Italiener-Wochenende auf dem Oktoberfest:Südtiroler Streife

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Mehr als 200.000 Besucher aus Italien und viele andere ausländische Gäste strömen Jahr für Jahr auf die Wiesn. Die Münchner Polizei holt sich deshalb an den Wochenenden Hilfe aus den Nachbarländern. Unterwegs mit der Südtiroler Streife.

Florian Fuchs

Markus Oberrauch aus Südtirol (rechts) hilft der Münchner Polizei auf dem Oktoberfest. (Foto: afis)

Das Verhältnis von Sizilianern und Kalabresen ist so ähnlich wie das zwischen Bayern und Preußen: Man kann schon mal zusammenrasseln. Direkt am Eingang zur Wirtsbudenstraße auf Höhe des Löwenbräu-Festzelts ist das in diesem Moment gut zu beobachten. Italienische Touristen aus Kalabrien und aus Sizilien bauen sich drohend und schimpfend voreinander auf, weshalb es ganz praktisch ist, dass Markus Oberrauch gerade in der Nähe steht. Der Polizist aus Südtirol geht dazwischen, redet mit seinen Landsleuten und beruhigt die Lage.

Mit mehr als 200.000 Besuchern aus Italien rechnen die Veranstalter auch dieses Jahr wieder auf dem Oktoberfest, in Massen sind die Gäste aus dem Süden am vergangenen Wochenende über die Alpen gekommen. Die deutsche Polizei hat schon vor Jahren auf den Ansturm der Partygänger aus dem Ausland reagiert und holt sich für die Wochenenden auf der Wiesn Verstärkung aus den Nachbarländern: Neben fünf Polizisten aus Italien, die mit ihren bayerischen Polizisten auf Streife auf die Festwiese gehen, sind dieses Jahr auch zwei Kollegen aus Frankreich angereist. Außerdem sind Zivilfahnder aus Ländern wie Österreich und Belgien unterwegs, vor allem um Taschendiebe ausfindig zu machen.

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Das Besondere daran: Wenn die Beamten in ihrer Landesuniform auf Streife gehen, haben sie annähernd die gleichen Rechte wie bayerische Polizisten - sie dürfen sogar Verdächtige festnehmen. "Diese Regelung", sagt Polizeipräsident Wilhelm Schmidbauer, "ist in Europa einmalig".

Eine Festnahme war vor dem Löwenbräuzelt nicht nötig, es ging nur um eine schwarze Perücke, mit der die einen ein Foto machen wollten, während die anderen dachten, dass ihnen die falschen Haare gestohlen werden. "Sie waren halt ein bisschen betrunken", sagt Oberrauch über seine Landsleute. Für den 42-Jährigen ist es der erste Wiesn-Einsatz. Sonst geht er in Südtirol in Eppan auf Streife. Im Vergleich dazu hat das hier eine andere Dimension. Oberrauch fügt sich trotzdem gleich ein in die Sechsergruppe bayerischer Polizisten, mit der er zwischen Fahrgeschäften und Zelten nach dem Rechten sieht.

Auffällig ist seine Erscheinung dennoch: Blaue Uniform, weißer Gürtel, da halten sogar Familienväter kurz an, um ihren Söhnen mal einen italienischen Polizisten zu zeigen. "Dabei wäre mir die deutsche Uniform eigentlich lieber", sagt Oberrauch, "die finden manche weniger elegant, aber dafür ist sie strapazierfähiger".

"Ein Zugewinn an Sicherheit"

Es ist jedoch schon Absicht, dass die Polizisten aus dem Ausland auch ihre Landesuniform tragen. "Unsere Landsleute sollen uns erkennen, wir sollen auch Ansprechpartner sein", erklärt Oberrauch. So wie bei dem Italiener hinter dem Hackerzelt, der Oberrauch sieht, auf ihn zustürmt und sich über die Security beschwert, die ihm 50 Euro abgenommen haben soll, damit er seinen Rucksack wieder bekommt.

Im Gespräch mit Oberrauch legt sich die Aufregung schnell. "Ohne den Kollegen", sagt der Münchner Polizeihauptkommissar Thomas Oswald, der die Sechsergruppe Polizisten mit Oberrauch führt, "hätten wir die Beteiligten erst umständlich auf die Wiesnwache mitnehmen und einen Dolmetscher kommen lassen müssen".

Polizeipräsident Schmidbauer nennt es "eine weitsichtige Regelung", dass Oberrauch und seine Kollegen auf dem Oktoberfest Streife gehen. Sie wüssten mit der Mentalität ihrer Landsleute richtig umzugehen, "das ist ein Zugewinn an Sicherheit". Oft ist es auch ein Zugewinn an Information: Belgische Taschendiebfahnder zum Beispiel haben vergangenes Jahr auf der Wiesn einen Mann in der Masse erkannt, den sie ein paar Monate zuvor in Belgien wegen Diebstahls festgenommen hatten. Sie verfolgten ihn, erwischten ihn auf frischer Tat - und setzten ihn wieder fest.

Seit 2005 besteht die Regelung, dass ausländische Polizisten "unter Führung" bayerischer Polizisten selbst eingreifen dürfen wie einheimische Beamte, wenn etwas passiert: Allein ihre Dienstwaffe dürfen sie nur in Notwehr und Nothilfe benutzen. Etwa eine Stunde später zum Beispiel hat Oberrauch zusammen mit seiner Gruppe den ersten Gewahrsam zu verzeichnen: Ein Mann randalierte in einem Festzelt, die Security bat die Polizisten zu Hilfe - und die führten den renitenten Verdächtigen erst einmal auf die Wache.

Ein ziemlich nervenaufreibender Job ist das, vor allem spätabends, wenn der Alkoholpegel steigt. In Italien gibt es dennoch eine lange Warteliste von Polizisten, die ebenfalls auf der Wiesn Streife gehen wollen. Das allerdings liegt nicht nur am Reiz des Auslandseinsatzes. "Wenn wir schon hier sind, ist es natürlich auch schön, mal privat auf dem Oktoberfest feiern zu können", sagt Oberrauch.

© SZ vom 01.10.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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