Kritik:Fordernd schön

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Kevin John Edusei verabschiedet sich nach acht Jahren als Chefdirigent der Münchner Symphoniker.

Von Klaus Kalchschmid, München

Zum Abschied nach acht Jahren als Chefdirigent der Münchner Symphoniker wollte es Kevin John Edusei noch einmal wissen und forderte seine Musiker, aber auch das Publikum bis an die Grenze und ein wenig darüber hinaus. Nach einer klanglich und gestisch sehr schön ausdifferenzierten Aufführung des wunderbaren Violinkonzert von Alban Berg ("Dem Andenken eines Engels"), das sein eigenes Requiem wurde, mit Rosanne Philippens als in jeder Hinsicht überzeugender Solistin folgte Deryck Cookes Rekonstruktion von Mahlers zehnter Symphonie. Von ihr konnte er bis zu seinem Tod 1911 nur den ersten Satz weitgehend instrumentieren: ein hydraartiges Klanggebilde, das das Prinzregententheater sprengen musste.

"Musik auf der Grenze zum Unerträglichen" nannte Yoel Gamzou, der Jüngste, der eine überzeugend radikale "Realisation und Weiterentwicklung der unvollendeten Skizzen" Mahlers gewagt hat, den vierten Satz. Er schließt an das überraschend kurze, gespenstische "Purgatorio" an, also den Eingang zur Hölle, bevor unter der Bezeichnung "Wild. Der Teufel tanzt es mit mir" genau dies folgt und mit martialisch dumpfen Schlägen auf die große Trommel ein ebenso gewichtiges Finale Form annimmt wie es schon der Kopfsatz darstellt.

Edusei hat wohl mit den Symphoniker lange geprobt, um den großen Streicher-Sehnsuchtston Mahlers ebenso sicher zu treffen, wie vor allem den (Blech-)Bläsern das schräg Verkantete, fast Dämonische gelang, oder dem Holz die zarte Ahnung des schon gar nicht mehr Irdischen. Wie jede Vervollständigung dieses Particells eine Annäherung bleiben muss, war es auch diese gleichwohl qualitätvolle Interpretation.

Am Ende glücklich erschöpfte Gesichter, umfangreiches Händeschütteln und viele Blumen. Am 15. Dezember gibt Nodoka Okisawa ihren Einstand als neue Chefdirigentin der Münchner Symphoniker mit Beethovens Siebter und dem Violinkonzert von Johannes Brahms; Solistin ist Arabella Steinbacher.

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