Geschützter Räuber:Der Wolf kommt näher

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Glück gehabt: Michael Riesenberger und Patricia Hermann mit einem verstörten Schaf, das den Angriff überlebt hat. (Foto: Claus Schunk)

In der Gemeinde Aying im äußersten Südosten des Landkreises München sind mehrere Schafe gerissen worden. Das Landesamt für Umwelt untersucht noch, um welches Tier es sich bei dem Angreifer handelt. Aber Landwirt Michael Riesenberger ist sich sicher: Ein Hund kann es nicht gewesen sein.

Von Martin Mühlfenzl, Aying

Die Spuren sind deutlich zu erkennen. Das ist das Gute an dem nass-rauen Wetter, das den Boden weich werden lässt. "Batzig", sagt Michael Riesenbeger und beschreibt, was er am Freitagmorgen nur wenige Meter vor seinem Hof im Ayinger Ortsteil Großelfendorf im Boden gesehen hat. "Ganz geradlinige Spuren. Sehr symmetrisch. Das Tier lief immer mit der Hinterpfote in den Abdruck der Vorderpfote rein", sagt Riesenberger. Das könne ein Hund gar nicht. Vielmehr, so ist sich der Landwirt sicher, müsse es ein Wolf gewesen sein, der in der Nacht zum Freitag auf dem Hof direkt an der Rosenheimer Straße zwei Schafe gerissen hat. Sie wurden von der Familie am Morgen tot aufgefunden. Ein drittes Tier musste kurz darauf erschossen werden.

Der Wolf kommt der Landeshauptstadt München offenkundig näher. In den bayerischen Voralpen ist das Raubtier schon seit längerer Zeit wieder beheimatet. Im vergangenen Jahr hat ein Exemplar auf einer Weide am Bichlersee in der Gemeinde Oberaudorf im Landkreis Rosenheim mehrere Schafe gerissen. Aying hingegen ist zwar eine noch immer ländlich und landwirtschaftlich geprägte Gemeinde, liegt aber mit S-Bahn-Anschluss direkt vor den Toren Münchens. Seit Beginn des Jahres gab es laut Bayerischem Landesamt für Umwelt zudem vier Verdachtsfälle von Nutztierrissen im Freistaat: Jeweils einen im Landkreis Regen im Bayerischen Wald und im Landkreis Rhön-Grabfeld in Unterfranken sowie zwei im Landkreis Schwandorf.

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"Und vor zwei Wochen gab es bei uns in Aying die Sichtung eines Wolfes. Aber keiner wollte dem Glauben schenken", sagt Michael Riesenberger am Montag. Er macht sich nun Sorgen um die noch lebenden Tiere auf seinem Hof. Insbesondere um die 13 trächtigen Muttertiere, die noch immer auf einer anderen Weide stehen und die er nicht in den Stall holen kann. "Wir können die nicht einfach einfangen, dafür wäre für die Tiere der Stress einfach zu groß", sagt der Landwirt, der mit seiner Frau Patricia Hermann, Sohn Andreas und den Eltern auf dem Hof lebt. "Jetzt warten wir jeden Morgen auf das nächste Massaker, wir können ja nicht die ganze Zeit draußen auf der Weide sein."

Schützen soll die Mutterschafe ein etwa 1,80 Meter hoher Zaun aus einem eigentlich stabilen und sicheren Knotengeflecht. Aber der steht nahe am angrenzenden Wald. "Ich habe den Zaun auch schon kontrolliert, und er ist eigentlich sicher", sagt Michael Riesenberger. "Aber so ein Wolf ist schon ein bisserl sportlicher. Der springt auf den Baum, auf einen Ast und dann auch auf die Weide."

Die Spuren, die der Angreifer hinterlassen hat, deuten auf einen Wolf hin. (Foto: privat)

Die zwei Tiere, die in der Nacht auf Freitag gerissen worden sind, befinden sich derzeit in der tierärztlichen Pathologie des Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit in Oberschleißheim. Dort wird eine DNA-Analyse vorgenommen, mit der ermittelt werden soll, ob es sich tatsächlich um einen Wolf gehandelt hat oder nicht. Dies ist rechtlich so vorgesehen - wie auch alle anderen Schritte, die auf dem Riesenberger-Hof nach der Tötung der Schafe eingeleitet wurden.

"Ein Hund bringt so etwas nicht hin. Fünf Mal den gleichen Kehlenbiss", sagt Riesenberger

Ein Jäger und ein Tierarzt wurden von der Familie sofort hinzugezogen, die Polizei wurde ebenso informiert und herbeigerufen wie das Landesamt für Umwelt (LfU). Die Spuren wurden vermessen, die Tiere untersucht. Auch diejenigen Tiere, die den Angriff überlebt, aber ebenfalls die Spuren einer Attacke aufgewiesen haben. "Und da hat auch der Tierarzt gesagt, dass das die Spuren eines Raubtiers sind, absolut wolfstypisch", sagt Riesenberger. "Ein Hund bringt so etwas nicht hin. Fünf Mal den gleichen Kehlenbiss." Zwei der Schafe, die überlebt haben und nicht getötet werden mussten, sind nun noch im Stall. Bisher hat die Familie darauf verzichtet, sie zu schlachten. "Wir hoffen, dass wir sie durchbringen."

Bis das Ergebnis aus der tierärztlichen Pathologie vorliegt, könne es noch bis Mittwoch oder Donnerstag dauern, sagt Riesenberger, so hätten es ihm die Mitarbeiter des Landesamtes für Umwelt gesagt. Laut LfU dauerte die Untersuchung am Montag noch an, die Proben befänden sich in der Bearbeitung. In der Analyse wird auch geklärt, ob es sich nicht auch um einen sogenannten Wolfshybrid handeln könnte. Die auch Wolfshunde genannten Tiere sind Kreuzungen aus Wölfen und Hunden.

Mit einem Kehlenbiss hat womöglich ein Wolf in der Nacht zum Freitag zwei Schafe auf dem Riesenberger-Hof in Aying gerissen. (Foto: privat)

Wie viele Wölfe es in Deutschland mittlerweile gibt, ist nicht bekannt. Meistens leben die Tiere in Rudeln, davon kommen die meisten in Nord- und Ostdeutschland vor - erste Wolfswelpen wurden in Deutschland nach der Wiederansiedlung im Jahr 2000 geboren. Für Bayern wurden im sogenannten Wolfs-Monitoring für die Jahre 2022 und 2023 zwei Rudel, drei Paare und lediglich ein Einzeltier gezählt.

Auch wenn Michael Riesenberger jetzt um seine Schafe bangt - Angst, dass Menschen angegriffen werden, geht nach dem Vorfall in der Gemeinde Aying nach seinen Worten nicht um. "Viel können wir dagegen nicht machen", sagt er, legt aber auch nach: "Man muss schon die Diskussion führen, ob die Tiere nicht auch abgeschossen werden dürfen. Auch das gehört dazu." Bis dahin muss allerdings erst geklärt werden, ob vor den Toren der Großstadt tatsächlich ein Wolf sein Unwesen treibt.

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