Haus der Kunst:Streit unter Freunden

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Der Streit bei den Unterstützern des Hauses der Kunst in München dürfte sich bis in den Herbst hinein ziehen. Die Gründe dafür sind nicht nur Animositäten, sie liegen auch in der Historie - und in einer veränderten Wahrnehmung von Kunst.

Von Christoph Wiedemann, München

In den zurückliegenden Wochen schreckten immer wieder irritierende Meldungen aus dem Haus der Kunst die Öffentlichkeit auf. In der Gesellschaft der Freunde der Stiftung Haus der Kunst e.V. haben sich allem Anschein nach zwei unversöhnliche Fronten aufgebaut. Die Anfang Juli abgehaltene Mitgliederversammlung wurde spät abends nach hitzigen Diskussionen abgebrochen und auf kommenden Oktober vertagt.

Anschließend traten 13 Kuratoriumsvertreter zurück; neben einflussreichen Privatleuten auch die Firmenvertreter von BMW und Schörghuber, letzterer hatte sich ja schon als Großsponsor zurückgezogen. Und auch die Allianz hatte sich schon früher von den Freunden verabschiedet.

Ja, auch vereinzelte Austritte habe es gegeben, räumt Andreas Langenscheidt, Vorsitzender des aus dem 29-köpfigen Kuratorium gewählten Vorstandes, ein. Nichts Besorgnis erregendes. Alles mehr oder weniger im Rahmen der gewohnten Fluktuation. Bleibt gleichwohl festzuhalten, dass jeder Austritt auch einen finanziellen Verlust bedeutet. Bei 800 Euro jährlichem Mitgliedsbeitrag für Private und 1500 Euro für Firmen ein einfaches Rechenexempel. Weit schlimmer jedoch: Anfang Juni schon hatte die Schörghuber Gruppe ihre seit mehr als zwei Jahrzehnten geleistete jährliche Unterstützung in Höhe von 500 000 Euro für das Haus der Kunst zurückgezogen.

Schon 2011 fuhr das Haus der Kunst 350.000 Euro Defizit ein

Dazu muss man wissen, dass das Haus der Kunst bei einem Jahresetat von rund sieben Millionen Euro laut einem Landtagsbericht 2011 schon 350 000 Euro Defizit einfuhr. 2012 (neuere Zahlen liegen nicht vor) waren es bereits mehr als 500 000 Euro. Für 2014 verspricht der für das Haus als Stiftungsratsvorsitzender verantwortliche Kultusminister Ludwig Spaenle in einem Begleitschreiben an den Landtag gleichwohl wieder ein ausgeglichenes Gesamtergebnis. Das Schreiben stammt allerdings aus dem Januar dieses Jahres. Da war der Komplettrückzug von Schörghuber noch kein Thema. Komplettrückzug heißt hier übrigens: Ausscheiden als Gesellschafter der Stiftung.

Da waren es nur noch drei: neben dem Freistaat Bayern der mittlerweile zerstrittene Verein der Freunde und dann noch die Ausstellungsleitung Große Kunstausstellung im Haus der Kunst. Hinter Letzterer verbergen sich übrigens die eigentlichen, mittlerweile aber weitgehend entmachteten Besitzer des Hauses. Was spätestens jetzt dringlich eines Exkurses in die Historie bedarf. Denn die derzeitigen Verwerfungen haben ihren Urgrund zumindest in Teilen auch in der Geschichte des Hauses.

Adolf Hitler hatte seinerzeit das Haus der Deutschen Kunst mit der Eröffnung 1937 großspurig der deutschen Künstlerschaft gewidmet. Nach dem Zweiten Weltkrieg formierten sich deshalb drei in München ansässige Künstlerverbände - die Secession, die Neue Gruppe und die Neue Münchner Künstlergenossenschaft - zur sogenannten Ausstellungsleitung Haus der Kunst e. V. unter Geschäftsführung eines gewissen Peter A. Ade, der zuvor das von den Amerikanern requirierte und im Haus der Kunst eingerichtete Offiziers-Casino geleitet hatte. Die Immobilie wurde damals als Sondervermögen an den Freistaat Bayern übergeben. Woraus sich erklärt, dass bis heute neben dem Kultusministerium auch das Finanzministerium im Haus der Kunst Mitspracherecht genießt.

