Vernissage:Richtungsweisende Rebellinnen

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Den eigenen Weg gehen, ob als Künstlerin und Stilikone wie Marlene Dietrich oder als authentische Moral-Instanz wie Margot Käßmann. Die Ausstellung in Taufkirchen zeigt unterschiedliche "Rebellinnen". (Foto: Sebastian Gabriel)

Eine Wanderausstellung in der VHS Taufkirchen porträtiert 30 Frauen, die auf ihre Art die Welt verändert haben. Neben historischen Figuren sind auch zeitgenössische Protagonistinnen darunter. Angela Merkel hingegen wollte nicht Teil der Werkschau sein.

Von Clara Müller, Taufkirchen

"Die Ausstellung erinnert mich daran, wie sehr meine Frau meine Welt verändert hat, als ich sie kennenlernte", sagt Ullrich Sander. Mit diesen durchaus romantischen Worten eröffnet der Taufkirchner Bürgermeister am Dienstagabend die Wanderausstellung "Rebellinnen - Frauen verändern die Welt" in der Volkshochschule der Gemeinde. Die Schau stellt 30 Frauen vor, die für ihre Überzeugungen und Rechte kämpften und die Gesellschaft prägten. Einige unter ihnen tun dies heute noch, denn neben Sophie Scholl, Clara Schumann, Marlene Dietrich oder Aenne Burda reihen sich die Journalistin Dunja Hayali, die ehemalige Fußballtorhüterin Nadine Angerer und die Theologin Sarah Vecera unter die Porträtierten ein.

"Ich finde das Thema wichtig, gerade jetzt kurz vor der Wahl", sagt Silvia Engelhardt, Leiterin der VHS, die die Wanderausstellung nach Taufkirchen geholt hat. "Frauen sind in der Politik leider immer noch unterrepräsentiert." Wenn man die Geschichte starker Frauen nicht wieder herauskrame, drohe sie in Vergessenheit zu geraten. Dem möchte Engelhardt entgegenwirken. "Viele Sachen werden mir erst jetzt richtig bewusst", gesteht sie. "Die Geschichte von Wibke Bruhns beispielsweise zeigt, was es bedeutete, zu ihrer Zeit Nachrichtensprecherin gewesen zu sein."

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Sanders Dank gilt dem VHS-Team, das ihm mit den Porträts auch einige neue Namen vorgestellt hätten. Liselotte Nold (1912 bis 1978), die sich als junge Witwe der Arbeit mit Frauen widmete, oder Elisabeth Schwarzhaupt (1901 bis 1986), die erste Bundesministerin in der Geschichte der Bundesrepublik (Gesundheit), waren ihm nach seinen Worten vorher gänzlich unbekannt. "Es gibt Frauen in der Ausstellung, die Sie vielleicht erst heute und hier kennenlernen", sagt Ausstellungsmacherin Claudia Schreck vom Evangelischen Presseverband. "Denn auch unsere Geschichtsschreibung ist von einer Männerzentriertheit geprägt."

Er selbst, sagt Taufkirchens Bürgermeister, assoziiere mit Rebellinnen Frauen wie Marie Curie, Mutter Teresa, Indira Gandhi und Romy Schneider. "Wir können leider nicht alle Frauen und ihre Geschichte abdrucken", sagt Schreck. "Hunderte Frauen kamen in Frage. Um die Auswahl etwas zu erleichtern, haben wir uns auf den deutschsprachigen Raum konzentriert und darauf geachtet, jeden Lebensbereich abzudecken."

Starke Frauen, starke Sprüche: Kuratorin Claudia Schreck, die Geschäftsführerin der VHS Taufkirchen Silvia Engelhardt, Jutta Werner, Duygu Uysal und Andrea Simmel (von links). (Foto: Sebastian Gabriel)

"Die Frauen in unserer Ausstellung haben nicht gewaltsam zur Waffe gegriffen, aber die Reaktionen auf ihr Handeln sind interessanterweise oft so vehement, als hätten sie es getan", sagt die Kuratorin. Den Rebellinnen ist in der VHS der große, helle Raum unter den Dachschrägen gewidmet. Hier stehen ihre Porträts auf Staffeleien oder hängen an den Wänden. "Es gibt so viele starke Frauen, dass unser Raum nicht ausreicht", sagt Silvia Engelhardt. Weitere Biografien mussten in den zweiten Stock weichen - und weitere Rebellinnen gibt es digital im Netz.

Die Frauenporträts stoßen vor allem bei weiblichen Besuchern auf Interesse. Unter den rund 30 Gästen kann man die Anzahl an Männern an einer Hand abzählen. "Wir haben überlegt, ob Männer überhaupt kommen dürfen", so eine Besucherin, die dann doch in Begleitung ihres Partners auftaucht. Dieser freut sich besonders, dass Margot Käßmann porträtiert ist. "Die finde ich mega", so seine Meinung über die evangelische Theologin und ehemalige EKD-Ratsvorsitzende.

Jeder Besucher darf abstimmen, wen er für eine Rebellin hält. (Foto: Sebastian Gabriel)

Eine weitere Besucherin findet schön, dass die historische Ausstellung auch in die heutige Zeit schaut. "Mit meinen 87 Jahren habe ich einiges erlebt", sagt sie. Ihr Blick schweift auf die Plakate mit Klimaaktivistin Luisa Neubauer und Autorin Margarete Stokowksi, prägend für den modernen Feminismus. "Jetzt muss man in die Jugend Vertrauen haben."

Bei der Frage nach ihrer persönlichen Rebellin sind die Gäste gefordert, ihre Antwort auf ein Plakat zu schreiben. Am Ende des Abends stehen dort etwa Kleopatra, Hildegard von Bingen, Anne Frank sowie auf einem Zettel handschriftlich: "Top-Juristin (kürzlich verstorben, Doppelname) ...Gutsmiedl-...???". Die Frau hat wohl Eindruck hinterlassen, ihr Name weniger. Es könnte sich um Lore Maria Peschel-Gutzeit handeln, die sich in den Sechzigern für das Recht auf Teilzeitarbeit und Familienurlaub einsetzte.

Die Ausstellungsmacherinnen hatten im Übrigen auch Angela Merkel angefragt. Die Bundeskanzlerin a. D. wollte laut Schreck aber nicht Teil der Ausstellung sein - sie sähe sich nicht als Rebellin.

Die Wanderausstellung ist eine Leihgabe des Evangelischen Presseverbands und wird durch das bayerische Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales gefördert. Sie ist bis zum 27. Oktober in den Räumen der Volkshochschule im Ahornring 121, 82024 Taufkirchen zu sehen.

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