Kommunalwahl 2014:Schwieriger Spagat für Dieter Reiter

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Will Oberbürgermeister werden: Münchens Wirtschaftsreferent Dieter Reiter (SPD). (Foto: Robert Haas)

Am 7. November will die SPD Dieter Reiter offiziell zum OB-Kandidaten küren. Im Wahlkampf braucht der Wirtschaftsreferent seinen Vorgänger Christian Ude als Wählermagnet - gleichzeitig muss er sich von ihm emanzipieren.

Von Peter Fahrenholz

In den vergangenen Monaten waren Dieter Reiter und Josef Schmid, die beiden OB-Kandidaten von SPD und CSU, ziemlich viel in Münchner Stadtteilen unterwegs. Der Grund für die Ausflüge mitten im Landtags- und Bundestagswahlkampf war der gleiche: Kontakte knüpfen, sich bekannt machen, registrieren, wo die Menschen der Schuh drückt. Schmid hat seine Aktionen als Parteikampagne angelegt, seine "Schmidsprechen"-Termine, die er mit einem alten VW-Bus absolviert, haben in den Medien Widerhall gefunden.

Reiter hat seine Kennenlern-Tour bewusst weniger rummelig gestaltet. Auf Veranstaltungen, auf denen ein Parteietikett klebt, so die Einschätzung der SPD-Wahlstrategen, kämen überwiegend die eigenen Parteigänger. Und die muss man ja meist nicht mehr überzeugen. Also ist Reiter unauffälliger unterwegs gewesen, sein Revier waren in den Sommermonaten vor allem die Münchner Biergärten. Seine Helfer haben vorgefühlt, wer Lust auf ein Gespräch mit dem Kandidaten hat, und dann hat sich Reiter dazugesetzt. "Ich bin an den Tisch gegangen und habe gefragt: Was kann ein neuer OB besser machen?" Daraus hätten sich dann oft stundenlange Diskussionen ergeben. "Ich habe mindestens so viele Leute gesprochen wie Seppi Schmid", sagt Reiter.

Reiter setzt auf Verjüngung bei den Stadträten

Doch die unproblematische Aufwärmphase ist vorbei. Knapp fünf Monate vor der Kommunalwahl werden jetzt die Weichen für den eigentlichen Wahlkampf gestellt. Die CSU hat ihre Kandidatenaufstellung bereits hinter sich, die SPD wird auf einer Nominierungsversammlung am 7. November Reiter offiziell auf den Schild heben und über ihre Stadtratsliste entscheiden.

Ganz so friedlich wie bei der CSU, wo der Listenvorschlag der Führung ohne jeden Widerspruch durchgewunken wurde, wird es dabei wohl nicht zugehen. Reiter setzt auf Veränderung und Verjüngung bei den Stadträten. "Ich will eine Erneuerungsliste", sagt er. Da wird es möglicherweise zu Kampfkandidaturen um aussichtsreiche Plätze kommen, nicht jeder Altgediente wird sein Revier verteidigen können.

Für Reiter selbst beginnt mit dem Nominierungskonvent ein schwieriger Spagat, der seinen gesamten Wahlkampf prägen wird. Er braucht einerseits den amtierenden Oberbürgermeister Christian Ude als wichtigsten Wahlhelfer. Andererseits muss er sich aus dessen Schatten lösen, eigene Akzente setzen und deutlich machen, was er anders machen möchte.

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:Entzauberter Übervater

Wie soll es weitergehen in Deutschlands reichster Millionenstadt? Die Münchner SPD steht vor einer Gratwanderung: Bei der Kommunalwahl 2014 fällt der Ude-Bonus weg. Dieter Reiter, seinem Wunschnachfolger im Amt des Oberbürgermeisters, wird nichts anderes übrig bleiben, als sich von seinem langjährigen Chef zu distanzieren - ohne ihn zu demontieren.

Von Dominik Hutter, Silke Lode, Katja Riedel und Melanie Staudinger

Wie wichtig Ude als Wahllokomotive für die Münchner SPD ist, hat die Landtagswahl gezeigt. So mager der Ude-Effekt landesweit auch gewesen ist, in München hat er sich ausgewirkt und die SPD um vier Prozentpunkte nach oben gezogen. Die Genossen müssen also alles tun, um Ude, der in Pension geht, bei Laune zu halten, damit er sich im Wahlkampf noch einmal voll ins Zeug wirft. Und nicht vergrätzt abseits steht, weil seine Parteifreunde zu viele neue Wege beschreiten wollen.

Reiters Spagat steht unter dem Leitmotiv "Verändern, um zu bewahren". Das kann in einzelnen Fällen auch durchaus bedeuten: Kurskorrektur, ohne dass man es allzu deutlich merkt. Bei einem der zentralen Wahlkampfthemen, auf das die SPD setzen will, wird das indes nicht nötig sein, denn das ist ein sozialdemokratischer Klassiker. "Ich werde das Thema Mieten und bezahlbares Wohnen in den Vordergrund stellen", sagt Reiter.