Die Künstlerverbände bespielten das Haus einmal im Jahr mit der deutschlandweit beachteten "Großen Kunstausstellung" und organisierten unter der Leitung von Peter A. Ade bis in die Achtzigerjahre des 20. Jahrhunderts hinein überaus erfolgreiche Wechselausstellungen mit einer thematischen Bandbreite vom Alten Ägypten bis zu damals noch avantgardistischen Großausstellungen mit Picasso, Klee oder Max Ernst. Das Programm war so erfolgreich, dass das Haus der Kunst als unabhängig geführte Kunsthalle jahrzehntelang ohne jeglichen öffentlichen Zuschuss auskam.

An diesem Punkt kommen wieder die Freunde des Hauses der Kunst ins Spiel. Die hat nämlich Ade 1958 "erfunden". In seinen Erinnerungen beschreibt er, wie er in ganz Deutschland die Mitglieder des Fördervereins vom Bund deutscher Industrie abklapperte und zu überzeugen verstand, dass sie in München in den Freundeskreis Haus der Kunst eintreten.

Überzeugen ließen sich damals Siemens, Thyssen, Krupp, Mercedes, BMW, Bertelsmann BASF, Opel Henkel, der Quandt-Konzern und alle bayerischen Banken und Sparkassen. Die hier nur auszugsweise zitierte Liste ist noch immer atemberaubend und erbrachte ein jährliches Spendenaufkommen von etwa 500 000 Mark. Ade beziffert die Kaufkraft nach heutigen Maßstäben in seinen 2001 erschienen Erinnerungen mit drei Millionen Euro.

Wie soll sich das Haus der Kunst inhaltlich ausrichten?

Ganz besonders aber war: Für die Hälfte ihres Beitrags konnten die Mitglieder alljährlich Kunst aus der Großen Kunstausstellung erwerben, die ihnen dann für die Dauer ihrer Mitgliedschaft zur Verfügung stand. Eine geniale Lockung, da der Mitgliedsbeitrag zudem steuerlich absetzbar war. Als das Finanzministerium diese Praxis allerdings wegen Gefährdung des Gemeinnützigkeitsstatus beanstandete, musste die ansehnliche Sammlung 2006 in einer großen Auktion zu Geld gemacht werden. Seither sitzen die "Freunde" auf einem Barvermögen von 5,2 Millionen Euro.

Unter anderem wird heute über dessen weitere Verwendung gestritten.

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Okwui Enwezor steht in der Kritik. Nun interessieren die Querelen im Unterstützerverein vom Haus der Kunst auch den Landtag: Bayern schießt mehr Geld zu als geplant. Ein Grünen-Politiker spricht von von finanzieller Intransparenz - und von Führungsversagen.

Von Christoph Wiedemann

Und die Künstlerverbände? Nachdem Ade 1982 die Leitung abgegeben hatte, rauschte das Haus der Kunst in den Achtzigerjahren tief in die roten Zahlen. Der Freistaat Bayern, vertreten durch den damaligen Kultusminister Zehetmair, sprang ein. Das Haus der Kunst wurde in eine gemeinnützige Stiftungs-GmbH umgewandelt. Gesellschafter sind nun der Freistaat als größter Zahler, die Freunde des Hauses der Kunst, die Reste der einstigen Künstlerverbände und bis vor kurzem als Großspender die Joseph Schörghuber Stiftung.

Diese Struktur wackelt jetzt. Der 2012 zum Direktor bestellte Okwui Enwezor ist bei den "Freunden" nicht unumstritten. Mehr noch fällt ins Gewicht, dass sie satzungswidrig, weil nicht eindeutig für Kunstzwecke, 100 000 Euro für eine Machbarkeitsstudie zur bevorstehenden Sanierung des Hauses der Kunst zahlen sollen, während Enwezor gleichzeitig die Biennale in Venedig kuratiert. Was andererseits dem Haus - so die Gegenfraktion - internationales Renommee verschafft. Ein Problem auch: Der Westflügel steht seit Jahren weitgehend leer, weil Geld fehlt für dessen Bespielung - ganz abgesehen von den großen baulichen Mängeln.

Unterm Strich bleiben zwei Fragen: Wie soll sich das Haus der Kunst inhaltlich ausrichten? Woher kommt das Geld für eine nachhaltige Zukunftsplanung? Sollten die Freunde des Hauses der Kunst auch noch wegbrechen, müsste der Freistaat zu den geschätzten 60 Millionen Euro Sanierungskosten noch mal tiefer in die Tasche greifen. Eine tragfähige Lösung muss auf jeden Fall gefunden werden, denn das Haus der Kunst ist so etwas wie ein Gelenkstück zwischen dem neuen Kunstareal und der alten Kulturmeile Prinzregentenstraße.

© SZ vom 12.07.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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