Haunersche Kinderklinik:Kinderkrebsstation in Not

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Junge Patienten müssen im Haunerschen Kinderspital teils auf dem Flur behandelt werden. (Foto: Catherina Hess)
  • Eltern und Ärzte schlagen Alarm: Der Mangel an Krankenpflegern ist im Haunerschen Kinderspital mittlerweile derart eklatant, dass krebskranke Kinder abgewiesen werden müssen.
  • Die Elterninitiative Intern 3 hat sich mit einer Petition an den Landtag gewandt. Sie bezahle auch Aufgaben, für die eigentlich der Staat aufkommen müsste, kritisiert sie.
  • Gründe für den Pflegenotstand sind vor allem die zu geringen Bezahlung und fehlende bezahlbare Wohnungen in München.

Von Inga Rahmsdorf

Ein dreijähriger Junge rennt durch den Krankenhausflur. Statt eines Spielzeugautos schiebt er einen Tropf-Ständer vor sich her. Daran hängen Beutel mit Infusionen, die durch Schläuche mit seinem kleinen Körper verbunden sind. In solchen Augenblicken wird Franz X. Ziegler sich jedes Mal wieder bewusst, warum er sich seit mehr als 30 Jahren ehrenamtlich für die Kinderkrebsstation engagiert. Ziegler hat selbst erlebt, was es bedeutet, wenn beim eigenen Kind plötzlich Krebs diagnostiziert wird. Sein Sohn erkrankte als Kleinkind.

Das ist jetzt mehr als 30 Jahre her, Zieglers Sohn ist heute ein gesunder Mann. Doch damals musste die Familie mehr als sechs Wochen lang jeden Tag zwei Stunden bis nach München fahren, wo ihr Kind in der Haunerschen Kinderklinik der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) behandelt wurde. Als der Sohn gesund wurde, gründete Ziegler mit anderen Eltern 1985 einen Verein.

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Die Eltern fühlten sich alleine, wenn plötzlich das Kind schwer erkrankt. Sie fühlten sich ausgeliefert, wenn sie ständig in dunklen Krankenhausfluren warten mussten. Es gab kein Spielzimmer für die Kinder damals und nur eine einzige Psychologin, wie Ziegler erzählt. Die Eltern wollten das ändern. Ihren Verein benannten sie nach der Krebsstation: Elterninitiative Intern 3. Sie begannen Spenden zu sammeln, Benefizveranstaltungen zu organisieren und prominente Unterstützer zu gewinnen. Vieles von dem, was es heute auf der Krebsstation gibt, hat der Verein ermöglicht.

Die Initiative ist seitdem in engem Kontakt mit den Familien, den Ärzten und Pflegern. Und sie schlägt Alarm: Denn der Mangel an Krankenpflegern sei mittlerweile eklatant. Die Initiative hat sich mit einer Petition an den Landtag gewandt. Die Kritik der Eltern richtet sich nun an die Landespolitik sowie die Bundespolitik. Die Gründe für den Pflegenotstand sehen die Eltern vor allem bei der zu geringen Bezahlung und fehlendem bezahlbaren Wohnraum in München. Auch Tobias Feuchtinger, Leiter der Abteilung für Hämatologie, Onkologie und Stammzelltransplantation am Haunerschen Kinderspital, hatte im Interview mit der Süddeutschen Zeitung den Personalmangel angeprangert und zugegeben, dass krebskranke Kinder abgewiesen werden müssen.

Bei den regelmäßigen Besuchen in der Klinik werde der Personalmangel immer deutlicher, erzählt auch ein Elternpaar, dessen Kind gerade im Haunerschen behandelt wird und das daher anonym bleiben will. Stress und Druck würden sich auf die Familien übertragen. "Wir können uns aufgrund der personellen Situation nicht auf alles verlassen", sagen die Eltern. Deshalb würden sie die Krankenzimmer vorab selbst desinfizieren, weil sie erlebt hätten, wie überlastet das gesamte Personal auf der Station sei. Die Ärzte und Pfleger seien sehr engagiert und würden großartige Arbeit leisten, so die Einschätzung von Ziegler und den anderen Eltern. Doch sie arbeiteten am Limit.

Dennoch versuchen die Eltern, die Situation für ihre Kinder so angenehm wie nur möglich zu gestalten. Im Dachgeschoss der Kinderklinik hat die Elterninitiative Intern 3 die onkologisches Tagesklinik finanziert, die 1999 eröffnet wurde. Sie bietet Platz für die Patienten und ihre Familien, die tagsüber zur Therapie kommen. Es gibt viel Platz, Spielzeug, ein Sofa. In der Nähe der Klinik hat der Verein fünf Wohnungen gemietet. Die Elterninitiative stellt sie kostenlos Eltern zur Verfügung, die nicht in München wohnen, aber monatelang ihr Kind zur Krebstherapie begleiten. Im Gebäude ist auch die Beratungsstelle Perspektive untergebracht, die Familien bei der Nachsorge hilft.

2017 hat die Elterninitiative 160 000 Euro ausgegeben, für Ärzte, Pflegepersonal, Sozialpädagogen, Psychologen, Kunsttherapeutin, Ernährungsberaterin und die Beratungsstelle. "Diese Leistungen, die unser Verein schon seit Jahrzehnten erbringt, müssten eigentlich vom Staat gezahlt werden", sagt Ziegler. Gerade hat der Verein neue Lampen für den Flur finanziert. Die Klinik habe angefragt, ob die Initiative die Kosten von Wlan-Anschlüssen übernehmen könnte. Es sei unglaublich, dass der Freistaat 33 000 staatseigene GBW-Wohnungen verkauft habe, sagt Ziegler. Und nun findet die Klinik kein Personal, weil Pfleger sich Wohnungen in München nicht leisten können. Dabei sei das nicht die erste Petition der Elterninitiative. "Schon im Juli 2005 haben wir auf das zu erwartende Personalproblem hingewiesen", sagt Ziegler. "Doch nichts ist passiert."

© SZ vom 26.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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