Konzertreihe in München:Biedermeier für Freidenker

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Das "Minguet Quartett" gastiert in den großen Konzertsälen der Welt - doch nun darf sich Grafing über einen Besuch freuen. (Foto: Irena Zandel/oh)

Das 17. Adevantgarde Festival will die Erfahrungen der Corona-Jahre musikalisch auf ihre Salon-Tauglichkeit prüfen.

Von Harald Eggebrecht

Der Gedanke, dass der in den zwei Jahren der Corona-Pandemie ungewollte, aber erzwungene Rückzug in die eigenen vier Wände für Musiker, auch an Zeiten des Biedermeier und seiner Innerlichkeit oder auch an die Tradition der Salonmusik anknüpfen könnte, ist apart.

Wer während der Pandemie nun Sänger und Sängerinnen, Pianisten, Streicher, Bläser und andere Musiker und Musikerinnen wohl oder mehr übel auf dem Bildschirm in ihren Wohnzimmern, oder anderen Privaträumen sah, ihre manchmal verzweifelten Bemühungen, die kalte Distanz zwischen ihnen und dem unsichtbaren Publikum irgendwie zu überwinden, der hatte gewiss Mitleid. Doch was da mehr oder weniger gut aufgenommen erklang, hatte kaum etwas von Intimität oder Innerlichkeit an sich, als vielmehr etwas von verzweifelter Kontaktaufnahme und Hilferufen.

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Auch die wenigen öffentlichen Konzerte in den Coronajahren hatten etwas nahezu Unwirkliches, weil das schüttere Publikum über den jeweiligen Saal in gebührenden Abständen verteilt wurde. Man konnte das Gefühl haben, man sei mit den Musikern auf dem Podium gewissermaßen allein. Echte Kommunikation zwischen Bühne und Parkett wollte sich da kaum einstellen.

All das möchte das 17. Adevantgarde Festival unter der künstlerischen Leitung der Komponisten Markus Lehmann-Horn und Alexander Strauch an sieben Abenden zwischen 17. Juni und 2. Juli unter dem Obertitel "Bieder_Meier_X" "reflektieren", so der Prospekt des Festivals. An vier Spielorten - Seidlvilla, Schwere Reiter, Bayerische Akademie der Schönen Künste, Einstein Kulturzentrum - möchte man "das Private wieder mit dem Öffentlichen konfrontieren". Es sollen sich "entfernt vom Klischee und hinweg über die Grenzen von Raum und Zeit ... Biedermeier, Vormärz, Gegenwart und Zukunft begegnen".

Das Kölner Trio Abstrakt experimentiert am 24. Juni im Schwere Reiter gemeinsam mit dem Ensemble Recherche. (Foto: Rebecca ter Braak)

Die Hälfte der Programme machen Uraufführungen aus. Es beginnt mit dem renommierten Minguet Quartett und dem jungen Zentaur-Quartett, die unter anderem Stücke von Sandep Baghwati, Moritz Eggert, Pataer Ruzicka und Jörg Widmann spielen und auch das Oktett der Ukrainerin Anna Korsun uraufführen (17. Juni in der Seidlvilla). Das Kölner Trio Abstrakt und das Freiburger Ensemble Recherche experimentieren mit dem Spiel in getrennten Räumen doch offenen Türen: "Was trennt, was vereint?" bei Werken etwa von Kathrin Denner, Alexander Strauch oder Lisa Streich (24. Juni, Schwere Reiter). Am dritten Abend (26. Juni, Akademie der Schönen Künste) verfolgt das Augsburger Trio Phönix-3 mit Uraufführungen von Christian Dieck, Markus Lehmann-Horn und Tobias PM Schneid das Biedermeier und seine Spuren bis heute. Im "Salon de Femmes" bringen die Ensembles via nova aus Erfurt und Miet+ aus Weimar ausschließlich Werke von Komponistinnen zu Gehör (27. Juni, Schwere Reiter).

"So nah: So fern" betitelt das Gitarren-Duo Adrian Pereyra und Ruben Mattia Santorsa seinen Abend. Zwei Gitarren, das wird gewiss intim klingen und vielleicht ans Biedermeier erinnern, seien die Stücke auch noch so neu (28. Juni, Schwere Reiter). Am vorletzten Abend (29. Juni, Schwere Reiter) huldigen das Salzburger Names Ensemble, Salome Kammer, Coco Lau, Ansgar Theis und Johannes X. Schachtner dem großen György Ligeti mit seinen "Aventures" und "Nouvelles Aventures", denen sie Uraufführungen gegenüberstellen. Und am Ende (2. Juli, Einstein Kulturzentrum) dreht sich beim Ensemble Walzerklang aus Innsbruck alles im Dreivierteltakt vom romantischen Walzer bis ins Heute.

17. Adevantgarde Festival, 17. Juni bis 2. Juli, alle Termine: www.adevantgarde.de

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