Kurz bevor in Schwabing die Bombe hochging, sei "das Bedürfnis nach Information" recht hoch gewesen, sagt Oberbürgermeister Dieter Reiter. Vor zwei Jahren war das, als in der Feilitzschstraße eine Weltkriegsbombe gesprengt werden musste. Damals fuhren unter anderem Lautsprecherwagen durch das Gebiet, um die Menschen zu informieren.
Am Donnerstag ist in München eine neue Möglichkeit in Betrieb genommen worden: Ab sofort können sich die Münchner "Katwarn" auf ihr Handy holen. Dann werden sie per App, SMS und E-Mail kostenlos über Katastrophen wie Bombenfunde, Großbrände oder Industrieunfälle informiert - und zugleich instruiert, wie sie sich zu verhalten haben.
Nur noch wenige Gemeinden nutzen den Sirenenton
Die Zeiten, in denen in München zur Warnung vor Katastrophen die Sirenen aufheulten, gehören längst der Vergangenheit an. "Früher gab es ja ein bundesweites Sirenenwarnsystem für den Kriegsfall und zusätzlich noch ein kommunales Warnsystem", erzählt Münchens Feuerwehrchef Wolfgang Schäuble. Anfang der Neunzigerjahre aber sah der Bund keine Notwendigkeit mehr für die Kriegssirenen, und in den Kommunen wurden die teils maroden Anlagen abmontiert.
Nur noch vereinzelt arbeiten Gemeinden mit dem Sirenenton: um auf dem Land die Freiwillige Feuerwehr zu aktivieren oder um in der Nähe von Betrieben "mit besonderem Gefahrenpotenzial" zu warnen. Anfang 2000 habe es mal Bestrebungen gegeben, eine Alarmierung über Uhren zu versuchen, die an das Atomuhrsignal in Braunschweig angeschlossen sind. "So eine Uhr hab' ich auch noch irgendwo daheim", berichtet Schäuble grinsend, aber das System sei viel zu kompliziert gewesen.
Katwarn hingegen soll ganz unkompliziert funktionieren: Smartphone-Besitzer können sich die App kostenlos aus ihrem App-Store auf ihr Handy laden, müssen sich aber registrieren. "Selbstverständlich arbeitet die App mit Verschleierungsoption, damit einzelne Handys nicht geortet werden können, um den Datenschutz zu gewährleisten", versichert Schäuble. Außerdem kann man Katwarn per SMS und E-Mail ordern (Infos im Netz unter www.katwarn.de). Das Programm verfügt über eine sogenannte Schutzengel-Funktion: Sobald der Nutzer in ein Gebiet gelangt, für das eine Katastrophen-Warnung ausgesprochen wurde, wird er sofort mittels eines ziemlich lauten Tons gewarnt.
Gleichzeitig erscheint auf dem Handy die Anweisung, wie er sich am besten zu verhalten hat ("öffentliche Plätze verlassen, Fenster schließen, etc."). Zusätzlich zum wandernden Schutzengel kann der Nutzer zwei weitere Postleitzahl-Gebiete auswählen, aus denen er - unabhängig von seinem Standort - informiert wird. "Das kann beispielsweise das Gebiet sein, wo der Kindergarten meines Sohnes liegt, oder mein Arbeitsplatz", erläutert Ortwin Neuschwander vom Fraunhofer-Institut Fokus, das Katwarn entwickelt hat.
Fliegerbombe in Schwabing:Was auf den Knall folgte
Vor einem Jahr richtete die Sprengung einer Fliegerbombe in München einen Millionenschaden an. Für manche war das vor allem ein spektakuläres Ereignis. Geschäftsleute und Anwohner dagegen kämpfen teilweise immer noch mit den Auswirkungen.
Der Alarmierungsknopf wird von der Münchner Rettungsleitstelle gedrückt, die auch die individuellen Verhaltenstipps ausgibt. Schäuble etwa will die App in diesem Jahr schon mit allen Schaustellern der Wiesn ausprobieren. "Da kann man zum Beispiel vor aufziehenden großen Unwettern warnen." Im nächsten Jahr soll es dann auch eine Katwarn-Gruppe für die Wiesn-Besucher geben.
Diverse Städte in Deutschland arbeiten bereits mit Katwarn. Angefangen von Berlin über Nürnberg oder Deggendorf bis hin zum Hamburger Hafen, der vor allem auf die mitgelieferten Warnungen des Wetterdienstes angewiesen ist. In München wurde bislang nur mit Radio- und Fernsehdurchsagen gewarnt, außerdem waren die Lautsprecher an den Haltestellen der öffentlichen Verkehrsmittel mit angeschlossen, teilweise klingelten Polizei und Feuerwehr an den Haustüren - und man informierte über Lautsprecherwagen. Seit Donnerstag nun kann sich jeder individuell über sein Handy informieren lassen - was aber nicht ausschließen sollte, im Ernstfall auch an andere zu denken.