Intonationsreinheit und Klangbalance, staunenerregende Virtuosität aller Vier, die nachgerade entspannte Gemeinsamkeit im Phrasieren und Steigern und die Lust an ausdifferenzierter Klangfülle zeichnen das Jerusalem Quartet (Alexander Pavlovsky, Sergei Bresler, Violinen; Ori Kam, Viola; Kyril Zlotnikov, Violoncello) besonders aus: Streichquartettkunst ersten Ranges als gleichsam orchestrales Klangerlebnis. Werke von Felix Mendelssohn Bartholdy, Anton Webern und Peter Tschaikowsky boten die Musiker so unmittelbar überzeugend, dass genauso unmittelbare Begeisterung des Publikums antwortete.
Mendelssohn Quartett Op. 44,2 durchpulst nervöse Unruhe, die die Vier in einen erregten Strom aus Melodie und Verarbeitung im ersten Satz, aus hingebungsvoll lyrischem Vierergespräch im Andante, aus mitreißendem Feuerwerk im bogentechnisch fabelhaft gelungenen Scherzowahn und im dahineilenden finalen Presto verwandelten: Pavlovsky als Primarius mit leuchtenden Spitzentönen, Bresler elektrisierend aufmerksam, um als Mezzostimme den ersten Geiger zu begleiten oder zu kontern, Ori Kam als souveräner Violakommentator und Zlotnikov als sichtbar vergnügter Cellozeremonienmeister.
Anton Weberns "Langsamen Satz" von 1905 sangen sie inständig aus, verflochten die Linien wundersam ineinander, Schönbergs "Verklärte Nacht" schimmerte durch, auch Wagnerianisches schwang unüberhörbar mit. Tschaikowskys 1. Streichquartett op. 11 stellten die "Jerusalems" erst recht als Stück mit ausgesprochen symphonischem Charakter dar: im einleitenden Moderato noch vorsichtig Maß nehmend, im berühmten Andante so raffiniert einfach und "schön" wie möglich, im Scherzo wuchtig auftrumpfend und im Finale glänzend bis zum rasenden Schluss. Ovationen! Ori Kam leitete zur Zugabe über: das Quartett habe sich in Jerusalem gegründet, aber Pavlovsky stamme aus Kyiw, Bresler aus Charkiw, Zlotnikov aus Minsk, er selbst aus den USA. Man spiele "Melodie" des ukrainischen Komponisten Myroslaw Skoryk. Es war bewegend.