie jetzt denn überlege, die deutsche Staatsbürgerschaft zu beantragen: "Wenn ich das so höre, ja!"

© SZ vom 24.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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