Besuch beim Schäfer:"In der Bank war ich mehr gestresst"

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Die glücklichen Tiere auf dem Gut Hochmutting bei Garching. (Foto: Robert Haas)

Thomas Hoyler führt die Schäferei seiner Familie in Hochmutting fort. Auch wenn die Bedingungen härter werden, macht ihm die Arbeit Spaß.

Von Gudrun Passarge, Oberschleißheim

"Wir verdanken alles dem Schaf", sagt Helga Hoyler, die seit 1961 auf dem Gut in Hochmutting lebt. Die Geschichte der Hoylers ist eng verwoben mit der Schäferei. Sie sitzt mit ihrem Sohn Thomas, der inzwischen den Betrieb übernommen hat, in der guten Stube an einem Holztisch. Dort haben mindestens zwölf Leute Platz. So viele waren es früher auch, wenn Helga Hoyler zum Mittagstisch rief.

Die 80-Jährige kocht noch immer jeden Tag, aber es sind nur noch drei Schäfer und ihr jüngster Sohn Thomas mit seiner Frau und den beiden Söhnen, die jetzt mit am Tisch sitzen. Vieles hat sich über die Jahre geändert. Und auch wenn die Mutter durchaus mal pessimistische Gedanken hat, weil das Geschäft nicht leichter geworden ist, sagt sie am Ende doch: "Ich hoffe immer noch, dass einmal einer meiner Enkel den Hof weiterführt."

Noch stehen alle die Tiere im Stall, im Mai sollen sie raus, aber bis dahin, sagt Schäfer Thomas Hoyler, "worauf wir jetzt warten, ist Regen, Regen, Regen". (Foto: Robert Haas)

Helga Hoyler kennt sich aus mit der Schafhaltung. Schon ihr Großvater ließ die Tiere an der Isar weiden. Und sie wusste als Kind sehr schnell, dass sie auf keinen Fall in die Schäferei wollte, denn: "Jede freie Minute ist man eingespannt gewesen." Sie studierte stattdessen Lehramt für Volksschulen, und dann kam doch alles ganz anders. Weil ihre Mutter sich den Fuß gebrochen hatte, begleitete sie ihren Vater zum Schäferball in München, wo sie ihren späteren Mann Hermann Hoyler kennenlernte.

Dessen Familie lebte seit 1949 in Hochmutting. Helga Hoyler lernte noch einmal einen neuen Beruf als Hauswirtschaftsmeisterin und führte mit ihrem Mann gemeinsam den Betrieb. Weil ihr aber die Zukunft ungewiss erschien, drängte sie darauf, dass ihre vier Kinder beruflich andere Wege gingen. Das klappte nur bedingt. Der älteste Sohn, er war Sozialarbeiter, hat inzwischen eine Schäferei in Niederbayern, Thomas, der jüngste, der in der Bank arbeitete, sattelte ebenfalls noch einmal um, nachdem die Familie 1998 den Hof mit dem denkmalgeschützten Gebäuden kaufen konnte.

Sein Tagesablauf sieht heute ganz anders aus als der Büroalltag in der Bank. Etwa 1300 Mutterschafe plus unzählige Lämmer stehen in den Ställen. Von Mai bis Dezember sollen alle Tiere wieder raus, "aber wir warten auf Regen, Regen, Regen", sagt Thomas Hoyler. Durch die anhaltende Trockenheit wächst kaum etwas und die Tiere hätten zu wenig Nahrung.

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(Foto: Robert Haas)

Helga Hoyler kocht noch immer jeden Tag für die Schäfer am Hof,...

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(Foto: Robert Haas)

... ihr Sohn Thomas Hoyler führt den Betrieb in dritter Generation.

Der Tag des Schäfers von Hochmutting beginnt um 6.30 Uhr und auch nachts muss jemand nach den Tieren schauen. Nach der Fütterung ist um 8 Uhr Kaffeepause, dann geht es weiter. Im Winter ist Lammzeit und die Zeit der Tierpflege. Die Klauen müssen geschnitten werden, sie werden entwurmt. Auch geschoren sind sie schon.

Früher, erzählt der 42-Jährige, war die Wolle die Haupteinnahmequelle der Schäferei, alle Arbeiter wurden vom Erlös der Wolle bezahlt. Mittlerweile ist er froh, dass er überhaupt noch einen Händler hat, der auf den Hof kommt und sich den Lastwagen vollpackt. Es sei gar nicht mehr so einfach, Abnehmer für die Wolle seiner Merinoschafe und der Moorschnucken zu finden. Heute mache er keinen großen Gewinn mehr damit. Etwa 4,50 Euro bekomme er pro Merinoschaf, und 2,50 Euro pro Tier müsse er allein für den Scherer bezahlen. "Es ist wenigstens ein Nullsummenspiel", sagt Hoyler.

Das Gut in Hochmutting hat eine Geschichte, die bis zur Schlacht am Lechfeld zurückreicht. Die Gebäude sind teilweise 200 Jahre alt. (Foto: Robert Haas)

Für das Futter der Tiere bewirtschaftet er gepachtete Ackerflächen, aber auch das werde immer schwieriger. So gebe die Stadt München nur noch Ein-Jahres-Verträge für ihre Äcker aus, weil sie bald Ausgleichsflächen brauchen könnte. Für Thomas Hoyler macht es die Planung schwieriger, denn er baut in wechselnder Fruchtfolge an und weiß dann nicht, ob er sie im nächsten Jahr noch durchhalten kann.

