Haus der Kunst:Schlachtschiff mit Schlagseite

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Nicht nur baulich ein Sanierungsfall: Das Haus der Kunst, entworfen 1933 von Paul Ludwig Troost. (Foto: dpa)

Einst war man war stolz, einen Museumsleiter wie Okwui Enwezor in die Stadt mit dem Provinz- und Gemütlichkeitsstigma geholt zu haben, stolz auf die eigene Weltoffenheit. Nun steckt das Münchner Haus der Kunst in der Krise - und der Enthusiasmus ist merklich abgekühlt.

Von Jörg Häntzschel

Dass es nicht läuft, wie es sollte, im Münchner Haus der Kunst - das sieht man gleich, wenn man durch die riesigen Übermenschen-Türen getreten ist. Die Eingangshalle liegt verwaist im mattgelben Museumsdämmer. Die zimmergroßen Metallklumpen in der Matthew-Barney-Ausstellung besichtigt nur das Wachpersonal. Auch bei "Stan Douglas": gähnend leer. Und das an einem Regentag im Juli, in einer Stadt voller Touristen, die jede Gelegenheit nutzen, München zu besichtigen, ohne nass zu werden. Vor ein paar Jahren war das ganz anders. Chris Dercon, heute Direktor der Tate Modern in London, hatte das Haus mit viel Charme und Geschick zu einer Institution gemacht, wie sie sich München gar nicht mehr zugetraut hatte. Lebendig, aufregend, anspruchsvoll: alles zugleich.

Dann kam der aus Nigeria stammende, in den USA sozialisierte Kurator Okwui Enwezor, der in Deutschland spätestens seit der von ihm geleiteten Documenta 11 bekannt war und schon renommierte Posten zwischen San Francisco und Gwangju innehatte, wenn auch nie als Museumsleiter. Man war stolz, einen Mann von diesem Format in die Stadt mit dem Provinz- und Gemütlichkeitsstigma geholt zu haben, stolz auf die eigene Weltoffenheit.

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Doch knapp drei Jahre später ist der Enthusiasmus merklich abgekühlt. Die einen beklagen Enwezors Hang zum Spröden: Eine Ausstellung widmete er Independent-Magazinen, eine andere dem Jazz-Label ECM. Enwezors Herzensthemen wie Apartheid und Postkolonialismus finden alle wichtig, doch in München verpuffen sie. Und dass er das Haus der Kunst gelegentlich als Abspielstätte für schon anderswo Gezeigtes benützt und in der Stadt wenig präsent ist, kommt ebenfalls nicht gut an.

Es rumort bei den Gesellschaftern

Aber ist das schon die große "Krise", wie die Nachrichtenagentur dpa kürzlich schrieb? Es wurde eine, weil in die vage Enttäuschung weitere schlechte Nachrichten platzten. Die erste kam im Frühjahr, als der Münchner Immobilienriese Schörghuber nach 23 Jahren seinen Rückzug als Gesellschafter und Hauptsponsor des Hauses bekannt gab. Jährlich hatte die Firma das Haus mit 500 000 Euro unterstützt. Jetzt fehlen um die acht Prozent des Jahresetats. Ein Ersatz ist bisher nicht gefunden.

Kurz darauf begann es bei einem weiteren Gesellschafter zu rumoren: bei dem Verein der Freunde des Hauses der Kunst, einem Klub aus Kunstinteressierten, Honoratioren und vielen großen Firmen. Wenn es im so versöhnlerischen München ernsthaft Streit gibt in einem solchen Zirkel der Wohlhabenden und Wohlmeinenden, dann muss das alte Nazischlachtschiff von der Prinzregentenstraße nicht ungefährlich Schlagseite haben, so die Wahrnehmung.

In Wahrheit, so erweist sich bei näherem Hinsehen, haben die drei Probleme, unter denen das Haus zur Zeit leidet, wenig bis nichts miteinander zu tun. Doch das macht jedes einzelne nicht harmloser.

Niemand will Enwezor kritisieren

Was Enwezor angeht, ist bisher nicht mehr zu hören als leises Grummeln. Andreas Langenscheidt, der glücklose Verlagserbe und Vorsitzende der Freunde, verteidigt ihn demonstrativ: "Seine Arbeit ist super. Es ist exzellent, welche Künstler er in unsere Kleinstadt München gebracht hat! Es ist an den Bürgern, das wahrzunehmen." Auch sonst will niemand Enwezor kritisieren. "Weniger geländegängig" als Dercon sei er, aber es sei auch nicht seine Aufgabe, "ständig den Show Act zu spielen", so einer der Unterstützer. Doch der Eindruck, dass es sehr still geworden ist im Haus der Kunst, hält sich. Dass Enwezor die Besucherzahlen wie ein Staatsgeheimnis behandelt, und - wenn auch völlig korrekt - ständig wiederholt, dass Zahlen nicht alles seien, beruhigt nicht gerade.

Der Rückzug des Hauptsponsors ist "ein Schlag", wie Enwezor unumwunden zugibt: Dass die Patriarchin der Firma, Alexandra Schörghuber, von kommendem Jahr an lieber bedürftige Münchner Kinder unterstützt, lässt sich vielleicht als Votum gegen die Kunst verstehen, aber nicht unbedingt als eines gegen das Haus oder ihren Direktor.

