SZ-Adventskalender für gute Werke:Seit zwei Jahren nur Absagen

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Katya und Angel Hodzha haben sich in der Obdachlosenunterkunft eingerichtet. Doch sie wünschen sich ein anderes Umfeld für ihre Tochter. (Foto: Robert Haas)

Angel und Ktya Hodzha leben in Planegg mit ihrer Tochter in einer Obdachlosenunterkunft. Eine Wohnung zu finden, erweist sich als unmöglich: Weil sie aus Bulgarien stammen, winken Makler und Vermieter sofort ab.

Von Annette Jäger, Planegg

Ein Zimmer mit einem kleinen Vorraum ist das Reich von Angel Hodzha, 22 Jahre, und seiner gleichaltrigen Frau Katya. Der Fernseher läuft, auf dem Doppelbett schläft ihre dreijährige Tochter Hayat. Die Mutter legt eine Decke über sie. Rosa ist die Decke, rosa ist der Schlafanzug der Tochter, rosa ist die Decke über der Couch im Vorraum. An dem weißen Kleiderschrank im Zimmer kleben zwei Schmetterlinge, ein weißes Gitterbett steht in der Ecke, alles ist blitzsauber und aufgeräumt. Es ist ein kleines Reich, aber es liegt am falschen Ort: Es sind 1,5 Zimmer in der Obdachlosenunterkunft in Planegg.

Schon seit zwei Jahren wohnt die Familie in der Unterkunft an der Pasinger Straße. Das eigene Zimmer ist viel wert, aber die Unterkunft kein Umfeld, in dem man ein Kind aufziehen möchte. Es leben auch andere Obdachlose in der Unterkunft, manche machen nachts laut Musik, sagt Angel Hodzha, rauchen in der Gemeinschaftsküche, obwohl das nicht erlaubt ist, poltern die Treppen nach oben, trinken Alkohol. Das Bad müssen sich die Hodzhas mit den anderen teilen.

Ende 2016 kam das junge Paar aus Bulgarien nach Deutschland, in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft. In Bulgarien gebe es keine Arbeit, sagt Angel Hodzha. Für ihre kleine Familie - Hayat wurde schon in Deutschland geboren - wünschten sie sich aber eine bessere Chance, eine gute Schule, die Möglichkeit, zum Arzt zu gehen.

Das Paar kam in einem Zimmer im Gasthof zur Eiche in Planegg unter, als der Gasthof abgerissen wurde, siedelten sie in die Obdachlosenunterkunft an der Pasinger Straße um. Dass es so schwierig sein würde, eine Wohnung zu finden, hatte sich das Paare nicht vorgestellt. Die Hodzhas stehen auf der Warteliste für eine Gemeindewohnung, doch fünf Jahre Wartezeit ist das Minimum.

An der zu zahlenden Miete liege es nicht, dass sie keine Wohnung finden, sagt Angel Hodzha. Er verdient genug, findet er. Er hat einen festen Job bei einer Reinigungsfirma, putzt Fenster, Züge, macht Winterdienst, kehrt auf Baustellen. Zusätzlich reinigt er nach Feierabend noch über zwei Mini-Jobs Büros, manchmal hilft seine Frau mit. Wenn es gut läuft, verdient er 2400 Euro netto im Monat. Bald kann seine Frau auch arbeiten gehen, wenn die kleine Hayat in den Kindergarten kommt.

Das Problem an der Wohnungssuche ist, dass er gar nicht erst zu Besichtigungsterminen eingeladen wird. An die 1000 Mails hat der junge Mann geschrieben und sich für Wohnungen beworben. Doch seine Nationalität genügt, um bei Vermietern und Maklern Vorurteile zu schüren und sich eine Absage einzuhandeln. Hinzu kommt das Einkommen, das den Maklern nicht ausreicht. "Sie verlangen, das Dreifache der Miete zu verdienen", sagt Tanja Fees von der Wohnungsnotfallhilfe der Arbeiterwohlfahrt Kreisverband München-Land, die für die soziale Beratung in der Unterkunft zuständig ist.

Das Paar habe keine Schulden, keinen Schufa-Eintrag und erhalte dennoch keine Chance, zumindest einen Vermieter kennenzulernen, um ihn von sich zu überzeugen, sagt Fees. Es scheitert schon an den Maklern, die das Paar "von oben herab behandeln" - den Ausdruck hat Angel Hodzha schon gelernt.

Den Gang etwas weiter runter in der Obdachlosenunterkunft wohnt eine zweite bulgarische Familie. Asen Angelov, 30, mit seiner Frau Anelia Karaslavova, 31, und den beiden Söhnen Julian, zehn Jahre, und Ebubekir, vier Jahre. Das dritte Kind ist unterwegs, noch zwei Monate, dann wird die Obdachlosenunterkunft das erste Zuhause für das Baby sein. Die Familie teilt genau dasselbe Schicksal, auch sie hat erst im Gasthof zur Eiche gewohnt und musste dort ausziehen.

Asen Angelov hat seit kurzem einen Teilzeitjob, er verdient 800 Euro mit Winterdienst, befreit Bahnsteige und Treppen der S-Bahnhöfe von Schnee, so es denn mal schneit. Das Job-Center stockt seinen Verdienst auf. Auch die Miete für eine Wohnung würde es übernehmen, sagt Angelov. Aber er findet nichts, auch seine Familie steht auf der Warteliste für eine Gemeindewohnung.

Sohn Julian besucht seit vier Jahren die Grundschule in Planegg. Mit Freunden spielt er nur in der Schule, sie nachmittags zu sich einzuladen - das gehe nicht, sagt der Junge. Einen Schreibtisch, an dem er Hausaufgaben machen könnte, gibt es nicht, dafür ist kein Platz. Und in der verrauchten Gemeinschaftsküche ist Konzentration nicht möglich. "Den Kindern wird viel verbaut", sagt Tanja Fees.

Gefragt nach ihren Wünschen, zeigen sich beide Familien bescheiden. Vielleicht neue Kleidung für die Buben und seine Frau, sagt Angelov. Der dringendste Wunsch ist eine Wohnung. Vier Wände, die wirklich das eigene Reich sind.

© SZ vom 12.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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