Dass auch die CSU neuerdings mit diesem Thema trommelt, hält er für wenig glaubwürdig. "Die CSU hat hier keine Taten folgen lassen", sagt Reiter zum verbalen Kurswechsel der Münchner Christsozialen. Beim Thema Umwandlungsverbot habe Ministerpräsident Horst Seehofer seine Münchner Parteifreunde "abtropfen lassen". Dass sich bei den von der Landesbank an die Augsburger Patrizia verkauften GBW-Wohnungen schon nach wenigen Monaten zeigt, dass die zugesagte Sozialcharta möglicherweise nicht viel wert ist, dürfte Wasser auf die Mühlen der SPD-Wahlkämpfer sein.

In anderen Punkten aber will Reiter neue Akzente setzen. In der Verkehrspolitik dringt er, ganz im Sinne des bisherigen grünen Koalitionspartners, auf einen massiven Ausbau der Radl-Infrastruktur. Dass die Stadtwerke künftig selber als Radl-Verleiher auftreten, gefällt ihm gut. Hingegen wird es bei einem anderen Streitthema wohl einen Schwenk geben, der in Richtung CSU geht. Die SPD wird ihr Nein zu einer Verlängerung der U 5 aufgeben. "Definitiv wird es Milliardeninvestitionen im öffentlichen Nahverkehr geben", sagt Reiter.

Auch mehr spektakuläre Architektur ist dem SPD-Kandidaten ein Anliegen, man müsse "mehr Mut zu Leuchtturmprojekten" zeigen. Im Kulturbereich will Reiter eine deutlich jüngere Klientel ansprechen, zum Beispiel mit mehr Übungsräumen für Nachwuchsbands. "Wir brauchen die jungen kreativen Leute in München." Auch in den Breitensport will Reiter mehr Geld lenken, die marode Sportinfrastruktur Münchens ist seit Jahren ein leidiges Thema.

Aber auch wenn es Reiter gelingt, ein eigenes Profil zu entwickeln, das weder als fades "Weiter so" noch als Bruch mit der Ära Ude wahrgenommen wird, rechnen selbst die größten Optimisten in der SPD nicht damit, dass man im Stadtrat noch einmal so deutlich vor der CSU liegen wird wie 2008, auf dem Höhepunkt der CSU-Krise. Auf 33 Sitze ist die SPD damals gekommen, zusammen mit den elf Sitzen für die Grünen hat das für eine komfortable rot-grüne Mehrheit im 80-köpfigen Stadtrat gereicht. Die CSU musste sich mit 23 Mandaten begnügen.

Bei der SPD hat man die Avancen der CSU an die Grünen registriert

Diesmal wird es wohl knapper ausgehen, und das wird auch den Ausgang der OB-Wahl beeinflussen. Sollte es, was derzeit am wahrscheinlichsten ist, zu einer Stichwahl zwischen Reiter und Schmid kommen, liegt das Stadtratsergebnis ja schon vor. Wenn Rot-Grün dabei eine rechnerische Mehrheit hat, ist die Sache klar: Dann wird es bei der bisherigen festen Partnerschaft im Rathaus bleiben, und Reiter hätte im Stichwahlkampf die deutlich besseren Karten. Aber was, wenn nicht? Natürlich hat man bei der SPD die Lockerungsübungen der CSU registriert, die sowohl Signale in Richtung Grüne ausgesandt hat, als auch für ein Regieren im Rathaus ohne formelles Bündnis plädiert.

Was nach freiem Spiel der Kräfte aussieht, wäre in Wirklichkeit aber gar nicht so. Denn wenn weder die SPD noch die CSU gemeinsam mit den Grünen (die FDP bringt dafür zu wenig auf die Waage) auf mehr als 40 Sitze kommen, läuft alles auf eine Kooperation der beiden großen Parteien hinaus. Und mit so einer Lösung könnte Dieter Reiter im Fall seiner Wahl zum OB genauso gut leben wie es umgekehrt für Schmid gelten würde.

Das Verhältnis beider Herren gilt als unkompliziert. Nur für die SPD als Partei könnte es dann schwierig werden. Sie würde im Fall von Reiters Sieg zwar weiterhin den OB stellen, der Zweite Bürgermeister würde dann aber an die CSU gehen. Und ob es in einer solchen Konstellation dann noch einen Dritten Bürgermeister bräuchte, ist die Frage. Kompensation könnte erst bei der nächsten großen Neuwahl der Referenten vereinbart werden. Für die SPD geriete damit die fein austarierte, über Jahre lieb gewonnene innerparteiliche Machtverteilung aus dem Gleichgewicht.

© SZ vom 22.10.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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