Seine Vorbereitung auf die Laudatio war von höchster Professionalität gekennzeichnet: Christian Ude stieg in einem niederbayerischen Kurhotel ins Thermalbecken und fragte die umstehenden Senioren: "Zweiunddreißig - wie ging Rosis Nummer gleich noch mal weiter?" Keine Frage, wer denn diese Rosi sei, sondern eine Antwort, die kollektiv und stante pede kam: "Sechzehn acht." Ein älterer Herr aus Nordrhein-Westfallen maulte noch nach: "Das müssten Sie doch eigentlich wissen."
Ja, als langjähriger Oberbürgermeister von München wusste Ude natürlich Rosis Nummer, er hatte nur während der Osterferien dieses Jahres eine "empirisch belegbare, hochaktuelle Untersuchung" vorgenommen, wie er in seiner Laudatio zur Verleihung des Oberbayerischen Kulturpreises an die Spider Murphy Gang erklärte. Die Untersuchung zeigte, dass neben heutigen Gymnasiasten deren Eltern und sogar Großeltern den größten Hit der Spiders "Skandal im Sperrbezirk" gut kennen, und zudem, "dass ihr Volkskulturgut seid".
Eine bayrische Band
Die aktuellen Bandmitglieder, die neben der Schauspielerin Bettina Mittendorfer im Bürgerhaus Haar den seit 1980 vom Bezirk verliehenen Oberbayerischen Kulturpreis erhielten, durften sich noch weitere Elogen aus dem Mund Udes anhören. Sie gilt als die charakteristische "bayrische Band", die als erste den Rock 'n' Roll versiert mit mundartlichen Texten verband und die mit ihrem Interesse am Erotischen, "den Reiz des Verbotenen und die Doppelmoral der Spießer" erfolgreich thematisiert hat.
Ihre größte Zeit hatte die Spider Murphy Gang bekanntlich in den Achtzigern, als sie das Lebensgefühl Münchens und Bayerns über die Grenzen des Freistaates transportierte und viele Auszeichnungen erhielt: "Am meisten imponiert mir der Pop/Rocky-Hammerschlumpf in Bronze" frotzelte Ude. Zu den bleibenden Verdiensten der Band rechnete er auch, dass sie mit ihrem Song "Schickeria" klar machte, wo die gesellschaftliche Grenze in Schwabing und Co. verlief: dass nämlich die echten Münchner solche Schampus saufenden "Superstars" als Fremdkörper betrachteten. Die Band wird heuer 40, mit Sänger Günther Sigl und Gitarrist Barny Murphy sind noch zwei Gründungsmitglieder aktiv - daneben gehören Ludwig Seuss, Otto Staniloi, Willie Duncan und Andreas Keller zur Besetzung. In den vergangenen Jahren haben sich die Spiders nicht unbedingt mit innovativen Schöpfungen hervorgetan, aber sie seien jetzt eben Klassiker, die ihre eigenen Klassiker spielten, wie Ude meinte.
"Wir sind erwachsen geworden", erklärte Barny Murphy - aber das kann er nicht ernst gemeint haben. Er und Sigl haben immer noch diese verschmitzte, lausbübische Art, die so charakteristisch bayerisch ist. Als Sigl bei der Danksagung feststellt, dass das Rednerpult zu groß für ihn ist und er sich strecken muss, um das Mikrofon zu erreichen, sagt er nur: "Scheiße, I kann net lang reden. I steh auf Zehenspitzen." Er ist freilich Rampensau genug, um dann doch noch mit rhetorischem Schalk die Eröffnung des Buffets länger hinauszuzögern. "Wir waren nie eine Band fürs Feuilleton. Aber wir waren immer Publikumslieblinge", zeigt er Stolz auf das Erreichte.
Absolute Innigkeit und suchende Distanz
Der zweiten Preisträgerin Bettina Mittendorfer dürften ebenfalls die Ohren geklungen haben, bei all den warmen Worten, die ihr Laudator, Martin Gruber, Professor für Bewegung an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch in Berlin, widmete. Er bezeichnete die gebürtige Niederbayerin, die am Chiemsee lebt, und durch Filme wie "Eine ganz heiße Nummer", Serien wie "München 7" bekannt wurde, aber auch als Theaterschauspielerin ist und mit szenischen Lesungen reüssierte, als "wunderbares Gewächs" (sie ist gelernte Floristin), das wichtig für Luft und Kultur eines Landes sei. "Absolute Innigkeit und suchende Distanz in seiner höchsten Form" attestierte er ihr. Und dass sie dem Bairischen feinste Nuancen abzulauschen vermöge.
Die so Geehrte befleißigte sich denn in ihrer Dankesrede vor illustrem Publikum - Künstler, Politiker und andere Honoratioren waren zugegen - des heimischen Dialekts: "Ich könnte jetzt auch Hochdeutsch reden, aber I sogs liaba auf Bairisch, weil, des kommt von Herzen." Richtig herzhaft war freilich auch der Applaus für die Preisträger.