Baumfällungen am Feringasee:Drastische Verjüngungskur

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Der Feringasee ist ein Naturparadies - auch für Eichhörnchen. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Das Landratsamt lässt an Feringasee, Deininger Weiher und Heimstettener See in großem Stil marode Bäume fällen. Erholungssuchende sind entsetzt, doch selbst Naturschützer halten die massiven Eingriffe wegen der jahrelangen Vernachlässigung für notwendig

Von Sabine Wejsada, Unterföhring

Die Natur heilt sich selbst, meistens zumindest. Dort, wo Schneisen geschlagen wurden, etwa durch Sturm oder Menschenhand, wächst innerhalb kürzester Zeit Neues. Es ist zwar nicht zwangsläufig ein Baum, wenn zuvor ein solcher gefällt worden ist, vielmehr dringen Stauden oder Büsche aus dem Boden, deren Samen schon lange darauf warteten, endlich Licht und Wasser von oben zu bekommen. Wenn das hohe Wucherwerk entfernt ist, "dann explodieren sie geradezu", sagt Angela Burkhardt-Keller. Sie ist hauptamtlich bei der Kreisgruppe München im Bund Naturschutz (BN) angestellt und Referentin für den Schutz der Natur.

An diesem Vormittag ist sie zusammen mit BN-Geschäftsführer Rudolf Nützel am Feringasee in Unterföhring unterwegs. Schauen, was sich an den Ufern getan hat, seitdem großräumige Baumpflegemaßnahmen stattgefunden haben, wie das Aus- und Abschneiden von Bäumen und Sträuchern im Fachjargon heißt. Diese Arbeiten haben im vergangenen Winter und Frühling so manchen aufgeschreckt, der am See spazieren ging: An zahlreichen Stellen stapelte sich das Holz der gefällten Bäume, gerade im nördlichen Bereich, wo auch die drei Biotope liegen, waren Transportwege für das schwere Gerät der Arbeiter platt gemacht worden.

Da schau hin: Rudolf Nützel, Geschäftsführer beim Bund Naturschutz, und seine Kollegin Angela Burkhardt-Keller am Feringasee. (Foto: Robert Haas)

Das dürfte den einen oder anderen natürlich geschockt haben, sagt Nützel und zeigt auf einen baumfreien Bereich. Dort haben sich jedoch mittlerweile viele anderen Pflanzen angesiedelt; es sieht aus, als hätte dort jemand einen satt-grünen Teppich ausgerollt - Hochflor. Denn die Stauden und Sträucher stehen gut im Saft und messen teilweise schon mehr als einen Meter. Sogar ein kleiner Ahorn streckt sich in die Luft. Dort wächst also doch noch ein Baum.

Jetzt ist der Deininger Weiher dran

Nach Angaben des Landratsamtes sind derartige Arbeiten Routine am Feringasee und auch in allen anderen sechs vom Landkreis betreuten Erholungsgebieten. Derzeit werde für diese ein Baumkataster erstellt. An diesem Donnerstag und Freitag ist der Deininger Weiher an der Reihe: Dort werden nicht mehr verkehrssichere Bäume in den waldartigen Randbereichen entfernt, nächste Woche sind Arbeiter am Heimstettener See unterwegs, um Bäume auch an den Parkplätzen umzuschneiden, im Anschluss daran startet die Baumpflege am Poschinger Weiher in Unterföhring.

Am Feringasee hängen schon kleine Schildchen an den Bäumen. Das Katastar dient nach den Worten von Landratsamtssprecherin Franziska Herr "zur Durchführung und Dokumentation der Verkehrssicherheitskontrollen an den Bäumen". Fachleute prüfen die Standfestigkeit, einen etwaigen Befall der Gewächse durch Krankheiten und morsche Stämme oder Äste. Auch Sturmschäden werden begutachtet.

Das Kataster erstellt ein öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für die Verkehrssicherheit von Bäumen. Nach eingehenden Kontrollen ergeben sich dann Pflegeschnitte, Totholzentfernung oder Fällungen, wie es aus der Kreisbehörde heißt. All diese Maßnahmen würden zurzeit nacheinander abgearbeitet. "Zur Durchführung ist der Landkreis verpflichtet, da sich ansonsten bei eventuellen Schadensfällen eine Haftung des Landkreises ergibt", heißt es.

