Geldfälscher:Falschgeld-Razzien in ganz Europa

Lesezeit: 3 min

(Foto: Jens Wolf/dpa)
  • Ein 33-Jähriger Österreicher soll selbst produzierte Zehn-, 20- und 50-Euro-Noten in den Zahlungsverkehr gebracht haben.
  • Bei einer europaweiten Razzia machte die Polizei Jagd auf mutmaßliche Käufer, es gab insgesamt 300 Durchsuchungen.
  • Je nach Qualität der Scheine verlangte der inzwischen geständige Tatverdächtige zwischen 15 und 40 Prozent des aufgedruckten Wertes.

Von Martin Bernstein

Fühlen, sehen, kippen: Experten sagen, dass Falschgeld so zu erkennen ist. Doch wer hat - beispielsweise im Getümmel eines Oktoberfestzelts oder im Gedränge auf dem Christkindlmarkt - schon Zeit für so etwas? Von technischen Kontrollen ganz zu schweigen. Falschgeldfahnder des Bayerischen Landeskriminalamts (LKA) haben in dieser Woche zumindest die Gefahr verringert, dass "Blüten" in den vorweihnachtlichen Umlauf kommen.

Im Zuge einer europaweiten Razzia wegen Falschgeldhandels hat es auch in Deutschland in allen Bundesländern Durchsuchungen gegeben. Es habe insgesamt 178 Durchsuchungen bei 160 Tatverdächtigen gegeben, teilten die federführende Zentralstelle Cybercrime Bayern und das bayerische Landeskriminalamt am Freitag in Bamberg und München mit. Dies waren mehr als die Hälfte der europaweit 300 Durchsuchungen bei der Razzia.

In München durchsuchten die Beamten acht Wohnungen auf der Suche nach falschen 50-, 20- und 10-Euro-Noten. Einer der verdächtigen Münchner hatte noch 14 falsche Fünfziger zu Hause herumliegen. Die anderen hatten ihre Blüten schon in Umlauf gebracht. Bayernweit wird gegen 24 Tatverdächtige ermittelt. Sie alle hatten das Falschgeld im Darknet gekauft - bei einem inzwischen 33-Jährigen aus Leoben in der Steiermark. Am 26. Juni war der festgenommen worden.

Hologramme aus chinesischer Produktion

Die Aushebung der Fälscherwerkstatt in Österreich brachte den Stein ins Rollen. "Operation Green Heart" lautete der Codename für die Razzia - weil die Steiermark als das "grüne Herz" Österreichs gilt. Fahnder-Poesie. Dass es am Mittwoch die Münchner LKA-Experten (zusammen mit zwölf Staatsanwälten der Zentralstelle Cybercrime in Bamberg) waren, die insgesamt 178 Durchsuchungen in allen Bundesländern koordinierten, liegt am Vertriebsgebaren des steirischen Fälschers. Um die bestellten Blüten im Nennwert von 500 000 Euro zu seiner Kundschaft zu bringen, fuhr dieser öfter über die Grenze ins bayerische Freilassing und benutzte dort Packstationen der Deutschen Post.

Die gefälschten Scheine, die der 33-Jährige offenbar im Alleingang am heimischen Rechner gestaltet, dann ausgedruckt und mit Hologrammen aus chinesischer Produktion versehen hatte, bot er anschließend über illegale Darknet-Marktplätze an. Seine Kunden, die meist nur kleine Stückzahlen orderten, kamen nicht nur aus der Alpenrepublik und aus Bayern, sondern aus ganz Europa. In die internationale Großrazzia schaltete sich deshalb Europol in Den Haag ein. Koordiniert von der europäischen Polizeibehörde filzten seit Montag mehr als tausend Fahnder in 13 Staaten rund 300 Wohnungen.

In Deutschland stehen 160 Menschen im Verdacht, Blüten bei dem mittlerweile geständigen 33-Jährigen geordert zu haben. Offenbar gelangen dem nicht alle Fälschungen gleich gut. Je nach Qualität der Scheine verlangte der Österreicher zwischen 15 und 40 Prozent des aufgedruckten Wertes. Außer Bayern mit 29 Wohnungen war Nordrhein-Westfalen (43 Durchsuchungen) ein Schwerpunkt der Aktion. 150 Ermittler waren im Freistaat im Einsatz, 900 waren es bundesweit.

Bei der Razzia wurden nach Angaben aus der Münchner Behörde neben falschen Euronoten auch geringe Mengen Betäubungsmittel wie Marihuana, Ecstasy oder LSD sichergestellt. Außerdem fanden die Ermittler nach dem Waffengesetz verbotene Butterfly-Messer und beschlagnahmten Bargeld. Ein 53-Jähriger aus dem Raum Regensburg wurde festgenommen. Gleichzeitig durchsuchten LKA-Falschgeldexperten in einem zusätzlichen Ermittlungsverfahren drei weitere Wohnungen im Landkreis Dachau, eine in München und eine bei Kitzingen.

300 000 gefälschte Geldscheine in sechs Monaten

Wie bei der gleichzeitigen Anti-Mafia-Razzia war auch in diesem Fall die grenzüberschreitende europäische Zusammenarbeit entscheidend. "Die steigende Nutzung von Internet- und Darknetdiensten hat markante Veränderungen bei der Bekämpfung der Geldfälschung zur Folge", sagte ein LKA-Sprecher am Freitag. Die Durchsuchungsaktion habe gezeigt: "Die vermeintliche Anonymität in Darknet-Marktplätzen wird durch eine effektive nationale und internationale Zusammenarbeit der Strafverfolgungsbehörden durchbrochen."

Zuletzt war LKA-Ermittlern im Mai ein Schlag gegen die internationale Geldfälscherszene gelungen. Der Vertrieb der Blüten funktionierte da aber noch ganz konventionell - im Kofferraum. Polizisten nahmen damals drei Tatverdächtige in Unterföhring fest, die sich die Blüten zuvor in Neapel besorgt und über die Grenze nach Bayern gebracht hatten. Einer der Verdächtigen hatte das Falschgeld im Auto liegen. In seinem Gepäck fanden die Ermittler 1500 Banknoten im Gesamtwert von 100 000 Euro. Seine beiden Komplizen wurden kurz danach in einer Osteria in der Nähe geschnappt.

Im Jahr 2017 wurden allein in Bayern etwa 10 000 gefälschte Banknoten sichergestellt. Im gesamten Euroraum wurden im ersten Halbjahr 2018 bereits rund 300 000 gefälschte Geldscheine aus dem Verkehr gezogen.

© SZ vom 08.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusDarknet
:Auf der dunklen Seite

Alexander U. ist 25, als er im Darknet eine Plattform gründet, auf der auch mit Drogen, Waffen und Falschgeld gehandelt wird. Über einen Studenten mit zwei Leben, und die Jagd der Ermittler nach seiner Identität.

Von Ronen Steinke und Hakan Tanriverdi

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: