Kulturzentrum der Israelitischen Kultusgemeinde:Für eine offene, demokratische Gesellschaft

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Blick auf das Jüdisches Gemeindezentrum und die Münchner Synagoge. (Foto: Catherina Hess)

Das Kulturzentrum der Israelitischen Kultusgemeinde spiegelt seit seiner Gründung alle bedeutsamen Ereignisse für die jüdische Gemeinschaft in Deutschland.

Von Helmut Zeller

"Zusammen leben" - das Motto des viertägigen Jüdischen Gemeindetags, der am Sonntag in Berlin zu Ende ging, drückt auch den Leitgedanken des Kulturzentrums der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern (IKG) aus. Seit nunmehr 40 Jahren bietet die Leiterin Ellen Presser ein Programm, das die Vielfältigkeit jüdischen Lebens und seiner Geschichte nach innen wie nach außen - deren Stärke und Bedeutung für eine offene, demokratische Gesellschaft - sichtbar macht. Von Anfang an. Das Kulturzentrum spiegelte alle bedeutsamen Ereignisse für die jüdische Gemeinschaft in Deutschland seit 1945 - und initiierte aufklärende Dialoge darüber mit der nicht jüdischen Mehrheit.

Eine große Rolle spielte die Wiedervereinigung, auch die zahlreichen antisemitischen Skandale haben einen Niederschlag im Programm gefunden, etwa 1985 Fassbinders "Der Müll, die Stadt und der Tod", 1987 der Börneplatz-Skandal in Frankfurt, als die Stadtwerke archäologische Funde des einstigen Judenghettos für ihr Bauvorhaben aus dem Weg schaffen wollten, oder 1998 Martin Walsers antisemitische Rede zur Verleihung des Friedenspreises.

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Die große Zäsur brachte das Ende der Sowjetunion in den 1990er-Jahren, der Exodus von Juden, die vor dem Antisemitismus in den ehemaligen Sowjetrepubliken flüchteten. Sie verdoppelten die Mitgliederzahl der jüdischen Gemeinde, die inzwischen von Rang drei zur größten Gemeinde der Bundesrepublik aufgestiegen ist. Presser veranstaltete russischsprachige Kulturabende mit vielen Künstlern und Autoren, etwa Friedrich Gorenstein, Wladimir Woinowitsch, dem gefeierten Benjamin Smechov oder der Schriftstellerin Ljudmila Ulitzka . Damals wusste man nicht einmal, wie man ihren Namen buchstabiert , heute ist sie in Deutschland ein Star.

München war immer eine Zuwanderungsstadt, sie zog im 19. Jahrhundert Menschen aus der Provinz an, aus Schwaben und Ostfranken oder auch Osteuropa. Am Ende des Zweiten Weltkriegs wurden im Münchner Umland die letzten Außenlager des Konzentrationslagers Dachau befreit, fanden die Todesmärsche der Häftlinge ihr Ende. Nach Kriegsende kamen Flüchtlinge aus ganz Osteuropa, auch später - nach dem Ungarnaufstand in den 1950er-Jahren oder 1968 Juden aus Polen und der Tschechoslowakei. "Das hat uns und unseren Blick auf die Kulturarbeit geprägt", sagt Presser.

An die 80er-Jahre erinnert sich Presser so: "Wir waren unsichtbar, als ob wir eine Tarnkappe getragen hätten, aber nicht freiwillig, alle Einrichtungen waren kriegsbedingt zerstört und provisorisch genutzt, nicht als Dauerlösung gedacht." München war eine Transitstation, aber dann wurde daraus ein Provisorium auf Jahrzehnte. Mit dem Umzug 2007 in das Gemeindezentrum am St.-Jakobs-Platz kamen viel mehr Wahrnehmung von außen und wunderbare, große Säle, in denen sie mit viel mehr Außenwirkung als früher mit ihren Kulturveranstaltungen auftreten konnte.

"Zusammenleben - aber wie?" fragte Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland - in einer Zeit, da nach dem 7. Oktober offener Judenhass und Israelfeindlichkeit aufgeflammt sind. "Wir Juden werden uns nicht unterkriegen lassen. Niemals!" Dafür steht das Kulturzentrum München. Zum Vorteil aller, auch der nicht jüdischen Deutschen.

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