Kritik:Umjubeltes Ensemble

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Der Nachwuchs des Opernstudios der Staatsoper glänzt in Joseph Haydns "L'infedeltà delusa" im Cuvilliéstheater - die Inszenierung jedoch wirkt missglückt.

Von Paul Schäufele, München

Wie es sich für eine Komödie gehört, wird am Ende mehrfach geheiratet. Alles gut? In Marie-Eve Signeyroles Inszenierung von Joseph Haydns "L'infedeltà delusa" (Die vereitelte Untreue) im Cuvilliéstheater bleiben Zweifel und Verzweifelte, denn ihr Versuch, die 1773 uraufgeführte Burletta zu aktualisieren, wird vor allem mit Buh-Rufen quittiert - neben berechtigtem Jubel für das Ensemble des Opernstudios, des Nachwuchsprogramms der Staatsoper.

Haydn-Biograf Ludwig Finscher hat die Oper prägnant charakterisiert: "Alles (außer den beiden Finali) ist zu lang." Vom Orchestergraben aus wird dem mit straffem, spannungsreichem Dirigat von Giedrė Šlekytė begegnet. Die Dramaturgie dagegen verzettelt sich in Kleinigkeiten. Die Gefahr besteht, schließlich liefert die Handlung nicht viel Brisanz: Sandrina liebt Nanni, soll aber mit Nencio verheiratet werden. Dem ist das recht, er möchte aber seine Geliebte Vespina behalten. Die verkleidet sich mehrmals und arrangiert, dass am Ende doch die sentimental kompatiblen Paare zusammenkommen. Signeyroles Idee, das ganze Personal in ein Mädcheninternat zu verlegen, ist nicht unsympathisch und liefert ein schönes, für Haydn-Opern ungewöhnlich düsteres Bühnenbild (Fabien Teigné).

Hochkomik à la "Hanni und Nanni"

Doch darin liegt das Problem. Die Düsternis, die Signeyrole sucht, ist in Haydns Oper nicht zu finden. "L'infedeltà delusa" ist ein ironiefreies, wenn auch fabelhaftes Stück musikalischer Hochkomik und damit näher an "Hanni und Nanni" als an Musils "Törleß". Daran ändern auch die Videoprojektionen über der Bühne nichts, die über Hintergrundgeschichten Tiefe erzeugen wollen, wo keine ist. Dass die Bass-Rolle Nannis ersetzt wird durch einen Mezzosopran, macht das Missverständnis der Regie überdeutlich. Die tatsächlichen Konfliktfelder werden denn auch fast völlig ausgeblendet, so die materielle Begründung der Ehe (Nencio ist reich) oder eine Infragestellung der Gattenliebe als Ehe-Fundament (1773 war dies eine Diskussion wert).

Aber sei's drum - diese jungen Sängerinnen und Sänger verdienen es allemal, gehört zu werden. Jessica Niles zwitschert agil als Sandrina, beherrscht ebenso bravourös die große Form der Koloraturarie; Emily Sierra hat die undankbare Rolle der Nanni, findet darin aber einen dringlichen Ton; Joel Williams (Nencio) verfügt über einen warmen, in der Höhe soliden Tenor, der dem weinerlichen Bauern perfekt passt; Jasmin Delfs übertrifft sich als Vespina mit großem, flexiblem Sopran und lustvoller Schauspielkunst. Also, um ein Fazit zu wagen: sehr empfehlenswert, um ein brillantes Nachwuchsensemble kennenzulernen.

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