Viel diffuser ist die Lage bei den Freunden. Der Streit dort entzündete sich am Umgang mit den rund fünf Millionen Euro, die der Verein 2006 mit einer Auktion eingenommen hat. Dieser einmalige Geldsegen hat den Förderern wenig Glück gebracht. Eine der fünf Millionen legte man riskant an - und verlor einen Teil bei der Finanzkrise. Der Rest brachte bescheidene Erträge, die mit gegen null tendierenden Zinssätzen immer übersichtlicher wurden. Hier und dort verschwand auch mal etwas. Spricht man mit den Freunden, ist von "Unregelmäßigkeiten" und "Schlamperei" die Rede, sogar Worte wie "Unterschlagung" fallen. Doch wenn man nachfragt, zucken alle zurück.

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Nicht nur, weil sich die Vorwürfe kaum beweisen lassen - auch, weil es wenig vornehm ist, sie auszusprechen. Ein ungünstiges Licht fiele nicht nur auf die Beschuldigten, sondern auch auf den Verein und seine honorigen Mitglieder. Und schließlich, das ist das Beunruhigendste daran, weil das Haus der Kunst in München offenbar als derart "zartes Pflänzchen", so ein Mitglied, empfunden wird, dass es vor jeder Form von offener Debatte geschützt werden muss. Unregelmäßigkeiten? "Keinesfalls, die Bücher sind in Ordnung", heißt es dann von einem, der dem gegenwärtigen Vorstand durchaus kritisch gegenübersteht. "Ein Rechnungsprüfer hat sie untersucht." Was er nicht sagt: Der Prüfer wurde erst wegen des Verdachts hinzugezogen, und untersucht hat er nur die Finanzen des vergangenen Jahres. Weiter Zurückliegendes soll vergessen werden, Schwamm drüber.

Grundlegende Renovierung ab 2016

Doch dies ist nicht Gegenstand des aktuellen Streits. Bei diesem geht es darum, ob die fünf Millionen angelegt werden sollen, um auf lange Zeit Erträge zu bringen. Oder ob man sie auch für Zwecke ausgeben soll, die nicht im engeren Sinne mit Ausstellungen zu tun haben. Enwezor selbst ist nicht ganz unschuldig an der Debatte.

Von 2016 an soll das Haus der Kunst vom Architekten David Chipperfield grundlegend renoviert werden. Der Freistaat Bayern, der das Haus zu 50 Prozent trägt, hat dafür nach langem Hin und Her 58 Millionen Euro bereitgestellt. Nach der Renovierung wird auch der heute leer stehende Westflügel bespielbar sein. Doch was dort stattfinden soll, was es kostet und wer es bezahlt, das weiß niemand. Enwezor schwebt eine Art Forschungseinrichtung vor, mit der er den "educational turn" der Kunstproduktion und -vermittlung auch in seinem Haus verankern will. Er denkt aber auch an einen Kinosaal - und daran, einen Teil der Fläche zu verpachten, um auf diese Weise Einnahmen zu generieren. All diese Optionen soll eine Machbarkeitsstudie ausloten, für die Enwezor die Freunde um 100 000 Euro bat.

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Eine Fraktion ist strikt dagegen, das Vereinskapital dafür auszugeben. Die andere, angeführt von Langenscheidt, gäbe es gerne - und durchaus auch noch mehr. Es sei unsinnig, es "bis zum St. Nimmerleinstag vor sich herzuschieben". Es gibt ähnliche Diskussionen an vielen Museen. Doch in München liefen sie völlig aus dem Ruder. Unter anderem, weil Langenscheidt seinen schon vor über einem Jahr versprochenen Rücktritt immer wieder vertagte - und andere Kandidaten mit bemerkenswerter Leidenschaft wegbiss. Eine von ihnen bezeichnete er bei der Kuratoriumssitzung vor wenigen Wochen als "Fehlgeburt".

Eine unwürdige Posse

Er sei missverstanden worden, sagt er heute. Doch es war nicht seine erste Entgleisung. Mehr als die Hälfte der ursprünglich 29 Kuratoriumsmitglieder trat danach zurück, darunter bekannte Münchner Namen - und die Vertreter von BMW, Munich Re und Allianz, lauter Firmen, die sich das Haus als Sponsoren warmhalten müsste. Langenscheidt klebe am Amt und habe den Verein "an den Rand des Abgrunds gebracht", schrieb einer in seiner Austrittserklärung. Der kontert, "diese Leute wollen mich kaputtmachen". Er habe doch immer gesagt, er wollte zurücktreten, sobald er "adäquate Kandidaten" gefunden habe. Bis Oktober sei das zu machen. Er sei zuversichtlich, dass der Verein dann in die "richtigen Hände komme", dass "die Richtigen gewählt" würden - und bestätigt damit, ohne es zu merken, den Vorwurf, der ihm gemacht wird.

Fast wäre es einem lieber, es gäbe am Haus der Kunst eine handfeste Richtungsdebatte als eine unwürdige Posse wie diese. Doch so klein das alles auch wirkt, in der Kombination mit den anderen Baustellen könnte es fatale Effekte haben. Zumal sich in München, wie so oft, niemand zuständig fühlt und alle einfach weiterwurschteln in der für die Stadt typischen Melange aus Selbstzufriedenheit, Lethargie und Verdruckstheit. Dass der Streit "kathartische" Wirkung habe, glaubt nur Enwezor. Wer, wie alle Beteiligten, jetzt betont, wie viel ihm an dem Haus liegt, sollte es nicht bei einem Achselzucken belassen.

© SZ vom 30.07.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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