Harem:Teuflisch scharf und sündhaft süß

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Gegrillt wird im "Harem" unter einer großen Kupferhaube - und um das Wohl der Gäste kümmert sich die Betreiberin Havva Mühldorfer (links), hier mit ihrer Mitarbeiterin Corina Lupusoara. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Es gleicht zwar keinem Traum aus tausendundeine Nacht, dennoch ist das Restaurant Harem ein Ort zum Wohlfühlen.

Gertrude Fein

Das Wort Harem, von "haram", arabisch: verboten, löst in den westlichen Phantasien Bilder von lasziven, allzeit bereiten Frauen aus, die nur darauf warten, von ihrem Herrn und Gebieter gerufen zu werden. Für Männer eine äußerst reizvolle Vorstellung. Frauen finden das nicht so prickelnd.

Nach einem richtig üblen Tag im Büro allerdings, einem Krach mit dem Filius und einer nervenden Pflichteinladung am Abend blitzt vielleicht doch der Gedanke auf, dass es gar nicht so schrecklich wäre, den ganzen Tag gepflegt und gehegt zu werden - und es wird ja nicht jeder Sultan so hässlich sein, dass man ihn unbedingt von der Bettkante stoßen wollte.

Im "Harem" an der Allacher Straße im Münchner Westen werden die Haremsdamen nicht gehegt und gepflegt, vielmehr hegen und pflegen sie ihre Gäste. Sie tragen zwar meist Jeans und Pullover, würden aber sicher in Flattergewändern aus feiner Seide eine ebenso gute Figur machen. Für die Romantik im Harem sorgen viele bunte Glaslampen, die wie kleine Montgolfièren im Raum schweben.

Leider geben sie zum Essen recht wenig Licht. Von den Lampen und dem großen Grill unter einer Kupferhaube, die einen wirkungsvollen Abzug verbirgt, abgesehen, erinnert das Lokal mit seiner dunklen Holztäfelung und den dunklen Möbeln eher an eine alte bayerische Wirtschaft als an orientalische Frauengemächer. Damit kein Irrtum aufkommt, wird der Gast beschallt mit orientalischer Hintergrundmusik, bei der sich von Zeit zu Zeit eine etwas sägende Frauenstimme zu sehr in den Vordergrund drängt.

Mit dem Prädikat "The Art of Turkish Cuisine" schmückt sich das Restaurant. Der Teller mit gemischten, warmen Vorspeisen erschien jedoch recht kunstlos. Zwei mit Käse gefüllte Teigzigarren, eine Käsekrokette und gegrillte Gemüsescheiben, begleitet von zwei kaum gewürzten Saucen, das war's.

Die kalten Vorspeisen hingegen, viele verschiedene, meist joghurthaltige Pasten und Cremes, von ganz mild mit Karotten bis teuflisch scharf aus gehacktem Gemüse mit spürbar viel Chili, waren der richtige Einstieg in ein türkisches Mahl (jeweils 8,90 für 2 Personen). An einem kalten Tag erwärmte die pürierte Linsensuppe angenehm den Magen (3,90).

Bei den Hauptgerichten spielt der große Grill eine wahrhaft tragende Rolle, und er spielt sie gut. Der "Türke" am Grill scheint der bayerische Ehemann der Wirtin Havva Celik-Mühldorfer zu sein. Die verschiedenen Filets und den kleinen gefüllten Kalamar auf der Fischplatte hatte er trefflich gegrillt, ohne jede Verbrennung (15,90). Dazu gab es Kartoffeln und Spinat, den wir allerdings bei Türkens schon besser erlebt hatten.

Das Fleisch auf den Lammspießen (11,90) und dem Grillteller mit Rind-, Hühner-, Lamm- und Hackfleisch (14,90) war von sehr guter Qualität und ebenso geglückt gegrillt wie der Fisch. Begleitet wurden sie jeweils von einer großen, harmlos aussehenden Peperonischote, die den arglosen Esser nach Luft japsen ließ. Die wohlgewürzten Hackfleischspieße auf gerösteten Brotwürfeln, gebettet in Joghurt, mit dem schönen Namen Yogurtlu Adana Nurbanu Sultan, waren dagegen von angenehmer Schärfe (12,90).

Eines Abends bot die Tageskarte Kalbsnuss, gefüllt mit Datteln, Feigen und Spinat an, eine sehr überzeugende Kombination. Leider war die Außenhaut recht trocken (12,90). Die fünf dicken Köfte, laut Karte Hackfleischpflanzerl vom Rind, schmeckten seltsamerweise sehr gut nach Lamm (11,90). Die Zauberkunst der türkischen Küche?

Dazu gab es gemischten Salat und Antep Ezme, eine höllisch scharfe, himmlisch schmeckende Mischung aus gehacktem Gemüse. Tee passt wohl am besten zu einem türkischen Mahl, aber der Verdicchio aus Sardinien (0,2 Liter 4,80) war auch keine schlechte Wahl, allerdings hatte der türkische Cankaya Kavaklidere mehr Charakter (0,2 Liter 4,60). Zum Dessert sollte man unbedingt Künefe probieren, eine hochkomplizierte, sündhaft süße Sache aus sehr dünnen Nudeln, salzlosem Käse und Zuckerfäden (5,90).

Alles in allem ist das Harem im Münchner Westen ein Ort zum Wohlfühlen mit kleinen Macken und vielen Pluspunkten. Einer davon ist der einladende Garten, wo man in der wärmeren Jahreszeit gemütlich unter Kastanien sitzen kann, am Abend um ein offenes Feuer. Dann kommen vielleicht auch wieder die prächtigen Kostüme zum Einsatz, die die Haremsdamen bei der Eröffnung im Frühjahr des vergangenen Jahres trugen.

© SZ vom 17.03.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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