Kommentar:Kein Freibrief bei Freiräumen

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Immer mehr Bauträger wollen sich von der Pflicht zur Schaffung von Grün und Kinderspielplätzen freikaufen. Es muss ihnen Einhalt geboten werden.

Von Berthold Neff

Global denken, lokal handeln: Was sich beim Klimaschutz eingebürgert hat, kann auch beim Bauen nicht falsch sein. Denn Tatsache ist, dass kaum etwas mehr ins Lebensumfeld der Menschen eingreift als das von ihnen selbst gebaute Umfeld. Es verändert die Umwelt massiv und entscheidet darüber, wie wohl sie sich fühlen in ihrem Viertel. Deshalb ist es wichtig, welche Signale die Stadt von der Basis aus erhält, was die Neuordnung des Bauens betrifft. Soll es tatsächlich nur noch halb so große Abstände zwischen den Häusern geben, ist jeder Dachgeschossausbau automatisch zu genehmigen? Soll sich jeder Bauträger, der mehr als drei lukrative Neubau-Wohnungen auf den Markt wirft, durch ein paar Euro von der Pflicht befreien können, einen Spielplatz gratis zu liefern?

Fragen wie diese sind es, die nun im Umlaufverfahren von den 25 Bezirksausschüssen zu beantworten sind. Klar ist, dass die Antworten unterschiedlich ausfallen können. In den Randbezirken der Stadt hat man mitunter andere Sorgen als in der Stadtmitte. Eines aber eint sicher alle: Der Drang oder gar Zwang, immer noch mehr Wohnungen zu bauen, darf nicht dazu führen, noch mehr Grün zu vernichten, als ohnehin schon verloren wurde. So gesehen, spricht nichts dagegen, in die Höhe zu bauen, dabei aber "H 1", also die Höhe des Hauses, als Richtwert für den Abstand zu den Nachbarn festzusetzen. Denn Nachverdichtung kann nur umweltfreundlich und human sein, wenn sie den Menschen ihr Grün lässt, das in einer Großstadt wie München ohnehin schon rar gesät ist.

Vor allem aber muss der Blick den Kleinsten gelten, die sich ihre Freiräume noch nicht selbst erobern können, sondern auf die Angebote in Parks und Grünanlagen, vor allem aber auf ihre Spielplätze angewiesen sind. Die Pandemie engt ihren Bewegungsradius ohnehin gerade stark ein. Wohin sollen sie, wenn ihnen in dem per Nachverdichtung entstandenen Zuhause die Decke auf den Kopf fällt?

Deshalb ist es lobenswert, dass der Bezirksausschuss Hadern Position bezieht und es ablehnt, dass sich Bauträger von der Pflicht zur Schaffung von Freiräumen im Grünen freikaufen können. Gerade das Beispiel Stiftsbogen, wo Neubauten in die Höhe schossen, ohne dass die Spielplätze feststanden, zeigt es exemplarisch: Ohne ein stichhaltiges Freiraumkonzept sollte die Stadt keinen einzigen Neubau mehr genehmigen.

© SZ vom 10.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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