Sieben Tonnen Futter braucht er pro Tag. Gerade fährt einer seiner Mitarbeiter den großen Bulldog mit Anhänger vor. Die Tiere stehen mittlerweile hauptsächlich in den zwei neu gebauten Ställen hinter dem ehemaligen Vierseithof. Hoyler ist froh über die neuen Ställe, die viel mehr Komfort für Tier und Mensch bieten. Die alten geduckten Gebäude sehen zwar von außen recht hübsch aus, sind aber eher unpraktisch. Die neuen Gebäude sind Kaltställe, da gebe es viel weniger Probleme mit Krankheiten.

Bisher gibt die Vegetation noch nicht genug Nahrung für die Tiere her. (Foto: Robert Haas)

In der Kinderstube, wo die neugeborenen Lämmer mit ihren Müttern stehen, geht es recht munter zu. Einige der Lämmer vollführen lustige Luftsprünge, bocksbeinig, wie es eben nur Lämmer vermögen. Wie süß. "Nur nicht dran gewöhnen", kommt der trockene Kommentar von Thomas Hoyler. "Sie werden geschlachtet." Leo, der Langhaardackel hat ihn beim Rundgang über den Hof begleitet. Er nutzt seine Freiheit, um vor den Hütehunden in den Zwingern auf und ab zu scharwenzeln. Sie quittieren es mit lautem Bellen, aber es klingt nicht unfreundlich. Nein, Hüteaufgaben bekommt Leo nicht, "aber er ist ein sehr guter Wachhund", sagt der Schäfer.

Hoylers Tag ist voll gepackt mit Arbeit. Schäferromantik? Die habe es doch nie gegeben, sagt der Schäfer. Wenn er auch feststellt: "In meinem Job in der Bank war ich mehr gestresst." Nachdem die Wolle nicht mehr zum Geldverdienen taugt, setzt der Schäfer auf zwei andere Standbeine. Das wichtigste ist die Landschaftspflege, für die er honoriert wird. Hoyler versteht sich als "Dienstleister für den Artenschutz".

Seine Herden weiden in der Heide. Die Schafe verhindern die Verbuschung des Geländes und tragen die Pflanzensamen oft kilometerweit im Fell mit sich, damit sorgen sie für die Verbreitung wertvoller Heidepflanzen. Wanderschäfer hat er keine mehr, diese Zeiten, als die Schäfer seines Vaters noch durch den fränkischen Jura wanderten, sind vorbei. Auch weil sich die Landwirtschaft verändert hat, öfter und länger gemäht werde und mehr Monokulturen für Biogasanlagen angebaut würden.

Heute konzentriert sich für die Hoylers alles auf die Umgebung von Hochmutting. Noch ein Nachteil: Der Schäfer darf die Tiere nicht einzäunen, was seinen Mitarbeitern vielleicht mal einen freien Tag ermöglichen würde. So muss immer jemand als Aufsicht dabei sein. Nachts kommen die Schäfer heim, oder aber sie übernachten im Wohnwagen am Schlafplatz der Schafe. Trotzdem versucht Hoyler auch auf Urlaubswünsche seiner Schäfer einzugehen, "soweit wie möglich". Sein Mitarbeiter mit zwei Kindern bekommt in den Sommerferien meist zwei Wochen frei, die Tiere kommen in dieser Zeit ausnahmsweise in den Stall.

Das zweite Standbein des Hofs ist die Direktvermarktung. Hoyler schlachtet seine Lämmer noch selbst, gerade vor Ostern hat er viel zu tun. Wer Lammfleisch aus der Region haben möchte, muss allerdings mindestens ein halbes Schaf ordern. Hier mischt sich seine Mutter mit ins Gespräch. Ihrer Ansicht nach hat das Schaffleisch zu Unrecht einen schlechten Ruf. Vielleicht, so überlegt sie, liege es daran, dass früher eher alte Schafe geschlachtet wurden.

Auf ihrem Hof werden die Lämmer maximal fünf Monate alt, da sei das Fleisch noch sehr zart. Thomas Hoyler ist allerdings nicht sicher, wie lange sie noch schlachten werden, "weil die Auflagen so enorm gestiegen sind, dass eigentlich nur noch Großbetriebe sie erfüllen können", wie er sagt.

Das sind nicht die einzigen Probleme, mit denen der Schäfer zu kämpfen hat. Da sind die freilaufenden Hunde, die die Tiere auseinandertreiben. "Es gibt jedes Jahr verletzte Tiere", sagt Hoyler. Dann gibt es immer wieder Fälle von Diebstahl, etwa 15 bis 20 Schafe im Jahr würden gestohlen. Und dann sind da noch die Krähen, die sich auf neugeborene Lämmer stürzen, auf ihre Augen, die Nabelschnur oder den After picken.

Helga Hoyler berichtet von all den erfolglosen Versuchen, die sie unternommen haben, um die Vögel zu verscheuchen. Schießen dürfe man sie ja nicht. Sie hätten Tonbandaufnahmen laufen lassen und Karbidkanonen eingesetzt. "Am dritten Tag saßen die Krähen auf den Kanonen drauf", erzählt sie, sie hätten schnell mitbekommen, dass ihnen nichts passiert. "Die sind nicht dumm", sagt Helga Hoyler und auch ihr Sohn schildert, wie intelligent sich die Vögel verhalten. Einzig der Besuch des Falkners zeitige Erfolge. "Aber nach ein paar Tagen sind die Krähen wieder da", sagt Thomas Hoyler.

Er überlegt kurz und findet, das alles höre sich jetzt doch zu negativ an. "Es macht schon Spaß", sagt der Schäfer. Und wer weiß, vielleicht gibt es ja doch noch eine vierte Generation von Schäfern der Familie Hoyler in Hochmutting.

© SZ vom 20.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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