Aying:Eine Schutzschicht für die Via Julia

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Die Archäologen Marcel Troppmann und Simon Otto (von links) legen in Großhelfendorf ein Stück der Römerstraße Via Julia frei. (Foto: Angelika Bardehle)

Bei Bauarbeiten in Großhelfendorf ist ein Abschnitt der Römerstraße freigelegt worden, die Augsburg mit Salzburg verband. Archäologen dokumentieren die Funde, dann verschwindet der antike Kiesweg wieder im Boden.

Von Michael Morosow, Aying

Mit Getöse schiebt ein Bagger dunkles Erdreich zur Seite. Der Fahrer geht dabei äußerst behutsam zur Sache. Vorsichtig trägt er mit der Schaufel die Rotschicht auf dem abgesteckten Gelände ab. Gleich daneben haben sich zwei Männer in die Sitzhocke begeben. Sie interessieren sich vor allem für die Kieselsteine, die an einer Stelle nur etwa 30 Zentimeter unter der Grasnarbe hervorlugen und feucht in der Sonne glänzen. Im Grunde genommen sind es Straßenarbeiten, die hier auf beiden Seiten der Staatsstraße 2078 auf Höhe des Ayinger Gemeindeteils Großhelfendorf verrichtet werden. Doch die fleißigen Männer sind keine Straßenarbeiter, sonder Archäologen. Und die Kieselsteine, die sie mit einer kleinen Spachtel und einem Handbesen freilegen, sind Teil der Römerstraße Via Julia, die einst von Augsburg bis Salzburg befahren wurde, über die aber im Laufe der Jahrhunderte viel Gras gewachsen ist.

Die Gemeinde errichtet im Moment auf der einen Seite der Staatsstraße die Erschließungswege und -anlagen für ein Wohngebiet, auf der anderen Seite wird ein Supermarkt entstehen. Beides auf kommunalem Grund, weshalb die Gemeinde für die Kosten der archäologischen Grabungen aufkommen muss.

Dass die Römerstraße hier unter der Erde schlummert, weiß jedes Kind, das in Großhelfendorf zur Schule geht. "Das haben wir im Heimat- und Sachkundeunterricht gelernt", erinnert sich Bürgermeister Johann Eichler, den die historischen Funde auf Ayinger Flur in jüngster Zeit ebenso elektrisieren wie die Archäologen.

Etwa die sensationelle Entdeckung eines mittelalterlichen Erdstalls im Vorjahr neben dem Friedhof. Eine Untersuchung darin gefundener Kohlereste nach der Radiokarbonmethode brachte kürzlich ans Licht, dass der Erdstall in der Zeit zwischen 1080 und 1160 nach Christus gebaut wurde. Oder die Entdeckung von Grundrissen eines römischen Kastells im Osten von Aying vor wenigen Monaten. Die vermutlich im 3. oder 4. Jahrhundert nach Christus errichtete Anlage soll dereinst 120 bis 160 römischen Soldaten Platz geboten haben. Und jetzt ein weiteres, 70 Meter langes Teilstück der Römerstraße, das nach und nach, Schaufel für Schaufel, Besenwisch für Besenwisch herausgekehrt wird.

Der historische Kiesweg wurde mit Schotter aus der Umgebung befestigt

Es sind keine großen Pflastersteine, wie sie etwa für den Bau der Via Appia verwendet wurden, vielmehr sind es kleine bis mittelgroße Kieselsteine, mit denen die Römerstraße hier auf der Schotterebene befestigt wurde. Die Kieselsteine werden nicht mehr lange in der Sonne glänzen können. Am Ende der archäologischen Arbeiten und der Dokumentation der Funde wird das Teilstück der Römerstraße mit Geotextil bedeckt, über das eine Sandschicht geschüttet wird. So bleibt der antike Verkehrsweg zumindest in seinem Bestand erhalten.

Grabungsleiter Alois Spieleder entfaltet eine selbst gefertigte Karte, auf der das Seitenprofil der Römerstraße abgebildet ist, und deutet auf Vertiefungen, die darauf zu erkennen sind. "Sehen Sie, das sind Spurrillen", sagt der Archäologe. Eisenräder schwerer Karren und Reisekutschen haben sie gezogen. Wann genau der erste Spatenstich war für den antiken Reiseweg, lässt sich nicht auf das Jahr bestimmen. Sicher sei nur, dass Septimus Severus, römischer Kaiser zwischen 194 und 211 nach Christus, die Straße hat reparieren und erneuern lassen, erklärt Alois Spieleder.

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Zum Glück für die historisch interessierte Nachwelt wurden zur Beschaffung von Pflastersteinen für den Bau der Römerstraße Grubenlöcher ausgehoben, die anschließend wieder verfüllt wurden, unter anderem auch mit antikem Schrott, den die Römer darin entsorgten. So fanden die Archäologen Scherben von allerlei Gebrauchsgegenständen und auch ein kleines grünes Glasfragment aus dem Frühmittelalter, wahrscheinlich aus Augsburg stammend.

Was Grabungsleiter Alois Spieleder und sein bis zu achtköpfiges Team außerdem dem Erdreich entlockten, sind Grundrisse einer Handwerkersiedlung mit einer ganzen Reihe von Verhüttungsschlacken. Sie können als Beleg dafür gelten, dass hier bei Großhelfendorf im 7. und 8. Jahrhundert nach Christus Eisen erzeugt wurde. Zumal es in unmittelbarer Nähe Lehmvorkommen gibt, und aus Lehm wurden damals Brennöfen gebaut. Die Arbeiter werden wohl auf der Römerstraße zu ihrer Baustelle gelangt sein, denn die Straße wurde noch über Jahrhunderte nach dem Abzug der Römer genutzt, "auch noch zur Emmeram-Zeit", wie Spieleder anmerkt. Jener Heilige Emmeram ist denn wohl auch der erste dokumentierte Verkehrsteilnehmer, der auf der Römerstraße sein Leben ausgehaucht hat. Im Jahr 680 ist der Bischof auf seinem Weg nach Rom von seinem Häscher, dem Herzogsohn Lantpert, abgefangen und zu Tode gemartert worden.

© SZ vom 18.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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