Müssten Bäume auf Flächen mit "Waldeigenschaft" nach dem bayerischen Waldgesetz gefällt werden, würden diese mit dem Forstbeamten Michael Matuschek vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Ebersberg, abgestimmt. Und für Fällungen außerhalb der "Waldflächen" liege dem Landratsamt eine Ausnahmegenehmigung der Naturschutzbehörde vor.

Am nördliche Feringasee gibt es drei Biotope

Wie viel die Erstellung des Katasters kosten wird, kann das Landratsamt derzeit noch nicht beziffern. Billig dürfte die lückenlose Dokumentation jedoch wohl nicht werden: BN-Naturschutzreferentin Angela Burckhardt-Keller rechnet nach eigenen Worten damit, dass pro Baum zwischen fünf und zehn Euro fällig werden. Bei vielen tausend Bäumen in den sechs Erholungsgebieten, um die sich der Landkreis kümmert, eine erkleckliche Summe.

Im nördlichen Bereich des Feringasees gibt es drei Biotope. Sie waren laut Landratsamt jeweils mit einem Zaun umgeben, um den Lebensraum von dort ansässigen Bibern zu schützen. Diese Zäune wurden erneuert - allerdings nicht überall.

Bei einem Biotop gab es keine Hinweise mehr auf den Nager, das Aufstellen eines neuen Zaunes habe sich erübrigt, so das Landratsamt, man habe dies jedoch vorab mit der Unteren Naturschutzbehörde und dem Biberbeauftragten des Landratsamtes abgestimmt. Der Bund Naturschutz unterstützt diese Haltung. Und: "Die Erstellung des Baumkatasters sowie unsere Vorgehensweise in Bezug auf die waldartigen Flächen werden im Übrigen auch vom Eigentümer des Geländes, dem Erholungsflächenverein München, ausdrücklich begrüßt."

Doch nicht alle Spaziergänger und Erholungssuchenden teilen diese Einschätzung. Vor allem der ausgedünnte Baumbestand stößt so manchem auf. Denn die Autobahn ist nah - und nun angeblich noch lauter. Für die Fachleute vom Bund Naturschutz ist dieser Eindruck "eher eine gefühlte Wahrheit". Jetzt, da man die Autos und Lastwagen auf dem Autobahn-Ostring sehe, weil der grüne Gürtel etwas lichter geworden sei, könne man das freilich als ruhestörender empfinden. Nützel nennt das "ein psychologisches Problem", denn Laubbäume schirmen seiner Erfahrung nach nicht wirklich den Lärm ab.

Menschen müssen den Raum betreten dürfen

Für den BN zeigt sich am Feringasee vor allem eines: Eine vernachlässigte Pflege in der Vergangenheit erfordere mitunter drastische Maßnahmen und zahlreiche Fällungen. Man würde sich wünschen, "dass in Zukunft eine kontinuierliche aber schonende Pflege stattfindet, um derart massive Eingriffe zu vermeiden. Das Baumkataster kann hier ein wertvolles Hilfsmittel sein", sagt die Referentin für Naturschutz.

Trotzdem biete der See ein gutes Nebeneinander von Naturschutz und Erholungsnutzung, sagt BN-Geschäftsführer Nützel. In einem stark wachsenden Ballungsraum wie München seien Möglichkeiten zur Naherholung wichtig. Mit der Betonung auf nah, denn die Menschen sollten nicht weit fahren müssen, um sich in der Natur zu bewegen. Man wisse sehr wohl, dass gerade auf dem Feringasee, an dem in Sommermonaten viele tausend Badegäste ihrem Vergnügen nachgehen, "ein enormer Druck lastet". Dennoch sei der BN sehr dafür, dass es keine Nationalpark-Verordnungen für derartige Bereiche gibt. Menschen müssten das Recht zum Betreten haben. Am See in Unterföhring sei festzustellen: die Natur erholt sich, die Menschen auch.

© SZ vom 23.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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