Hilfe für Obdachlose:Wer seine Wohnung verliert, findet hier eine Bleibe

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An der Plinganserstraße ist das siebte Münchner Clearinghaus mit 31 Wohnungen eröffnet worden. (Foto: Stephan Rumpf)
  • In München eröffnet das siebte sogenannte Clearinghaus.
  • Dort werden Wohnungen zur Verfügung gestellt, um Menschen vor der Obdachlosigkeit zu bewahren.
  • Durch das 2001 gestartete Projekt wird Geld gespart. Ganze Wohnungen anzumieten ist billiger, als Bettplätze zu schaffen.

Von Sven Loerzer, München

Rein äußerlich wirkt der Neubau an der Plinganserstraße 29 wie ein modernes Wohnhaus. Die 31 Wohnungen, die das Katholische Siedlungswerk im Rahmen des Kommunalen Wohnbauprogramms errichtet hat, werden aber nicht vermietet, sondern vom Wohnungsamt belegt: In den möblierten zwölf Ein-Zimmer-Appartements, vier Zwei-Zimmer- und 15 Drei-Zimmer-Wohnungen ziehen bis zu 85 Menschen ein, die ihre Wohnung bereits verloren haben oder denen der Verlust unmittelbar bevorsteht.

Lange bleiben sollen sie dort nicht: Bei dem Neubau handelt es sich, wie es im Fachjargon heißt, um ein Clearinghaus für Wohnungslose, das siebte in München. Dort soll sich klären, welche Probleme zu dem Wohnungsverlust beigetragen haben, etwa unpünktliche Mietzahlungen oder Konflikte in der Hausgemeinschaft. Im Clearinghaus stehen Fachkräfte - Sozialpädagogen, Verwalter und Erzieher - den Bewohnern zur Seite, um gesundheitliche, wirtschaftliche oder auch familiäre Probleme zu lösen und bei der Wohnungssuche zu unterstützen. Die sollte möglichst nicht länger als sechs Monate, höchstens aber ein Jahr dauern.

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Die Eröffnung des siebten Clearinghauses schließt das 2001 formulierte Kapitel der Neuorientierung in der Wohnungslosenhilfe ab, das mit der Eröffnung des ersten Hauses an der Orleansstraße Ende 2005 begann: "Wohnen statt Unterbringen". Statt Bettplätzen, wie in Unterkünften für Wohnungslose üblich, gibt es rund 200 abgeschlossene Wohnungen mit Platz für bis zu 450 Personen in den Clearinghäusern.

So lässt sich nicht nur der gerade für Kinder wenig zuträgliche längere Aufenthalt in einem Notquartier und der damit verbundene soziale Abstieg vermeiden. Die Stadt spart dadurch auch Kosten. Denn die Bettplätze sind teuer - für einen Vier-Personen-Haushalt fallen nach einer Beispielrechnung von 2014 pro Jahr 30 000 Euro mehr Kosten für die Stadt an als bei der Miete einer angemessenen Wohnung.

Selbst unter den erschwerten Bedingungen auf dem Münchner Wohnungsmarkt der vergangenen Jahre schaffen es Familien aus den vier städtischen und drei verbandsgeführten Clearinghäusern im Schnitt in acht bis neun Monaten, eine Wohnung zu finden. Ein "Erfolgskonzept", sagt Wohnungsamtschef Rudolf Stummvoll, das auch noch funktioniert, obwohl sich seit 2008 die Zahl der Wohnungslosen mehr als verdreifacht hat.

Angesichts des "katastrophalen Wohnungsmarkts" sei die Vermittlungsdauer für Haushalte aus Clearinghäusern durchaus akzeptabel, obwohl sie länger ist als sechs Monate, wie anfangs vorgesehen. Sozialreferentin Dorothee Schiwy zeigte sich bei der Eröffnung des neuen Hauses beeindruckt, "dass es den Bewohnern trotz aller Widrigkeiten gelingt, innerhalb vorgegebener Zeiträume wieder auf die Füße zu kommen".

Jährlich führten zuletzt 70 bis 80 Prozent der Auszüge aus den Clearinghäusern in eine eigene Wohnung, meist eine Sozialwohnung. Nur sieben Prozent der Haushalte mussten zurück in ein Notquartier oder eine Pension ziehen, weil sie trotz Hilfe selbst kaum Bereitschaft gezeigt haben, zur Lösung ihrer Probleme beizutragen. Einige kamen in ein Wohnheim oder eine Klinik, der Rest verzog unbekannt.

In der Plinganserstraße, wo Alleinstehende, Paare und Familien aufgenommen werden, bietet der Ambulante Fachdienst Wohnen des Katholischen Männerfürsorgevereins (KMFV) Unterstützung, der auch das Clearinghaus Leipartstraße betreut. "Wir freuen uns sehr", sagte KMFV-Vorstand Ludwig Mittermeier, Menschen eine Perspektive und das Rüstzeug mitgeben zu können, "wieder eigenständig in einer Wohnung zu leben".

© SZ vom 27.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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