Kunst:Die Psyche von Handtaschen

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Geschäfte im Münchner Luitpoldblock überlassen einen Teil ihrer Schaufenster und Außenvitrinen jungen Künstlerinnen und Künstlern als Ausstellungsfläche - und die greifen lustvoll-ironisch in die Gestaltung ein

Von Evelyn Vogel

Die Idee stammte noch aus dem Winter-Lockdown, und doch hatten alle Beteiligten sich gefreut, dass die Aktion unter gelockerten Bedingungen stattfinden konnte: Der Luitpoldblock, jene Ansammlung von Fachhändlern im Karree zwischen Brienner- und Jungfernturmstraße, Amira- und Maximiliansplatz, der seit Jahren mit Kunst, Kultur und Architektur neue Begegnungsräume schafft, lud junge Künstlerinnen und Künstler ein, sich die Schaufenster anzueignen. Dafür gab es ein Produktionsbudget und ein Honorar. Einzige Bedingung: Die Kunstschaffenden sollten aus München stammen und unter 40 sein.

Bühne frei für Anna McCarthy und Paulina Nolte und ihrer filmischen Installation "Bloodless Boutique". (Foto: Constantin Mirbach)

13 Künstler und Künstlerduos wurden angefragt, elf sagten zu und machten sich an die Umsetzung. Initiiert und organisiert von dem in München und Berlin tätigen Kurator Christian Ganzenberg wurde der Plan in nur drei Wochen realisiert. "Around the Block" heißt die Aktion und sie macht seither aus acht jederzeit einsehbaren Schaufenstern und Vitrinen in und um den Block sowie dem zentralen Pool im Palmengarten eine Ausstellung auf Zeit.

Eines ist anders als bei den Kunstschaufenstern, die in den vergangenen Monaten entstanden sind: Die Fenster wurden den Künstlern nicht ausschließlich als Displays überlassen, sondern die künstlerischen Interventionen zielen direkt auf und teilen sich den Platz mit den Produkten. Da fürchtet man schnell, dass die Kunst nur zur Deko verdammt sein könnte. Dass das nicht geschen ist, ist zum einen der Überzeugungskraft der Macher und der Bereitschaft der Ladenbesitzer zum Experiment zu verdanken. Zum anderen und vor allem aber dem lustvoll-ironischen Umgang der Künstler mit Produkten, die aus dem gehobenen und Luxussegment stammen. Man würde sich wünschen, es gäbe eine Maximilianstraßen-Initiative, die ähnliches auf die Beine stellen würde. Wie Gucci & Co. dabei wohl wegkommen würden?

Eine wunderbare Arbeit im Luitpoldblock ist die von Anna McCarthy und Paulina Nolte. Sie haben eine von schwerem Stein gerahmte, fast schon monströse Vitrine im Außenbereich zur schwülstig-opulenten Bühne in Rosa und Orange umgestaltet. Die Verkaufsobjekte, edle Handtaschen, wirken wie die Deko für den gezeigten Film, den ersten Teil von "Bloodless Boutique" von 2019. Darin entfaltet sich, gespielt von den beiden Künstlerinnen, ein herrlich skurriler Dialog zwischen zwei sehr versnobten Damen über - die Psyche von Handtaschen, was sonst. Der Ton ist über einen QR-Code am Fenster abrufbar.

Kalas Liebfried transferiert mit seiner neu entstandenen Arbeit "Petrified Visions in the Circular Air" das Credo der Lichtdesigner "a new culture of light" in eine von Licht umgebene Installation mit Sound: einem Loop des Songs "There is a light that never goes out ..." der britischen Indie-Rockband The Smiths.

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(Foto: Conny Mirbach)

"Nothing left" von Paul Valentin im trocken gelegten Brunnen im Palmengarten.

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(Foto: Conny Mirbach)

"Petrified Visions in the Circular Air" von Kalas Liebfried.

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(Foto: Conny Mirbach)

Eine der "Solid Cats" von Jonathan Penca.

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(Foto: Conny Mirbach)

Der Wandteppich von Stefan Fuchs.

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(Foto: Conny Mirbach)

"Unzulängliche Objekte / Objekte der Unzulänglichkeit" von Jan Erbelding.

Jonathan Penca lässt monstermäßig und archaisch anmutende "Solid Cats" aus Papiermaché, die auch als Bühnenfiguren aktivierbar sind, vor feinem Tuch patrouillieren. Stefan Fuchs paraphrasiert auf einem Wandteppich die propagierten Schönheitsideale der hinter dem Teppich verborgenen Produkte. Jan Erbelding bezieht sich mit den "Unzulänglichen Objekten / Objekte der Unzulänglichkeit" auf die edlen Drucksachen des Schaufensters. Stephan Janitzky & Laura Ziegler schicken im Salon Pauli im ersten Stock die romantisiert-verwilderte Erscheinung eines Zier-Eremiten und eines exotischen Gürteltiers auf den Catwalk. Fiona Ones lenkt mit ihrer zarten Papierarbeit "I was lying in the woods and was searching for the sun" den Blick von den handwerklich gearbeiteten Objekten auf die künstlerische Handarbeit. Paul Valentin hat den Brunnen des Palmengartens im Café Luitpold trockengelegt und dazu passend einen Teil seiner tief philosophischen Arbeit "Nothing left" installiert. Maria VMier schließlich hat eine Arbeit geschaffen, die die Besucher des Ladens mit nach Hause nehmen: handbedruckte Blumenseide mit Zeichnungen sowie Sprüchen der Dichterin Sappho. Eine Liebeserklärung an die Kunst.

Around the Block , Luitpoldblock, bis Mitte April, Infos unter www.luitpoldblock.de

© SZ vom 30.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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