Katholische Kirche:Aus nach 116 Jahren: "Münchner Kirchenzeitung" wird eingestellt

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"Innehalten" heißt das Kooperations-Magazin von 15 deutschen Bistumsblättern, das von Ostern an die "Münchner Kirchenzeitung" ablöst. Mitentwickelt hat die neue Publikation Stefan Eß als Geschäftsführender Direktor des Sankt Michaelsbunds. (Foto: Robert Haas)

An ihre Stelle tritt von Ostern an ein gemeinsames Magazin mehrerer deutscher Bistümer. Das setzt neue Schwerpunkte.

Von Andrea Schlaier

Nach 116 Jahren ist an Ostern Schluss. Die katholische Münchner Kirchenzeitung wird als eigenständiges publizistisches Organ eingestellt. Gedruckte Berichterstattung aus dem weiten Land des Erzbistums München und Freising findet sich dann nur mehr auf einem Bruchteil des Platzes wieder, im neuen Magazin Innehalten.

Aus Kostengründen schließen sich zu diesem neuen Format 15 deutsche Bistumsblätter von Hamburg über Görlitz bis Würzburg zusammen. Eine Zentralredaktion in Osnabrück produziert den gemeinsamen überregionalen Mantelteil, die Kolleginnen und Kollegen aus den Regionen liefern die Hälfte des etwa 68 Seiten starken Hefts zu.

Ausschlaggebend für die deutschlandweite Kooperation ist wirtschaftlicher Druck. Stefan Eß, Geschäftsführender Direktor des Münchner Medienhauses Sankt Michaelsbund, der das Bistumsblatt verlegt, verweist im Gespräch mit der SZ auf extrem gestiegene Druck- und Versandkosten in den letzten Jahren. Der "Spardruck" sei entsprechend. Allein, dass das Heft statt wie bisher wöchentlich künftig 14-tägig erscheine und die Druckkosten zwischen allen Partnern geteilt würden, sei ein "großer Befreiungsschlag". Sein Münchner Haus spare dadurch jährlich 300 000 bis 400 000 Euro.

Nur noch 25 Prozent der Münchner sind Mitglied der Katholischen Kirche

Die Auflagen der Kirchenzeitungen sinken seit Jahren - auch die in München. Hier lag sie zu ihren Hoch-Zeiten in den 1960er-Jahren bei 160 000 Exemplaren, so Eß. Inzwischen sind es nur noch 12 000. Darin spiegelt sich auch der massive Mitgliederschwund bei den Katholiken im Land und so auch im Erzbistum München und Freising wider. 53 000 Menschen sind hier 2022 aus der katholischen Kirche ausgetreten. Allein in München waren es knapp 19 000 - ein rasanter Anstieg. 2018 hatten noch "nur" knapp 9000 Münchner Katholiken ihrer Kirche den Rücken gekehrt. Zum 30. Juni 2023 gehörten in der Landeshauptstadt noch 25 Prozent der Bevölkerung der römisch-katholischen Kirche an.

Als die Münchner Kirchenzeitung 1908 das erste Mal erschien, hieß sie noch Wochenblatt für die katholischen Pfarrgemeinden Münchens. Bis auf ein Verbot der Publikation in der Zeit von 1940 bis 1945 wurde wöchentlich über gemeindliches Leben im Bistum, christliche Bräuche, Glaubens- und Lebenshilfe berichtet. In München starte das neue Heft auch mit neuem Namen - eben Innehalten -, im Unterschied zu den anderen beteiligten Bistümern, die beim Magazin ihre Namen beibehielten, sagt Eß: "Wir wollen neuen Wein in neuen Schläuchen."

Auch der journalistische Ansatz soll ein anderer werden. Man wolle weg von der Chronistenpflicht. "Es interessiert doch keinen mehr, wo war welche Veranstaltung, und hinterher schreibt man was. Das macht ja eine Tageszeitung auch nicht mehr so." Die kleinteiligere gemeindliche Berichterstattung, kündigt der Direktor des Münchner Medienhauses an, werde das Erzbischöfliche Ordinariat künftig auf einer eigenen Online-Plattform selbst übernehmen.

Beim Magazin gehe es, wie im Untertitel zu lesen ist, um "Gesellschaft, gutes Leben und Spiritualität". Es werde Erklärstücke entlang des Kirchenjahres geben, "warum wird Fronleichnam gefeiert, was ist Pfingsten?". Im Kern soll es für das Magazinpublikum aber darum gehen, "was wir als Christen für die Gesellschaft beizutragen haben".

Zielgruppe sind "oberschichtige Milieus", die sich für Nachhaltigkeit und Schöpfungsverantwortung interessieren und noch "eine starke Anschlussfähigkeit an kirchliche Themen haben". Im Online-Format des Magazins soll dann vermehrt Lokales zum Zug kommen. Eß zufolge werden keine Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen gekündigt, die Redaktion verteile sich künftig vermehrt auf digitale Kanäle. Von den 20 Redakteurinnen und Redakteuren beim Michaelsbund seien derzeit vier überwiegend für die noch wöchentlich erscheinende Münchner Kirchenzeitung tätig.

Die Reaktionen der Abonnenten auf die erste Leseprobe gehen weit auseinander

Mit einem Anschwellen neuer Lesergruppen nach oben rechnet durch den Neustart aber anscheinend keiner. Verleger Eß verweist auf die Übereinkunft mit den Kollegen aus den anderen Bistümern: "Wir wollen die Auflage stabilisieren und nicht weiter zwischen acht und zehn Prozent Auflagen-Minus rumtaumeln." Im Zusammenschluss rechne man mit einer Auflage von 100 000 Exemplaren.

Zum Warmwerden gab es dieser Tage für die treuen, zumeist älteren Kunden der Münchner Kirchenzeitung schon mal eine Leseprobe des neuen Magazins. "Es wird" heißt die Themenklammer, die vermutlich auch Zuversicht fürs neue Projekt aussenden soll. Auf vier Seiten wird der ehemalige Bundespräsident Christian Wulff zum Umgang mit Krisen befragt, es geht um die Vorfreude auf Ostern, und der Münchner Korrespondent steuert ein Stück über das Giambologna-Kreuz in St. Michael bei. Die ersten Reaktionen der Abonnenten, seien, na ja, ziemlich unterschiedlich, sagt Eß: "Die einen sagen, die 16 Seiten haben mich nicht überzeugt, die anderen, gut, dass ihr was gewagt habt. Es war höchste Zeit, dass ihr eure Zeitung weiterentwickelt."

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