Konzert von "Von wegen Lisbeth":Ziemlich nice

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Ein Konzert von Von wegen Lisbeth ist wie ein Abend in einer Berliner Studenten-WG. (Foto: Marian Lenhardt/oh)

Jung, verpeilt und ein bisschen wie AnnenMayKantereit - nur mit weniger Liebeskummer. "Von wegen Lisbeth" treffen mit ihren Songs einen Nerv, auch wenn sie so tun, als würden sie das hassen.

Konzertkritik von Elisa Britzelmeier

Kaum etwas an Von wegen Lisbeth wirkt so, als hätte man es hier mit einer kleinen Band zu tun. Die Berliner Indiepop-Band hat zwar erst ein Album veröffentlicht, aber der Bandname, der prangt trotzdem schon groß in ihrem Rücken, größer als bei manchen Stadionbands. "Von wegen Lisbeth" leuchtet es über die Breite der Bühne, die Buchstaben bestehen aus kleinen Glühbirnen, ab und zu blinken sie auch. Und immer wieder werden Smartphones nach oben gereckt, um den Schriftzug aufs Bild zu bekommen. Von wegen Lisbeth hauen optisch also schon mal ganz schön drauf, das passt zum wenig bescheidenen Titel ihres ersten Albums und der Tour: "Grande". Eine Konzertkritik in fünf Punkten.

Warum tun wir uns das an?

Es hat ein bisschen mit AnnenMayKantereit zu tun. Mit der Kölner Band waren Von wegen Lisbeth vergangenes Jahr auf Tour, auch in München, auch im Ampere. Und von da aus haben sie es dann in die Studentenradios geschafft, in die Fernsehshow Circus Halligalli und in die Spotify-Playlists. Von wegen Lisbeth singen auf Deutsch, wie AnnenMayKantereit. Oder wie Bilderbuch. Oder Wanda. Sie liegen ein bisschen im Trend, auch wenn sie so tun, als würden sie Trends hassen.

...und so war es dann wirklich:

Wie ein Abend in einer Berliner Studenten-WG. Von wegen Lisbeth wehren sich zwar dagegen, als Studentenband bezeichnet zu werden. Sie kennen sich ja auch schon aus der Schulzeit. Aber sie sind eben Mitte zwanzig, studieren nebenbei ein bisschen und ihr Publikum sieht größtenteils so aus, als studiere es auch oder habe es zumindest demnächst vor.

Obwohl es erst dieses eine Album gibt, singen die Fans vom ersten bis zum letzten Ton mit. Mit "Komm mal rüber bitte" fängt es an. "Und du willst mit siebzehn Jahren wirklich auf die Uni gehen?", singt Sänger Matthias Rohde in dem Lied, er erzählt von all den zuckersüßen Chancen, die einem ins Ohr flüstern, und dem Papa, der Druck macht. Die Texte von Von wegen Lisbeth klingen größtenteils so, wie man eben redet, "das ist nice" heißt es in "Bitch", von "drüben bei Penny" ist die Rede, von "Tod von Taube durch U6", aber dann auch von Luftschlössern, die ins Asbest-Industriegebiet gebaut werden. Ihr Thema ist das Leben in der Großstadt, wenn man jung ist, ein bisschen verpeilt und sehnsüchtig, aber viel zu lässig, um sich das anmerken zu lassen.

Überhaupt ist hier so ziemlich alles ironisch gebrochen, auch wenn es um große Gefühle geht. Und das ist eine der großen Stärken von Von wegen Lisbeth. Weil der Vergleich mit AnnenMayKantereit sein muss, die Band hat sich das ja ein Stück weit auch selbst eingebrockt: Was bei AMK sehr schnell ins Pathos kippt, kommt bei Von wegen Lisbeth leicht daher. Hier nimmt sich jemand nicht so wichtig, egal wie viel Liebeskummer er hat.

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Und dazu lassen Von wegen Lisbeth ihr Publikum tanzen, beim Song "Wenn du tanzt", aber eigentlich auch bei allen anderen. Sie selbst scheinen dabei mindestens so viel Spaß zu haben wie ihre Fans. Wenn sie zwischendrin aus ihrem Leben erzählen, dann wirken sie einfach wie nette Jungs, die am Küchentisch plaudern. Nur um kurz danach wieder richtig loszulegen.

Manche ihrer Melodien und auch manche ihrer Texte erinnern an Wir sind Helden, die Reime, die Worte, nur mit weniger Wehmut. Kneipen-Gespräche statt Poesie. Und immer wieder Berlin. Von wegen Lisbeth haben kaum genug Stoff, um einen ganzen Abend füllen zu können. Damit kokettieren sie immer wieder, was ein bisschen anstrengend werden kann. Aber es führt dazu, dass sie ältere Sachen ausgraben, so schöne Lieder wie "Hellersdorf", in dem man nicht nach Madrid fährt, sondern mit der Ringbahn in Berlin.

Dass man sich nicht so wichtig nehmen muss, erzählt "Der Untergang des Abendlandes" besonders schön. Es geht um First World Problems, die Center Shocks, die nicht mehr schmecken wie früher, den Stream, der schon seit einer Stunde buffert. Eigentlich geht es uns doch gut, soll das heißen, und gleichzeitig gibt es Leute, die finden, dass alles bedroht ist. Auf der Bühne leitet die Band das Lied mit einem Anti-AfD-Statement ein.

Der beste Moment?

Als Sänger Matthias Rohde Applaus für die wirklich gute Vorband Giant Rooks einfordert. Er lobt deren Stil, und dann sagt er: "Die sind dermaßen jung, Alter!" Sind sie ja wirklich, zum Teil sogar noch Schüler. Aber Von wegen Lisbeth sind nun auch gerade alles andere als alt.

Das Konzert wäre nichts für Sie gewesen, wenn...

...Sie mit Ironie und deutschen Texten nichts anfangen können. Oder AfD-Wähler sind.

Und wie ist das jetzt mit Social Media?

Nun ja, Von wegen Lisbeth singen zwar gern darüber, wie sehr es nervt, dass alle sich dauernd in den sozialen Netzwerken selbst inszenieren. Zum Beispiel in "Sushi", wo es um Lina geht, die ständig ihr Essen auf Instagram teilt. Aber ganz können sie es dann doch nicht lassen und posten selbst Tour-Bilder auf Facebook. Zum Glück! Dank denen weiß man, dass sie vor dem Münchner Konzert in Wien waren und wie der Trip für die Jungs war. Sie prosten sich zu, Kommentar: "Danke Wien für Melange und Stimmung. Oans zwoa drei gsuffa. München Baby, bis gleich!"

Lisbeth, Baby, bis bald mal wieder. Das war nice.

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